Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Seit die größte italienische Gewerkschaftszentrale – CGIL – Ende 2001 eine begrenzte Wendung nach links vollzog und damit die Kluft zu den kleineren und rechteren Zentralen CISL und UIL deutlich vertiefte, formiert sich innerhalb der CGIL der rechte Flügel. Angeführt vom ehemaligen Sekretär der CGIL Mailand, Antonio Panzeri, fordert er die umgehende und uneingeschränkte Rückkehr zur Einheit mit CISL und UIL auf der Grundlage von deren Positionen, d.h. Mittragen von Flexibilisierung, Deregulierung, Lohnzurückhaltung und einer Sozialpartnerschaft, an der die Regierung Berlusconi in zentralen Fragen (wie den Renten) derzeit erkennbar kein Interesse hat. Parteipolitisch strebt die CGIL-Rechte einen erneuten Schulterschluss mit der (in der sog. „Neuen Mitte“ angesiedelten) Führung der Linksdemokraten (DS) an, während die CGIL-Führung dem linken DS-Flügel nahe steht. Beim CGIL-Kongress im Februar 2002 konnte sie von der damaligen Vorstandsmehrheit unter Sergio Cofferati noch mühsam eingebunden werden. Ab dem Spätsommer 2003 tritt die CGIL-Rechte allerdings ganz offen auf. Damals nahmen 600 Leute an ihrer ersten landesweiten Konferenz teil und Mitte Februar 2004 waren es bei der Nachfolgeveranstaltung schon rund 1.000 – obwohl sich die neue CGIL-Führung unter Guglielmo Epifani erkennbar in ihre Richtung bewegt. Offenbar tut sie das aber zu langsam und zu zögerlich.
Die linke italienische Tageszeitung „il manifesto“ lieferte am 20.2.2004 die folgende Momentaufnahme der Nostalgiker der Konzertierten Aktion:
Modernismus:
Die CGIL-„Reformer“: Einheit mit CISL und UIL ?
Die kommt vor den Kämpfen
Gipfeltreffen der CGIL-Rechten. Tageslosung: Sozialpartnerschaft und null Konflikte. Für eine große Melasse, die auf den triciclo
<Dreirad = Symbol des aktuellen Bündnisses für eine „linke“ Neue Mitte> schaut.
Die Kirmes: „Es ist an der Zeit eine einheitliche Plattform zu schaffen.“ Das Leitmotiv des Treffens: Die CGIL darauf vorbereiten, mit Prodi anzustoßen.
Carla Casalini
Sie hatten versprochen 1.000 Delegierte aus ganz Italien zusammenzubringen, die „Reformer“ der CGIL. Und gestern war das Eliseo-Theater wirklich gefüllt. In der ersten Reihe die ehemaligen Sekretäre Bruno Trentin und Antonio Pizzinato. Das Profil der Teilnehmer zeigte den mittleren Gewerkschaftskader, aus ganz Italien ja, aber die Komponente der lombardischen CGIL war sehr stark vertreten, wie es sich versteht, da der erste Embryo der „Reformer“ hier entstand und Antonio Panzeri, der heute für Europa zuständige Sekretär, der das einleitende Referat hielt, von hier stammt. Es war ein langes Referat mit allen Topoi (Begriffen), die der Gewerkschaft lieb und teuer sind: „Autonomie“, „Vorschlag“, „Projekt“. „Demokratie“ und den Kontexen „Territorium“ und „Europa“ für die sozialen und institutionellen Veränderungen der Arbeit. Im Meer der Worte ist der wichtigste Schlüssel, um deren Sinn zu erschließen, der Titel der gestrigen Versammlung: „Es ist an der Zeit eine gemeinsame / einheitliche Plattform zu schaffen !“ Das war das wahre Leitmotiv des Referates und der Reden von Agostino Megale, Aldo Amoretti und anderen Beteiligten. Das aktuellste Stichwort ist das Geschehen in Sachen Renten und die Unzufriedenheit über die Aussicht auf einen „Kampf“ gegen den Vorschlag der Regierung, der auf der letzten Sitzung der <erweiterten> CGIL-Leitung beschlossen wurde, ist explizit.
Die angestrebte Gewerkschaftseinheit genießt allerdings in vielen Diskussionsbeiträgen Vorrang vor der Sache. Es wäre daher zu fragen, ob die CGIL, den „Reformern“ zufolge, seinerzeit <d.h. im Mai 2002> nicht auch mit Berlusconi zusammen den Pakt für Italien hätte unterzeichnen müssen, obwohl doch heute selbst CISL und UIL beklagen, dass dieser nicht zu den von ihnen erhofften Ergebnissen geführt hat, womit sie der CGIL in der „Sache“ Recht geben.
Panzeris Referat hingegen beurteilt Gegenwart und Vergangenheit der CGIL anders und kritisiert die „zwei Wege“, die die Gewerkschaft versucht sein kann zu beschreiten: den „korporativen“, der versucht, „die Konflikte aufblühen zu lassen“ (wofür, wie es scheint, das Verhalten der FIOM und ähnliche Aktionen als Beleg genommen werden) und den anderen, der sich in einer „politikasterhaften Vision“ auflöst, die <durchaus> „auch momentane Erfolge erzielen kann“ (hier geht der Eindruck in Richtung der CGIL am Ende der Amtszeit von Cofferati als Generalsekretär), aber „die Vertretungsfunktion“ der Gewerkschaft bis hin zu einer „unlösbaren Krise im Verhältnis zu den Werktätigen entstellt“.
Im Saal verflechten sich die Kommentare, da auch viele „Beobachter“ aus der CGIL-Linken und den Branchengewerkschaften gekommen sind. Das Treffen mit der Regierung zum Thema Renten droht und Panzeri erklärt den Journalisten, dass er sich bei jener Sitzung der CGIL-Leitung enthalten und „eine neue Dimension“ gefordert hat, „bevor ein Streik beschlossen wird“ sowie alle Anstrengungen für „ein einheitliches Handeln“ <zusammen mit CISL und UIL> zu unternehmen. Eine Auffassung, der man zustimmen könnte, wenn im Schlußantrag nicht bereits das „einheitliche“ Vorgehen enthalten wäre und damit auch hier die andere Bedeutung deutlich wird, die die „Einheit“ für die „Reformer“ hat.
Was die letzte Tagung der Leitung anbelangt, würdigt Panzeri die <dort beschlossene> „neue Einkommenspolitik“, bekräftigt – neben der Tarifpolitik – auch den Wert der Sozialpartnerschaft und hebt hervor, dass die Rechtsregierung nicht heute sterben wird und man deshalb „nicht bloß erklären kann, dass man mit der nicht verhandelt“ <wie es der amtierende CGIL-Chef Epifani jüngst mehrmals getan hat>.
In dem langen Referat scheint auch die Hoffnung auf eine andere Confindustria <= der wichtigste italienische Kapitalistenverband> durch, mit der man einen neuen sozialen Pakt schließen könnte, wenn diese ersteinmal ihren Führer gewechselt hat. Doch wie könnte es dazu kommen, wenn nicht auf der Grundlage dessen, was man bereits in puncto Arbeit und auf sozialem Gebiet an Mist produziert hat ?
Nicht zufällig insistiert Panzeri auf der Einkommenspolitik, um das „zu verteilen“, was man – wie er sagt – heute nicht für eine Erhöhung der Löhne verlangen kann, weil man – um etwas für die Löhne zu tun – „zuerst einmal auf Wachstum und Entwicklung abzielen muss“. Und dabei müsse die Gewerkschaft mithelfen. Wir fragen ihn, ob ihm das nicht ganz ähnlich vorkommt wie die fehlende Alternative, vor die die Gewerkschaft vor ungefähr einem Jahrhundert gestellt wurde: dass, wenn es Entwicklung gibt, man nicht zuviel Lohn verlangen kann, um „den fahrenden Zug“ nicht zu stoppen und dann wenn es keine Entwicklung gibt, man nicht einmal darüber reden darf. Aber er verzieht keine Miene.
Die gestrige Versammlung hatte den Anspruch, dass ihr Beitrag ein freier Beitrag zur Diskussion in der CGIL ist und sie verpflichtet sich, in der gesamten CGIL für diese Ideen einzutreten und damit ihrem „Pluralismus“ Ehre zu machen. Panzeri sagt mit Recht, dass dies Teil der seit jeder existierenden „Dialektik“ sei und antwortet dann auf die Fragen der Journalisten, dass das Ziel nicht die Bildung einer neuen Parteienströmung sei. Der große Beifall, der <Linksdemokraten (DS)-Generalsekretär> Piero Fassino zuteil wird (ist er gekommen, um sie einzuweihen ?), scheint dem zu widersprechen.
Auch andere Vertreter der DS, der Margerite <= Zusammenschluss der liberalen und christdemokratischen Teile des mitte-linken Olivenbaum-Bündnisses> und der SDI (Italienische Demokratische Sozialisten) sind zu der Versammlung erschienen. Und das alles bietet einen weiteren Schlüssel zum Verständnis, da es diese Veranstaltung im Eliseo-Kongresszentrum in eine Panoramaaufnahme einfließen lässt. Die im Saal anwesenden Politiker des triciclo (Dreirad), die von der Tribüne der CGIL-„Reformer“ aus verbreiteten Positionen, angefangen bei der Einheit mit CISL und UIL um jeden Preis, suggeriert – vor allem nachdem selbst <CISL-Chef> Pezzotta ein bisschen mehr in die Opposition gegangen ist – dass Romano Prodi <als wahrscheinlich künftiger Spitzenkandidat des triciclo> sicherlich auf zwei (vielleicht auf drei) Gewerkschaften zählen kann.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover