Antifa-AG der Uni Hannover:
Die Freiheitliche Partei Österreichs
entwickelte seit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Jörg Haider im Jahr 1986
zu einer der rechtspopulistischen Modellparteien in Europa und als eine von
ganz wenigen schaffte sie es sogar bis zur Regierungsbeteiligung unter
ÖVP-Kanzler Schüssel. Bei den Nationalratswahlen 1999 erreichte sie mit 26,9%
ihr Spitzenergebnis. Mittlerweile leidet sie jedoch an massivem Wählerschwund. Ein
Kleben an den Regierungssesseln, das der bundesdeutschen FDP alle Ehre machen
würde und diverse geplatzte Propagandablasen lassen sie von einer schweren
Wahlniederlage zur anderen taumeln. Anfang April 2005 zog Haider die Konsequenz
und gründete eigenmächtig und für die meisten überraschend eine neue Partei für
sich und die gefolgschaftstreuen FPÖ-Minister, -Abgeordneten und -Honoratioren –
das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ). Die Rest-FPÖ
blieb mit einem Haufen Schulden und nur noch einem Nationalratsabgeordneten
unter Führung von Strache und Mölzer
zurück, die den rabiat-rechtspopulistischen und rassistischen Kurs wiederbeleben
wollen. Ob die Masse der Mitglieder und verblibenen
Anhänger ihnen oder dem Führer Haider folgen werden, der nicht nur farblich von
Blau (und Braun) zum Orange gewechselt ist, sondern auch inhaltlich wieder in
Richtung „staatsmännisch-liberaler“ Positionen tendiert, ist noch unklar. Dennoch
ist es diese Entwicklung wert, von der Antifa-Bewegung
und der Linken näher untersucht zu werden. Als Beitrag dazu dokumentieren wir
im Folgenden die entsprechenden Thesen der (trotzkistischen) Sozialistischen
Linkspartei (SLP) Österreichs vom 16.3.2005,
die wir – was die Analyse anbelangt – weitgehend teilen.
FPÖ: Achtung – keine
Entwarnung
Seit dem Regierungseintritt
der FPÖ 2000 schlittert sie von einer Krise in die Nächste.
Skandale, ständiger Minister- und Vorsitzendenwechsel und Wahlniederlagen
prägen das Bild der FPÖ. Seit dem Spitzenwert von 26,9 % bei den
Nationalratswahlen 1999 scheint die FPÖ ihren Höhepunkt überschritten zu
haben. Aber Vorsicht ist angesagt: auch wenn sich die FPÖ zur
Zeit selbst zu zerfleischen droht ist die Gefahr einer
erfolgreichen rechtsextremen Partei nicht gebannt.
1. Die Probleme der FPÖ liegen nicht in „internen Querschüssen“ oder
„destruktiven Elementen“ (genauso wenig wie die Probleme der SPÖ auf
„mangelnde Kommunikation“ zurückzuführen ist). Ursache ist vielmehr ihre
Politik, die – im Gegensatz zu ihren Ankündigungen – voll zu Lasten von
ArbeitnehmerInnen, Jugendlichen und sozial Schwachen
geht.
2. Die jetzige Krise der FPÖ hat ihre Wurzeln im zentralen Charakteristikum
in der zentralen politischen Methode der Partei – im Populismus. In der
Auseinandersetzung mit der FPÖ ist diese in der Vergangenheit unterschiedlich
charakterisiert worden: manche haben sie zur „ArbeiterInnenpartei“
hochstilisiert, manche vor einer faschistischen FPÖ gewarnt. Richtig
ist, dass zu manchen Zeiten große Teile der ArbeiterInnenklasse
– die Mehrheit der ArbeiterInnen (im Gegensatz zu
Angestellten) – die FPÖ gewählt haben. Richtig ist auch, dass die FPÖ immer
auch in unterschiedlicher Ausprägung als Sammelbecken für (Alt-)Nazis,
neonazistische und faschistische Kräfte fungierte. Beides waren aber
nicht die prägenden Element der Politik. Wir haben die
FPÖ ab 1986 (Haiders Machtübernahme) schon damals als populistische
rechtsextreme Partei definiert. Der Aufstieg der FPÖ in den 80er und
90er Jahren war vor allem der populistischen Antwort der Haider-FPÖ auf die Privatisierungs- und
Sozialabbau-Politik der SPÖ/ÖVP-Regierung zu verdanken: Als
„kantige“ Opposition verband sie erfolgreich soziale Töne mit ihren rechtsextremen,
rassistischen und antigewerkschaftlichen Inhalten. Mit dem Eintreten
in die Regierung und der Umsetzung ihrer tatsächlichen Ziele (die im
Gegensatz zu der populistisch angepriesenen Politik für „den kleinen Mann“
steht) ist diese Grundlage für ihr populistisches Agieren weitgehend
weggefallen. Die Versuche beides – Regierungspolitik
und gleichzeitige populistische Kritik daran – gleichzeitig zu praktizieren,
hat die FPÖ vor allem unglaubwürdig gemacht und ist Ursache der
anhaltenden Krise.
3. Der jetzige Versuch, Ultrarechte wie Stadler oder Mölzer
aus der Partei zu bekommen, ist keine inhaltliche Abkehr von
rechtsextremer Ideologie. Unterschiedliche Zugänge gibt es zu
verschiedenen EU-Fragen (Türkei, Verfassung) – hier wird versucht,
eine einheitliche Linie durchzusetzen – aber es gibt nach wie vor
keine Berührungsängste nach rechts-außen.
4. Während man sich Stadler’s und Mölzer’s als „destruktive Elemente“ entledigen
möchte, ist der Umgang mit Strache vorsichtiger.
Dieser wird als „schlecht beraten“ dargestellt. Grund ist, dass er
eine wichtige Landesorganisation zumindest teilweise repräsentiert
und ein Bruch mit Strache die FPÖ in Wien
führungs- und orientierungslos in den Wahlkampf gehen lassen könnte.
Strache seinerseits hat sich noch nicht endgültig
entschieden, auf welche Seite er sich stellt – wissend, dass seine
Karrierechancen in einer ultra-rechten Abspaltung begrenzt wären.
5. Verstärkt wird die Krise der FPÖ durch die – ebenfalls aus der
populistischen Methode resultierende – personelle Schwäche. Der Höhenflug der
Partei unter populistischen Vorzeichen wurde auf organisatorischer Ebene zu
keinem Zeitpunkt nachvollzogen: Während zwischen 1986 und 1999 über 1
Million Wähler gewonnen wurden, kam es zu einem Mitgliederzuwachs von
lediglich 10.000 Personen. Dieses Strukturproblem wurde seit dem Regierungseintritt
fast täglich an der Spitze sichtbar: Die MinisterkandidatInnen
müssen oft aus der fünften oder sechsten Reihe bzw. von außerhalb
geholt werden – und haben nur kurze Haltbarkeit. Während in Knittelfeld
noch von einem „Aufstand der Basis“ die Rede war, ist in den aktuellen
Debatten die Partei“basis“ meist nicht einmal mehr
verbal existent. Regionale KandidatInnen
und Strukturen lösen sich teilweise auf. Mit dem Ergebnis, dass bei
Regionalwahlen die FPÖ nicht mehr überall mit KandidatInnen
/ Listen antreten kann.
6. Die weitere Zukunft der FPÖ ist offen – ob Neugründung, Abspaltung oder
weiter wie bisher. Baldige Neuwahlen werden trotz einer permanenten Instabilität
der Regierung von beiden Koalitionspartnern nicht gewünscht. Für die
Regierungsmannschaft der FPÖ wären Neuwahlen angesichts der Krise der
Partei alles andere als positiv. Und die ÖVP hat ein Koalitionspartner-Problem.
Obwohl die ÖVP bei vergangenen Wahlen die Hauptprofiteurin
der FPÖ-Krise war, zeigen u.a. die steirischen
Landtagswahlen auch Grenzen dieser Entwicklung auf. Zur Zeit
ist es
unwahrscheinlich, dass die
ÖVP aus Nationalratswahlen als stärkste Kraft hervorginge. Eine
neuerliche Koalition mit der FPÖ ist fraglich, Grünen und SPÖ
müssten Zugeständnisse gemacht werden. Für die ÖVP ist ein weiter “wurschteln“
mit der jetzigen Koalition die momentan beste Lösung.
7. Die FPÖ war in den 80er und 90er Jahren eine gefährliche, aggressiv
auftretende Partei, die gegen Frauen, ImmigrantInnen,
„Sozialschmarotzer“, Gewerkschaften etc. gewettert hat. Seither hat
keine wesentliche inhaltliche Änderung stattgefunden, die eine
Koalition mit einer solchen Kraft rechtfertigen könnte. Die Gefahr des
Rechtsextremismus ist aber mit der Krise der FPÖ keineswegs gebannt.
Die ÖVP selbst ist nach rechts gegangen, was sich auch in einer
gewissen Durchlässigkeit zwischen den Parteien zeigt. Nach dem de
facto Übertritt von Grasser gibt es nun Gerüchte, dass
auch FPÖ-Gorbach einen solchen Schritt
überlegt. Vor allem aber nehmen die sozialen Probleme, auf deren
Grundlage rechtsextreme Parteien auf Stimmenfang gehen können, zu.
Zwar haben Arbeitslosigkeit und Armut noch kein ostdeutsches Niveau
erlangt, sind aber trotzdem von erschreckendem Ausmaß. Solange es keine
Kraft auf der Linken gibt, die sozialistische Antworten auf diese
Probleme gibt,
werden immer und immer wieder rechte und rechtsextreme Kräfte dieses
Vakuum füllen können. Ob als FPÖ, FPÖ-Neu oder unter
einem anderen Namen, ob mit oder ohne Haider ist dabei zweitrangig.
Auch eine Wiederkehr von Haider ist nicht ausgeschlossen (siehe Le
Pen in Frankreich, der schon als „geschlagen“ galt und dann wieder
Wahlerfolge feiern konnte).
8. Eine neue Qualität wäre eine ultra-rechte Abspaltung um Stadler, Mölzer etc. deren Potential Mölzer
mit seiner EU-Vorzugstimmenkampagne ausgetestet hat. Diese könnte
Sammelbecken für diverse faschistische und ultra-rechte Kräfte in
Österreich werden (AFP, BFJ....) und versuchen nach dem Vorbild der
NPD in Deutschland eine revisionistische (d.h. die Verbrechen des Nationalsozialismus
verharmlosende), rassistische und teilweise militant auftretende
(die NPD verfolgt das Konzept der „national befreiten Zonen“ – Stadtviertel,
aus denen ImmigrantInnen, Linke, GewerkschafterInnen
hinausgedrängt werden) Organisation aufzubauen. So gefährlich die FPÖ auch
heute ist, eine solche neue Organisation würde eine zusätzliche – auch
physische – Bedrohung darstellen (wenn sie auch noch nicht dasselbe Potential
hätte wie die NPD in Deutschland).
9. Die SPÖ ist nicht in der Lage, dieses Vakuum zu füllen. Die Wahlerfolge
der letzten Jahre stellen keinen Linksruck und keine Wiederbelebung der SPÖ
dar, sondern die Wahl des „kleineren Übels“. Die Erfolge der KPÖ in der
Steiermark zeigen – trotz ihrer inhaltlichen und regionalen Beschränkung –
das Potential für eine linke Alternative auf.
10. Bei den kommenden Gemeinderatswahlen in Wien ist von
der FPÖ eine
ausländerInnenfeindliche Kampagne zu erwarten. Die momentane Strache-Kampagne ist dafür nur ein Vorgeschmack. Die SPÖ
ist – nicht zuletzt aufgrund von Sozialabbau und selbstherrlichem
Agieren der Rathausbürokratie – dazu keine linke Alternative.
11. Die SLP hat es sich zum Ziel gesetzt, das bei den
kommenden Wiener
Gemeinderatswahlen eine
sozialistische Alternative auf dem Stimmzettel stehen wird. Und das
es eine offensive Kampagne gegen Privatisierungen, Sozialabbau und
Rassismus gibt, um auch dauerhaft eine sozialistische Kraft aufzubauen,
die dem Rechtsextremismus das Wasser abgräbt.
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Sonja Grusch,
Sozialistische LinksPartei – SLP
Österreichische Sektion des Komitees
für eine Arbeiterinternationale (CWI)