Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Nicht nur Spitzenpolitiker, Parteien, Wahlforscher und Journalisten warteten mit mehr oder weniger erhellenden Analysen und Stellungnahmen zu den italienischen Parlamentswahlen vom 9.+10.April 2006 auf, sondern auch „der Rest“ der Gesellschaft. Die unabhängige linke Tageszeitung „il manifesto“ fasste am 12.4.2006 die Kernaussagen prominenter Vertreter der kämpferischen Basisgewerkschaften Confederazione Cobas, SULT und RdB sowie der linken Kulturdachorganisation ARCI, die einen bedeutenden Teil der italienischen Antiglobalisierungsbewegung darstellen, in dem folgenden Artikel zusammen.

 

Den Wirtschaftsliberalismus bekämpfen, um die Ängste zu bekämpfen!

 

FRANCESCO PICCIONI

 

Bewegungen Und Basisgewerkschaften erlebten den Montag mit Besorgnis. Zu stark war die Erfahrung der „Taubheit“ der Regierung Berlusconi gegenüber den Forderungen dieser Teile der Gesellschaft, um nicht auf den Wechsel zu hoffen und darauf hinzuarbeiten. Die politische Schwäche der Mitte-Linken erscheint jedoch ebenfalls klar, vor allem was die Fähigkeit anbelangt, das reale Land zu „lesen“ <d.h. zu verstehen> und seine Unterstützung zu gewinnen.

 

In dem bei den Wahlen deutlich gewordenen Bruch sieht Paolo Beni, der Vorsitzende der ARCI „das Spiegelbild der europäischen Gesellschaft angesichts der Transformationen der letzten Jahre“, mit  „dem Wirtschaftsliberalismus, der Ungleichgewichte hervorruft“, auf die die Gesellschaft mit einem „Gefühl der Unsicherheit, Angst vor dem Neuen und korporativer Abschottung zur Verteidigung der eigenen Interessen“ reagiert. Etwas ähnliches sieht auch Piero Bernocchi, Führer der Cobas Scuola (Basiskomitees Schule) <und der Confederazione Cobas>, demzufolge Berlusconi in der Lage war „das Volk der Eigenheimbesitzer“ dazu zu bringen, <ihn> zu wählen. Also Leute, die „nicht die ‚Bourgeoisie’ sind (die ist wenn überhaupt dann auf der Seite der <Mitte-Links-> Union)“, sondern Schichten, die „volkstümliche Ungesetzlichkeiten“ begehen <illegaler Hausbau, Steuerhinterziehung etc.>, mit der „Mentalität von Kleineigentümern, die mit den Problemen der Prekarität der eigenen Arbeit oder der der Kinder leben“. Schichten, die im Berlusconismus einen „Schutzschild“ sahen und denen man nicht nur mit der Drohung gegenübertreten kann: „Wir werden es nicht mehr so machen wie früher!“, ohne „ihnen eine Alternative“ in Form von stabiler Beschäftigung und Wohlfahrt „anzubieten“.

 

Auch Fabrizio Tomaselli, Koordinator der Lufttransportgewerkschaft SULT, hat in der Nacht erleichtert aufgeatmet. Er fragt sich allerdings, ob die Regierung Prodi in der Lage sein wird, „sofort Antworten“ auf Fragen wie „die Prekarität und das Gesetz Nr. 30 / 2003 zu geben“. Die Befürchtung lautet, dass die Mitte-Linke, wie schon nach <dem Wahlsieg von> `96 scheitern kann,  „aufgrund der Logik, dass auftretende politische Probleme den Tarifverhandlungen aufgebürdet werden können (siehe das Gesetz über die <gewerkschaftliche> Repräsentanz, das es noch nicht gibt oder über das Streikrecht“. Und dann ist da die Frage der, von Prodi versprochenen, „Reduzierung des Steuerkeils auf 5%“. „Wer bezahlt das?“, fragt Tomaselli, weil „es nicht die Arbeiter sein können, die die Unternehmen finanzieren“.

 

Angesichts der Alternative „Sozialpartnerschaft / Konzertierte Aktion oder Konflikt“, sind die Standpunkte noch nicht für alle klar festgelegt. Beni beschränkt sich vorläufig darauf zu fordern, dass die Mitte-Linke ihr Programm umsetzt, ohne der Perspektive „unangebrachter und zweideutiger großer Übereinkünfte“ nachzugeben. Nach Ansicht des Koordinators der RdB (Basisvertretungen), Pierpaolo Leonardi, „hat die Welt der Arbeit keinen Bedarf an einer neuen Phase der Sozialpartnerschaft, sondern an einer starken Umkehrung der Tendenz, die der Arbeit wieder Wert verleiht“. Bernocchi sieht, was das „Was tun?“ angeht die Notwendigkeit „den sozialen Konflikt zu aktivieren“. Nicht weil er Gefallen am Kampf findet, sondern als Gelegenheit – auch für die Parteien der radikalen Linken – „aus der lähmenden Falle herauszukommen“, die durch eine knappe Mehrheit und „all die Versuche zu einem faulen Kompromiss zu kommen, die jetzt gestartet und von den starken Mächten vorangetrieben werden“, entstanden ist.

 

Was das zentrale Thema anbelangt, das in Angriff genommen werden muss, ist der Chor jedoch einstimmig: „Die Prekarität der Arbeit, speziell der Arbeit der Jugendlichen.“ Und schließlich lugt das Anti-CPE-Frankreich als Beispiel für die politische Dialektik zwischen Bewegungen und Institutionen hervor. In einem Land – das ist klar – wo „der Staat“ ein Wort ist, über dessen Sinn allgemeine Einigkeit besteht.

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover