Antifa-AG
der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Der
dreiste Versuch des Alitalia-Vorstandsvorsitzenden Giancarlo Cimoli, die linke
Basisgewerkschaft SULT (die beim fliegenden Personal die stärkste und beim
Bodenpersonal die drittstärkste Gewerkschaft innerhalb des Unternehmens ist)
wegen mangelnder Untertänigkeit bei der Fluggesellschaft nicht mehr
anzuerkennen und nicht mehr zu Verhandlungen zuzulassen, stellt einen
fundamentalen Angriff auf alle Gewerkschaften dar, die ihre Aufgabe als
Interessenvertretung der Lohnabhängigen ernst nehmen. Dennoch gab es vonseiten
der zweit- und drittstärksten italienischen Gewerkschaftsbünde CISL
(christdemokratisch) und UIL (ehemals PSI-nah, heute ihrem Selbstverständnis
nach eine „Bürgergewerkschaft“) sofort offene Unterstützung für Cimoli. Auch
die verantwortliche Sekretärin der sozialdemokratischen Gewerkschaftszentrale
CGIL, Nicoletta Rocchi, schloss sich diesem Chor an. Nachdem die Kumpanei durch
die Solidaritätserklärungen der CGIL-Branchengewerkschaft für den Öffentlichen
Dienst, Funzione Pubblica (FP), und den Sprecher der Linken in der
CGIL-Transportarbeitergewerkschaft FILT, Giorgio Carnicella, Risse bekommen
hatte, sah sich CGIL-Generalsekretär Guglielmo Epifani zu einer – heutzutage so
modernen – Äquidistanz-Erklärung genötigt und positionierte sich in der ‚goldenen
Mitte’ zwischen dem Alitalia-Vorstand und der SULT, wo immer das auch sei…
Der
erste prominente CGIL-Funktionär, der sich mit den ’Schmuddelkindern’ vom SULT
solidarisierte, war allerdings Giorgio Cremaschi (die Nr.2 der größten
italienischen Metallergewerkschaft FIOM und mittlerweile auch führender Kopf
der CGIL-Linken). Die von Rifondazione Comunista herausgegebene Tageszeitung
„Liberazione“ interviewte Cremaschi für die Ausgabe vom 23.8.2005 zu
diesem Thema:
Interview
mit Giorgio Cremaschi vom Nationalen Sekretariat der FIOM:
„In Sachen Stewardessen und Stewards
liegt die CGIL falsch. Man riskiert, sich zurückzuentwickeln.“
von Fabio Sebastiani
„Wer nicht den Interessen
des Unternehmens dient, ist keine Gewerkschaft.“ Kehren die düsteren Zeiten der
Sozialpartnerschaft zurück ?
„Vor allem totale und
uneingeschränkte Solidarität mit dem SULT. Nicht nur, weil es unakzeptabel ist,
dass eine repräsentative Gewerkschaft mit einem Federstrich getilgt wird,
sondern vor allem weil dies erneut eine grundlegende Frage stellt, die wir auch
als FIOM erlebt haben – wenn auch nicht auf so dramatische Weise. Wenn man das
Prinzip, nach dem nur diejenigen, die ein Abkommen unterzeichnen, die
gewerkschaftlichen Rechte besitzen, ganz streng anwendet und wenn es beim
Abschluss der Abkommen keine Demokratie gibt, dann bedeutet das, dass es die
Unternehmen sind, die über die Existenz der Gewerkschaft entscheiden.“
Und das angesichts der
„Gewerkschaft der Arbeiter“…
„Die Gewerkschaft muss <dieser Vorstellung zufolge> nicht in erster Linie repräsentativ, sondern
Gesprächspartner des Unternehmens sein. So wird der Begriff der Repräsentanz
umgekehrt. Die Gewerkschaft wird zum Gesprächspartner des Unternehmens bei den
Arbeitern und nicht zum Repräsentanten der Arbeiter beim Unternehmen. Deshalb
betrifft diese Frage auch das Engagement für einen grundlegenden politischen
Kampf zugunsten der gewerkschaftlichen Demokratie. Ein Engagement, das bei der
für den 7.September in Bologna geplanten Versammlung des Netzwerkes <“Rete 28 Aprile“ der
Linken in der CGIL> auf die
Tagesordnung gesetzt werden muss.“
Man hat den Eindruck,
dass – wenn in punkto Streikrecht einen Millimeter zurückgewichen wird – es
erneut Angriffe auf die fundamentalen Rechte hagelt…
„Das ist nicht so
verwunderlich. <Der
Professor für Arbeitsrecht an der Universität Mailand, ehemalige
PCI-Abgeordnete und Kommentator der moderat linksliberalen Tageszeitung „Corriere
della Sera“ Pietro> Ichino hat
vor gerademal einem Monat eine – wenn auch doppeldeutige – Kampagne zugunsten
der Regeln in Sachen gewerkschaftlicher Demokratie gestartet. Jetzt scheinen
diese jedoch <wieder> in Vergessenheit geraten zu sein und die Existenz
der Gewerkschaften wird wiederum nicht an ihre reale Repräsentativität, sondern
an konkrete Verhaltensweisen und an das Wohlwollen der Unternehmen geknüpft.
Das scheint mir ein schöner Absturz zu sein, was die Strenge <der Anerkennungskriterien> anbelangt.“
Erstaunt Dich die
Stellungnahme der CGIL nicht ?
„Die Positionen, die von
derjenigen <Nicoletta
Rocchi vom Nationalen CGIL-Sekretariat>
bezogen wurde, die im Namen der CGIL gesprochen hat, sind aus zwei Gründen
negativ. Erstens weil die Frage der gewerkschaftlichen Demokratie übergangen
wird und uns das auf eines der zentralen Themen des <im März 2006 stattfindenden
CGIL-> Kongresses verweist. Diese
ganze Angelegenheit zeigt erneut die Notwendigkeit eines Gesetzes, das den
Gewerkschaften die Rechte auf der Grundlage der tatsächlichen Repräsentativität
sichert und den Werktätigen das sakrosante Recht, Tarifforderungen und Abkommen
mittels Urabstimmung zu verabschieden. In der mangelnden Solidarität der CGIL
mit dem SULT sehe ich jedoch die Rückkehr zu einer Unterordnung unter die CISL
und ihre Vorstellung von einer Gewerkschaft, die keinen Überprüfungen der
Repräsentativität unterworfen ist, es sei denn in Form der Abkommen mit der
Gegenseite. Das läuft Gefahr, zu einer Rückentwicklung auch in Bezug auf die
Positionen von 2001 und 2002 zu werden als es den Anschein hatte, dass die
gesamte CGIL die Demokratie als Priorität betrachtete. Heute habe ich den
Eindruck, dass die Einheit mit CISL und UIL und das sozialpartnerschaftliche
Verhältnis zu den Unternehmen wieder an erster Stelle steht. Das ist ein nicht
zu akzeptierender Rückschritt.“
Warum beschließt Alitalia
in diesem Moment gegen den SULT vorzugehen ?
„Es bleibt die Tatsche, dass
es eigenartig ist, dass ein Unternehmen, das so viele Probleme hat, sich als
Erstes für den Autoritarismus entscheidet. Das scheint mir eine Vorstellung von
Sanierung zu sein, die eine Gewerkschaft nicht teilen kann. Eine Idee, der
zufolge ein Unternehmen, um das Wohlwollen der Finanz zu erlangen, zeigen muss,
dass es mit den Beschäftigten hart umspringt. Ich würde sagen, dass das, was
bei Alitalia passiert, die andere Seite der Immobiliengeschichten <Anm.1> und der Übernahmen ist, die diesen Sommer gekennzeichnet
haben. Dort gibt es ein Kapital, das auf jede Verbindung zur Produktion verzichtet
und hier gibt es eine Vorstellung von der Produktion, die auf jede wirkliche
Verbindung zu den Arbeitsrechten verzichtet. Das sind zwei Alternativen, die
beide abzulehnen sind. Auch deshalb scheint mir das Verhalten von <Lega Nord-Arbeitsminister> Maroni instrumentell. Im genetischen Code dieser
Regierung ist der Angriff auf die Rechte der Werktätigen und die Strategie der
Separatabkommen eingeschrieben. Das Problem ist, ob die konföderale
Gewerkschaft <d.h.
die drei großen Gewerkschaftsbünde CGIL-CISL-UIL> und die Mitte-Linke dem eine wirklich andere Politik
entgegensetzen, die bei der Demokratie beginnt.“
Anmerkung
1:
Eine Anspielung
auf das dubiose Vorgehen des römischen Baulöwen Stefano Ricucci, der in den
letzten Monaten innerhalb kurzer Zeit seinen Aktienanteil am Verlagshaus der
größten italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Auflage
670.000) von 5% auf 20% steigerte und dabei eng mit dem Bankier Ubaldo Livolsi
zusammenarbeitete, der wiederum ein Partner von Silvio Berlusconi ist, welcher
seit langem versucht, den „Corriere“ auf Regierungslinie zu bringen.
Vorbemerkung,
Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover