Gewerkschaftsforum Hannover:
Romano Prodis außenpolitische
Bauchlandung im italienischen Senat, wo die Bekräftigung des Kriegseinsatzes in
Afghanistan, das Beschwören der Waffenbrüderschaft mit den USA und der Ausbau
der US-Militärbasis in Vicenza nach der dortigen
Großdemonstration am 17.2.2007 (mit real ca. 10.000 Teilnehmern) nicht die
angestrebte absolute Mehrheit der Stimmen erhielt, führte am 21.Februar 2007
bekanntlich zum Rücktritt des christdemokratischen Ministerpräsidenten und
damit auch seiner Mitte-Links-Regierung. Doch… der alte ist auch der neue
Regierungschef Italiens. Von Staatspräsident Giogrio Napoletano (Linksdemokraten – DS) mangels Alternative im
Amt bestätigt, nutzte Prodi nun die Gunst der Stunde
zur Disziplinierung der sog. „radikalen Linken“, die Mitglied seiner
Regierung ist (d.h. Rifondazione Comunista,
PdCI und die italienischen Grünen). Womit er seinem
innerlinken Spitznamen „Mortadella mortale“ (die tödliche Mortadella)
alle Ehre macht.
Dementsprechend jubelt denn auch die ARD-Tagesschau (www.tagesschau.de) am 23.2.2007 auf
ihrer Website: „Prodi nimmt Partner an die kurze
Leine (…) Romano Prodi hat die Peitsche in die Hand
genommen und alle Bündnispartner haben pariert. Ohne Ausnahme unterzeichneten
die Führer der neun Koalitionsparteien die von Prodi
formulierten Bedingungen. (…) Vor allem die Parteien der radikalen
Linken, deren Senatoren den Sturz Prodis provoziert
hatten, müssen für sie unangenehme Entscheidungen akzeptieren. In dem
12-Punkte-Plan steht ein klares Ja zur von den Kommunisten bislang kritisierten
Afghanistan-Mission und zum Bau einer ökologisch umstrittenen
Hochgeschwindigkeits-Bahntrasse. Nach kurzer Diskussion, so berichteten es
italienische Zeitungen, hätten die radikalen Linken dem Druck Prodis nachgegeben und das Diktat des gestürzten
Ministerpräsidenten akzeptiert. (…) Der bemerkenswerteste Punkt in dem
von den Mitte-Links-Parteien abgenickten Papier: Nach
deutschem Vorbild bekommt der Ministerpräsident erstmals in einer italienischen
Regierung die Richtlinienkompetenz. Wenn Minister sich streiten oder zwei
Parteien innerhalb der Koalition unterschiedlicher Meinung sind, entscheidet
künftig allein der Regieurngschef. Dieses Prinzip
gibt Prodi deutlich mehr Macht.“
Auf die bemerkenswerten Vorgänge, die für Rifondazione
Comunista (PRC) & Co. ein Armutszeugnis und einen
Kniefall erster Klasse bedeuten, reagierte die linksradikale Basisgewerkschaft Confederazione COBAS (www.cobas.it), die insbesondere unter den
Lehrern und im Gesundheitswesen verankert ist, mit zwei Stellungnahmen vom 22.
und 25.2.2007, die dem oppositionell-kommunistischen Internetportal „Il
Pane e le Rose“ (www.pane-rose.it)
aus Padua entnommen sind.
Die Regierung zerschellt an Vicenza, den
Militärbasen und dem Krieg
Die Regierung Prodi ist an dem zerschellt, was für eine Regierung seit
jeher die gefährlichste Klippe ist: dem KRIEG. Das heißt dem Hindernis, das
historisch eine Unzahl an Brüchen und Zusammenbrüchen in den mit der
Arbeiterbewegung verbundenen Internationalen, Parteien und Gewerkschaften
hervorgerufen hat. Von Anfang an zeichnetet sich die Regierung Prodi, in Verachtung der Anti-Kriegs-Bewegung – die so viel
zum Sieg der Mitte-Linken beigetragen hatte – sowie der Mehrheit der
Italiener(innen), die den Krieg ablehnen, durch eine masochistische Kriegstreiberei
aus:
-
Verherrlichung
der militärischen Rolle Italiens (das Prahlen mit einer Armee, die „was die
Auslandseinsätze anbelangt, die sechste der Welt ist“),
-
Verteidigung des
„einigenden“ Wertes der Parade am 2.Juni,
-
Rückzug aus dem
Irak (der bereits zwischen Bush und Berlusconi vereinbart war), allerdings nur
im Austausch für
-
ein stärkeres
Engagement im Libanon (initiiert zur Stärkung der Interessen des italienischen
Kapitalismus im gesamten Mittleren Osten),
-
Ausbau der NATO-Basen
(mit Vicenza an erster Stelle) sowie
-
die beachtliche
Erhöhung der Militärausgaben.
Nicht einmal die
außerordentliche Demonstration in Vicenza war ihr
eine Lehre. Im Gegenteil, mit extremer Arroganz hat Prodi
den Volkswillen getilgt und behauptet: „Es wird keine Demonstration geben,
die etwas an den Regierungsprogrammen ändert!“ Erst gestern bestätigte die
jüngste Umfrage, dass mehr als 55% der Italiener den sofortigen Abzug aus
Afghanistan wollen (nur 32% sind dafür, zu bleiben). <Der Linksdemokrat und
Außenminister> D’Alema
hat diesen Willen heute jedoch ignoriert und sein „Alle nach Kabul !“ bekräftigt.
Die Lynchstimmung, die die Nomenklatura jetzt gegenüber den beiden Senatoren
verbreitet, die sich kohärenterweise weigerten für eine Kriegspolitik zu
stimmen – d.h. Rossi und Turigliatto – ist eine
Schande. Die beiden Senatoren, denen unsere volle Solidarität gilt, haben den
Volkswillen der Bewohner von Vicenza, die die neue
US-Basis ablehnen, und der Mehrheit der Italiener, die gegen jeden Krieg sind,
in getreuer Weise repräsentiert. Es ist die Regierung, die das an den Wahlurnen
erhaltene Mandat sowie historische Prinzipien verraten hat, auf die sich bis
gestern ein Gutteil ihrer Parteien bezog.
Wir haben niemals „befreundete
Regierungen“ gehabt. Deshalb feiern wir einen eventuellen Sturz Prodis oder eine Auswechselung von Ministern und
Staatssekretären, die nur die Konkurrenz um die Macht trennt, nicht noch werden
wir darüber in Tränen ausbrechen. Es erscheint uns allerdings positiv, dass die
kriegstreiberische Politik durch die machtvolle Anti-Kriegs-Bewegung in Vicenza und in Italien in die Krise gestürzt wurde. Das
sollte allen eine Lehre sein, die in den kommenden Wochen
Regierungsentscheidungen treffen müssen:
Raus aus
Afghanistan und weg von allen Kriegsfronten!
Schließung
aller NATO- und US-Basen!
Nein zu
den Militärausgaben!
Confederazione COBAS
Quelle: cobas@cobas.it
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Zur (vorübergehenden) Lösung der Regierungskrise in Italien
veröffentlichte „Il Pane e le Rose“ (www.pane-rose.it) am 25.2.2007
die folgende Stellungnahme der Confederazione COBAS.
Prodis 12 Punkte: Ein
Berlusconi-Programm, um Berlusconi zu verhindern
Nachdem er am Krieg
zerschellte und die Bewegung mit der Bestätigung der Kriegsmissionen, dem
Ausbau der Basen und der Erhöhung der Militärausgaben offen herausgefordert
hat, präsentiert Prodi seine Regierung erneut und
schnappt sich dabei auch die anderen vorhandenen Bewegungen. Das heißt er lässt
sie – alles zusammen in 12 Punkten – das schlucken, was bereits sein Programm
war: Volle Gefolgschaftstreue zu NATO und USA mitsamt der Bestätigung von
Afghanistan und der Basis in Vicenza, um den Bruch
mit der Anti-Kriegs-Bewegung bis zum Äußersten zu treiben;
Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke für Val di Susa <Piemont>,
um sich frontal mit den Gegnern des TAV anzulegen; Anlagen zur Rückverwandlung
von verflüssigtem Erdgas nach Wunsch, um so gegen die Umweltschutzbewegungen
anzurennen; Aufgabe der sehr moderaten Gleichstellung eheähnlicher
Lebensgemeinschaften (DICO) <= Rechte und Pflichten der Zusammenlebenden> von hetero- und homosexuellen Partnerschaften (PACS)
in Konfrontation mit der Anti-Vatikan und Pro-PACS-Bewegung.
Und auf der sozialen Ebene: Privatisierungen entsprechend dem Lanzilotta-Gesetzentwurf und weitere Rentenkürzungen, um
die Werktätigen endgültig anzuekeln.
Und als kleine
Zyanid-Kirsche auf einer Arsentorte verlangt Prodi
für sich Machtbefugnisse wie für einen Monarchen, die nicht einmal Berlusconi
jemals beansprucht hat: Im Falle einer Meinungsverschiedenheit in der Regierung
entscheidet er. Kurz gesagt, um die befürchtete Rückkehr des Kavaliers <Silvio Berlusconi> zu verhindern, legt man ein organisches
Berlusconi-Programm auf. <Der
Generalsekretär der Partei der Italienischen Kommunisten (PdCI)> Diliberto spricht von
einem „großen Ergebnis“. Der PRC schließt seinen einzigen kohärent
pazifistischen Senator (Franco Turigliatto), der sich
darauf beschränkt hatte, nicht noch einmal für eine Kriegspolitik zu stimmen
und dem unsere volle Solidarität gilt, mit einer Geste aus der Partei aus, die
in der republikanischen Geschichte ohne Gleichen ist.
Prodi-2 ähnelt einem Hochspringer,
der – da es ihm nicht gelingt die Latte bei zwei Meter zu überspringen –
fordert, dass sie auf zwei Meter fünfzig gelegt wird. Es ist jetzt an den
Bewegungen gemeinsam zu dem Neo-Berlusconi-Programm
von Prodi-2 NEIN zu sagen; und insbesondere am „Anti-Kriegs-Volk“ die
nationale Mobilisierung am 17. März in Rom für den sofortigen Abzug aus
Afghanistan und von den anderen Kriegsschauplätzen so gut wie möglich
vorzubereiten, für das NEIN zu <der erweiterten US-Basis in der Provinz Vicenza> Dal Molin und zu den
Militärausgaben, für die Schließung der NATO- und US-Basen!
Confederazione COBAS
Quelle: cobas@cobas.it
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Gewerkschaftsforum Hannover