Antifa-AG der Uni Hannover:


Am 10.Juni 2003 versuchte das Sharon-Regime den Hamas-Sprecher Abdel Aziz Rantisi in Gaza nach gewohnter Manier mit Hilfe eines gezielten Raketenangriffs von Kampfhubschraubern aus in seinem Auto auf einer belebten Straße zu liquidieren. Dabei wurden drei Menschen getötet (u.a. ein 7jähriges Mädchen) und diverse andere verletzt. Rantisi überlebte den Anschlag leicht verletzt. Am selben Tag veröffentlichte die unabhängige linke italienische Tageszeitung “il manifesto” ein Interview mit Rantisi, das sie am Tag vor dem Mordversuch mit ihm geführt hatte und in dem er zu den Verhandlungen zwischen Hamas und dem von den USA ins Amt gehievten neuen palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas (alias Abu Mazen) Stellung bezieht. Da über die “fanatisierten Judenhasser”, “Gotteskrieger”, “Moslemfaschisten” etc. der Hamas zwar viel geredet wird, aber real wenig bekannt ist, halten wir es für anbracht, einen kleinen Beitrag zur Vergrößerung des Wissens über diese – unserer Einschätzung nach kleinbürgerlich-antiimperialistische und teilweise linkspopulistische – “Islamische Widerstandsbewegung (Hamas) zu leisten und mal zu hören, was der Abdel Aziz Rantisi zu sagen hat, den Sharon & Co. so gern tot sehen würden.


“il manifesto” 10.6.2003:



Hamas:


“Abu Mazen muß Aqaba neu verhandeln”


Es spricht Rantisi, die Nummer 2 der Organisation. “Wir werden auf keinen Zentimeter von Palästina verzichten.”

Der Hamas-Führer ist kategorisch: “Der Verzicht auf die Waffen hängt nicht von uns, sondern von Israel ab, das unser Land verlassen muß.”


Michele Giorgio – Jerusalem


Gestern nachmittag haben die in Jerusalem versammelten Spitzenvertreter von Hamas den am Freitag gefällten Beschluß bestätigt, den Dialog mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Abu Mazen über einen möglichen Waffenstillstand mit Israel einzufrieren. Der gestern vormittag, während der Pressekonferenz im Ramallah vom Ministerpräsidenten angeschlagene versöhnliche Ton, mit dem er versuchte den Riß zu den Oppositionskräften zu flicken, der nach seiner Aqaba-Rede über das Ende der bewaffneten Intifada eingetreten ist, hat es nicht vermocht, Hamas davon zu überzeugen, daß es sein Gewicht und seine Stärke vor allem im Gaza-Streifen, wo sie in den letzten Tagen in der Lage war, viele tausend Menschen gegen den “Road Map”-Plan und die Politik der palästinensischen Regierung zu mobilisieren, einbringen soll. Zu diesen Themen haben wir gestern Abdel Aziz Rantisi (die Nr.2 der Hamas und Unterstützer der “harten Linie”, die innerhalb der islamischen Bewegung gegenüber der, dem Anschein nach weicheren, von den Hamas-Führern im Exil und von der Gefängnisfront vertretenen Linie in der Mehrheit ist) interviewt.


Abu Mazen hat viele Male erklärt, daß die Linie seiner Regierung die des Dialoges und nicht die des Einsatzes der Gewalt gegen die Oppositionskräfte sei. Im Grunde hattet ihr genau das nach der Aqaba-Rede erwartet. Einer Rede, die den Beginn einer Repressionskampagne der Autonomiebehörde ANP erahnen ließ. Trotzdem hat Hamas die am Freitag angekündigte Unterbrechung des Dialoges mit Abu Mazen bekräftigt. Was fordert Ihr noch vom Ministerpräsidenten ?


“Das, was wir heute registriert haben, sind neue Entwicklungen, die die Führung von Hamas aufmerksam zu studieren beabsichtigt. Gleichzeitig sind diese Entwicklungen nicht ausreichend, um unsere Entscheidung zu modifizieren. Der Dialog bleibt solange unterbrochen wie Abu Mazen nicht all jene für unser Volk zentralen Themen klärt. Als wir uns mit Abu Mazen getroffen haben, hat er uns andere Dinge erzählt als wir sie dann in Aqaba gehört haben. Daher wollen wir in vielen Punkten Erläuterungen. Danach werden wir über unsere Position gegenüber der Politik der ANP entscheiden.”


Unterdessen habt Ihr erneut die bewaffneten Operationen gegen israelische Ziele intensiviert, allerdings zusammen mit anderen palästinensischen Organisationen. Ist diese operative Allianz auf dem Gebiet eine Konsequenz des Ergebnisses von Aqaba, gegen das Ihr protestiert habt ?


“Diese militärischen Aktionen gegen die Besatzer werden niemals im Laufe einiger Tage beschlossen und verwirklicht. Sie werden vielmehr über Wochen und manchmal über Monate hinweg geplant. Ich glaube deshalb nicht, daß sie mit dem in Verbindung stehen, was auf dem Gipfeltreffen von Aqaba gesagt und beschlossen wurde. In jedem Fall sind es immer die militärischen Strukturen unserer und anderer (palästinensischer) Organisationen, die das entscheiden und die politischen Apparate bleiben bis zum Augenblick ihrer Durchführung darüber im Dunkeln. Das, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, daß diese letzten Aktionen bestätigen, daß der palästinensische Widerstand, dessen Stärke auf die Unterstützung unseres Volkes zurückzuführen ist, keinerlei Absicht hat, auf den Kampf zur Befreiung unseres von den Zionisten (Israel) besetzten Landes zu verzichten. Man kann verschiedene Betrachtungen über den bewaffneten Kampf anstellen, aber eine Sache ist sicher: Die Kämpfer der Intifada werden sich nicht fügen. Sie sind im selben Schützengraben und werden auch nicht auf einen Zentimeter palästinensischen Bodens verzichten.”


Und doch haben Hamas und andere Organisationen der Opposition wochenlang mit Abu Mazen gerade über die Möglichkeit einer hudna (eines Waffenstillstandes) mit Israel verhandelt. Ihr schließt also nicht aus, auf die Waffen verzichten zu können, auch wenn Ihr die Unterbrechung der Verhandlungen mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten angekündigt habt ?


“Der Verzicht auf die Waffen hängt nicht von uns ab, sondern vom israelischen Besatzer, der – sofort – unser Land verlassen und die Aggression gegen unsere Zivilisten beenden muß. Und das ist es, worüber wir mit Abu Mazen diskutiert haben. Auf dem Gipfel von Aqaba hat der Ministerpräsident jedoch Sachen gesagt, die wir nicht erwartet haben. Das zentrale Problem für uns und für die anderen Palästinenser bleibt das Ende der ausländischen Besatzung und Abu Mazen hat im Gegensatz dazu die Entwaffnung der Intifada an die erste Stelle gestellt. Wenn das seine Absicht ist, dann hat es keinen Sinn weiter mit ihm zu reden. Wir sind bereit ihn wiederzusehen, allerdings unter einer Bedingung: Er muß von dem Abstand nehmen, was er in Aqaba erklärt hat.”


In den besetzten Gebieten beginnt man jedoch den Bürgerkrieg zu fürchten. Was wird Eure Reaktion sein, wenn Abu Mazen und der Minister für Innere Sicherheit, Mohammed Dahlan, eine Repressionskampagne gegen die palästinensische Opposition und insbesondere gegen Hamas einleiten ? Ist der Bürgerkrieg eine konkrete Möglichkeit ?


“Ich kann nur sagen, daß Hamas jede Aktion der Palästinensischen Nationalen Autorität (ANP) gegen den legitimen Widerstand gegen die israelische Besatzung kategorisch zurückweist. Ich will bei dieser Gelegenheit keine Andeutung darüber machen, in welchen Formen sich die Reaktion von Hamas manifestieren wird, aber in einem Punkt kann ich deutlich sein: Wir werden dem nicht tatenlos zuschauen.”


Vorbemerkung und Übersetzung aus dem Italienischen:

Antifa-AG der Uni Hannover