Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Seit langem steht die Frage im Raum, ob sich gegen Blairs New Labour Party in Großbritannien mittelfristig eine eigenständige linke Alternative etablieren kann. Wie die Regionalwahlen in Schottland Anfang Mai 2003 gezeigt haben, ist dies – unter den Bedingungen des Verhältniswahlrechtes und aufgrund einer klaren und glaubwürdigen Politik, die auf einer jahrelangen intensiven Massenarbeit fußt – gelungen. Die Anfang 1999 von verschiedenen Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen der schottischen radikalen und revolutionären Linken gegründete Scottish Socialist Party (SSP) konnte ihren Wähleranteil auf landesweit 7,68% (= 128 026 Stimmen; Hochburg: Glasgow mit 15,2% !) verdreifachen und die Zahl ihrer Abgeordneten im schottischen Landesparlament von 1 auf 6 steigern. (Im Internet findet man sie unter:

www.scottishsocialistparty.org)

Die Tageszeitung von Rifondazione Comunista, “Liberazione”, veröffentlichte anläßlich dieses Wahlerfolges am 4.5.2003 das folgende Interview mit dem führenden Kopf der SSP, Tommy Sheridan:



Interview mit Tommy Sheridan von den schottischen Sozialisten:


“New Labour befindet sich im freien Fall”


“Bei den Wahlen in Schottland haben die vier größten Parteien zugunsten derjenigen verloren, die mit einer sozialen und fortschrittlichen Politik antraten.”


Guy Fawkes – London


Wir setzen uns ein bißchen früher hin, um den faszinierenden und charismatischen Tommy Sheridan, den schottischen Abgeordneten und Führer der Scottish Socialist Party telefonisch zu erreichen. Aber die Mühe lohnt sich, weil wir die Möglichkeit haben, die Botschaft auf dem Anrufbeantworter seines Handys zu hören: “Ich bin nicht da. Bin damit beschäftigt Tony Blair und seine konservative Regierung zu bekämpfen. Hinterlaßt eine Nachricht, dann werdet Ihr zurückgerufen !” Die SSP entstand formal wenige Monate vor dem Mai 1999, dem Jahr, in dem die ersten Wahlen zum schottischen Parlament stattfanden. Die SSP, die bereits ein Bündnis der Kräfte der alternativen Linken ist, ist der lebende Beweis dafür, daß das atavistische britische Sektierertum besiegt werden kann, um eine glaubwürdige und über Massenanhang verfügende politische Kraft zu schaffen. Bei den Wahlen vom vergangenen Donnerstag <dem 1.Mai 2003> kam die SSP auf 6 Abgeordnete – 5 mehr als bei den letzten Wahlen.


Welche Machtbefugnisse hat das Schottische Parlament ?


“Sie sind begrenzt, aber wichtig. Wir haben die Macht Gesetze auf dem Gebiet der Mindestlöhne und bezüglich der Arbeitszeit der im öffentlichen Dienst Beschäftigten zu erlassen. Wir können auch bei einigen lokalen Steuern intervenieren, um den von Schottland produzierten Reichtum zugunsten der schwächsten sozialen Gruppen (wie z.B. den Rentnern) umzuverteilen.”


Mit welchem Programm seid ihr in die Wahlen gegangen ?


“Wir sind mit einem klaren Programm zur Bekämpfung der Armut, der sozialen Ungleichheiten und der Hungerlöhne angetreten. Und dann sind wir seit jeher gegen den Krieg und kämpfen für die atomare Abrüstung.”


Wie ist Deine Meinung über den letzten Wahlgang in Schottland und im Vereinigten Königreich insgesamt ?


“Die offenkundigste Tatsache ist die Unfähigkeit Tony Blairs seine sogenannte Popularität in Stimmen umzuwandeln. In Schottland haben die vier großen Parteien (Labour, Konservative, schottische Nationalisten und die Liberaldemokraten; Anm. d.Red.), die die großen Finanzlobbies unterstützen, Stimmen zugunsten der Parteien verloren, die mit einem sozialen und fortschrittlichen politischen Forderungskatalog antraten, wie wir und die Grünen. Die Schottische Sozialistische Partei hat einen Stimmenzuwachs von 300% erzielt.”


Wie geht New Labour aus dem Votum vom 1.Mai hervor ?


“Blairs Partei verliert in dramatischer Weise Wähleranteile. Sie ist nicht mehr die Partei der Arbeiter. Es ist von Bedeutung, daß sich die Trade Unions <d.h. die Gewerkschaften> fragen, wie ihr Verhältnis zur Labour Party aussehen soll – die Möglichkeit die Finanzmittel, die sie in deren Kassen fließen lassen, zu streichen inclusive. Sie müssen entscheiden, ob es nicht an der Zeit wäre, mit der Unterstützung jener Parteien zu beginnen, die die Kämpfe der Arbeiter voranbringen anstatt eine Labour Party zu subventionieren, die diese Arbeiter durch die Einführung von gewerkschaftsfeindlichen, unsozialen und – gegenüber den Einwanderern – rassistischen Gesetzen bekämpft.”


Bist Du der Ansicht, daß auf dem schlechten Ergebnis von Labour besonders Blairs Entscheidung lastet, den Irak anzugreifen ?


“Es ist offensichtlich, daß Blair unter seiner Vereinigung mit George W.Bush leidet. Man sagt, daß Blair Bush‘s Pudel ist. Wir sind sehr viele, die von der Unterstützung angewidert waren, die Blair einer rechten US-Administration gewährt hat.”


Ist Deiner Meinung nach der sogenannte Dritte Weg tot ?


“Der Dritte Weg hat niemals existiert. Die Gesellschaft war immer zweigeteilt. Es gibt diejenigen, die zahlen und diejenigen, die nehmen. Es gibt diejenigen, die arbeiten und diejenigen, die den produzierten Reichtum kontrollieren. Wir als SSP waren immer auf der Seite der Arbeiter und für ihre Rechte. Wir sind entschlossen die natürliche Partei der Arbeiter und all derjenigen zu werden, die an eine unabhängige sozialistische Republik glauben.”


Vorbemerkung und Übersetzung:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover