Antifa-AG
der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Rund um
die linke, im Juni 2003 aus der Vereinigung dreier Basisgewerkschaften (SULTA,
UCS und CNL) hervorgegangene Transportarbeitergewerkschaft SULT, die sich
weigert das jüngste Tarifabkommen bei Alitalia zu unterzeichnen, ist in
Italien eine schwerwiegende gewerkschaftspolitische Auseinandersetzung
entbrannt, da die Geschäftsleitung der Fluggesellschaft Alitalia den Sindacato
Unitario dei Lavoratori dei Trasporti – SULT – daraufhin wegen
Unbotmäßigkeit ab sofort nicht mehr als Verhandlungspartner anerkennen will.
Dies obwohl SULT beim fliegenden Personal mit einem Anteil von 50% an den
gewerkschaftlich Organisierten stärkste Kraft ist und beim Bodenpersonal (nach
den Branchengewerkschaften der sozialdemokratischen CGIL und der
christdemokratischen CISL, aber noch vor dem Anleger des drittstärksten
Gewerkschaftsbundes UIL) ebenfalls über einen erheblichen Rückhalt verfügt. Das
Verhalten von Alitalia-Chef Cimoli hat mittlerweile eine Reihe von linken und
linksliberalen Parteien auf den Plan gerufen und innerhalb der CGIL für heftige
Auseinandersetzungen und sehr gegensätzliche Stellungnahmen gesorgt. SULT
(Webadresse: http://www.sult.it/) selbst ruft für den
6./7.September 2005 zu einem landesweiten Streik auf. Die Flugbegleiter sollen
(nach letzten Informationen) die Arbeit 48 Stunden niederlegen. (Wobei die vom
Gesetz garantierten Starts und Landungen im Zeitraum von 7 – 10 Uhr und von 18
– 21 Uhr vom Streik ausgenommen sind.) Über Gründe und Hintergründe informierte die
linke italienische Tageszeitung „il manifesto“ am 27.8.2005.
Die
Streikenden gehen mit ihrer Kampfaktion ein hohes Risiko ein, da der Chef der
sog. „Garantiekommission“ für die Streiks im öffentlichen und Transportsektor,
Paolo Martone – mit Rückendeckung von Berlusconis Verkehrsminister Pietro
Lunardi – die Arbeitsniederlegung für „illegitim“ erklärte und gegen die
dennoch Streikenden pro Person (über den Verdienstausfall hinaus) eine
Geldbusse von 250 bis 500 Euro verhängen will. Erschwert wird die Situation
auch dadurch, dass von der von der SULT sehr kurzfristig angestrebte,
gemeinsame Streik aller linken Basisgewerkschaften im Transportsektor nicht
zustande kam und sich die Solidarität zunächst auf Solidaritätserklärungen und
eine kleine gemeinsame Kundgebung am 2.September vor dem italienischen Regierungssitz
Palazzo Chigi in Rom beschränkte.
Die SULT-Herausforderung: Der Streik
wird generell sein
In Solidarität mit den
Flugbegleitern der Alitalia werden am 6. und 7.September auch Busse, Züge und
Fähren stillstehen. Unterdessen durchbrechen <die CGIL-Branchengewerkschaften für den Öffentlichen Dienst und den
Transportsektor>
Funzione Pubblica (FP) und FILT das „Schweigen“ der CGIL.
LUCA DOMENICHINI
Die SULT antwortet. Und die
Linke bewegt sich. Die Gewerkschaften – auch ein kleiner Teil der konföderalen <d.h. zu CGIL, CISL und UIL
gehörenden> – geht zum Verhalten des
Unternehmens auf Distanz. Es gibt Generalstreik. Während man in der CGIL
beginnt, die Front des Schweigens zu durchbrechen, ist es der SULT gelungen,
auch andere Organisationen in den Arbeitskampf einzubeziehen, der bereits nicht
mehr nur die Flugzeuge betrifft. Am 6. und 7.Septemer werden – dank der
Beteiligung verschiedener Basisgewerkschaften – auch Züge, Autobusse und Fähren
stillstehen. „Angesichts der von Alitalia gegenüber der SULT-Fachgruppe
Flugbegleiter praktizierten antigewerkschaftlichen Repression“ – schreibt der
Vorsitzende der Gewerkschaft, Vincenzo Siniscalchi – „proklamiert das
Nationale Sekretariat den 48stündigen Generalstreik aller Transporte am Boden,
zu Wasser und in der Luft für den 6. und 7.September. Die SULT“ – fährt die
Mitteilung fort – „wird in diesen Tagen auch um die Beteiligung anderer
Organisationen des Transportsektors und darüber hinaus werben, die von dem
Streik betroffen sind.“
Es steht Mauer gegen Mauer.
Vor zwei Tagen hat der Vorstandsvorsitzende von Alitalia, Giancarlo Cimoli,
zu den Verhandlungen „Njet !“ gesagt und die von Arbeitsminister Maroni <Lega Nord> vorgesehenen Verhandlungen platzen lassen. „Alitalia
erkennt die SULT nicht mehr an“, hat Cimoli in einem Telefongespräch mit dem
Minister wiederholt. „Entweder läuft es so oder ich gehe“, war sein letztes
Wort, das zum Abbruch der Verhandlungen geführt hatte.
Gestern kam die Antwort der
Gewerkschaft: der Generalstreik, <ein Aufruf>
der sich nicht mehr nur an die Flugbegleiter richtet. Kurz darauf folgte der
Appell der Parteien der radikalen Linken: „Wir fordern Alitalia auf, die
getroffene Entscheidung sofort zurückzunehmen“, schreiben Bertinotti <Rifondazione Comunista>, Pecoraro Scanio <Verdi – Grüne>, Diliberto <PDCI>
und Di Pietro <ehemaliger
Staatsanwalt und Anti-Schmiergeld-Ermittler, jetzt Parteichef von „Italia
dei Valori“ – „Italien der Werte“>.
„Die Entscheidung der Alitalia, die Gewerkschaften SULT (und <die Pilotenvereinigung> AVIA) nicht anzuerkennen, schränkt das Recht der
Beschäftigten auf Vertretung ein und schafft in erster Linie ein Problem: Der
Arbeitgeber kann sich die gewerkschaftliche Gegenseite, die ihm gefällt, nicht
nach Gutdünken aussuchen.“ Wie es jedoch der Fall war.
September 2004: Die
SULT-Fachgruppe Flugbegleiter unterzeichnet den Tarifvertrag. Der
Umsetzungsplan ist <noch
immer> nicht festgelegt. Februar
2005: Die SULT unterschreibt nicht. Im vom Unternehmen vorgelegten
Umsetzungsplan gibt es mindestens 4 Punkte, die nicht in Ordnung sind. Der
erste: die Erholungszeit. Der neue Umsetzungsplan beseitigt die „zusätzliche Erholungspause“,
d.h. die nach Mittel- und Langstreckenflügen durchschnittlich zugestandenen 24
Stunden. „Jetzt kommt es auch vor, dass man 15 Stunden hintereinander fliegen
muss“, erläutert die Gewerkschaft. „Eine durchschnittliche Strecke? Rom –
Mailand – Tel Aviv – Mailand und wieder Rom. Alles an einem Tag. Zulasten der
Sicherheit. Und ohne sich am Tag danach noch ausruhen zu können.“
Das ist aber nicht nur eine
Frage der Erholung. Der Umsetzungsplan vom Februar bringt auch eine Kürzung der
Gehälter mit sich. Das Beispiel ist eine Stewardess, die in Rom wohnt, aber auf
der Route Mailand-Buenos Aires Dienst tut. „Vor dem Februar“ – sagt Fabrizio
Tomaselli von der SULT – „wurden die Stewardessen entsprechend den auf
beiden Flügen (Rom – Mailand und Mailand – Buenos Aires) absolvierten Stunden
bezahlt. Das ist nun nicht mehr so. Das Unternehmen bezahlt nur die Stunden für
die interkontinentale Strecke und nicht mehr für den Anschlussflug. „Aber nicht
nur das: Außer der „zusätzlichen Erholungspause“, die es nicht mehr gibt, und
den nicht mehr bezahlten Stunden für die Anschlussflüge bezahlt das Unternehmen
seit dem Umsetzungsplan vom Februar auch diejenigen Flugbegleiter nicht mehr,
die sich in cassa integrazione <Kurzarbeit Null mit geringer stattlicher
Unterstützung> befinden. Deren
Verträge heißen Solidaritätsverträge. Tomaselli erläutert: „Der neue
Umsetzungsplan sieht Kurzarbeitstage für alle Flugbegleiter vor. Rotierend
müssen alle 4.000 Beschäftigten zu Hause bleiben: 6 Tage im Jahr 2005 und 6
Tage im Jahr 2006. Alitalia wird die allerdings nicht bezahlen. Das ist eine
andere Behandlung als sie die Flugbegleiter und Piloten der Meridiana erfahren.
Die bekommen weiterhin 85% ihres Gehalts, auch an den Tagen der cassa
integrazione.“
Solidarität mit der SULT
kommt jetzt <auch> aus der Welt der großen Gewerkschaftsbünde. FP-CGIL
und FILT-CGIL brechen mit der Position von Nicoletta Rocchi, der
Bevollmächtigten CGIL-Sekretärin für den Transportsektor. Die Rocchi hatte
erklärt: „Alitalia macht es richtig.“ Gestern hat – nach der
Solidaritätserklärung der <CGIL-Branchengewerkschaft für den Öffentlichen Dienst> Funzione Pubblica – allerdings auch die FILT
(Branchengewerkschaft für den Transportsektor) interveniert. Das Mitglied des
Nationalen Sekretariats Giorgio Carnicella, der zugleich nationaler
Koordinator der <gewerkschaftslinken
Strömung> Lavoro e Società <Arbeit & Gesellschaft> in der FILT ist, schreibt: „Cimolis Entscheidung
kann weder geteilt noch bedingungslos akzeptiert werden. Wenn man sich
anschaut, was mit der SULT geschieht, muss man sich fragen, ob ein autoritäres
Vorgehen nicht Gefahr läuft, für alle Gewerkschaftsorganisationen zu einem
verheerenden Präzedenzfall zu werden und insbesondere für die CGIL. Um gar
nicht daran zu erinnern, wer die CGIL <im Frühjahr 2002> wegen der fehlenden Unterzeichnung des Paktes für Italien und des
Tarifvertrages mit <dem
Metallindustriellenverband>
Federmeccanica angegriffen hat.“
Vorbemerkung,
Übersetzung, Hervorhebungen und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover