Gewerkschaftsforum Hannover:
Dass es sich bei der Tagung der 100
Mitglieder umfassenden Nationalen Leitung der größten italienischen
Gewerkschaftszentrale CGIL (früher dem PCI, heute den daraus hervorgegangenen
Linksdemokraten – DS – nahe stehend) Ende November nicht um eine x-beliebige,
turnusmäßige Vorstandssitzung handelte, dokumentiert auch die Tatsache, dass
die unabhängige linke Tageszeitung „il manifesto“
ihr nach dem Leitartikel vom Vortag am 24.11.2006 noch einen
weiteren Kommentar widmete, der in seiner Analyse nicht nur schärfer, sondern
auch tiefgehender ist. Verfasst diesmal von Carla Casalini.
Kommentar:
Prodi und die Schwächen der CGIL
Carla
Casalini
Man muss
sich nicht (wie es die Medien getan haben) in Interpretationen stürzen und die
Auseinandersetzung zwischen verschiedenen führenden Funktionären der CGIL
heraufbeschwören, um das Verhältnis der Gewerkschaft zur „befreundeten
Regierung“ zu beleuchten. Es genügt eine viel sagende Passage des von der
Mehrheit auf der letzten, stürmischen Vorstandssitzung verabschiedeten
Dokumentes zu lesen, wo die Frage schwarz auf weiß behandelt wird. Wir wissen
nicht, ob die Eindeutigkeit dieser Zeilen in irgendeiner Weise schamhaft
abgeschwächt wird (man sagt uns, dass es sich mehr um einen kurzfristig dem
Text hinzugefügten Zusatz handele), aber es ist die Mühe wert direkt den
Originaltext des Dokumentes zu lesen (der wahrscheinlich auch der endgültige
ist). Dort wo sich die CGIL zur „Kohärenz, zur Beachtung des spezifischen
Kerns der Probleme, der Autonomie“ bekennt – als „Kriterien, die unseren
Orientierungen zu Grunde liegen“. Diesen Werten wird allerdings sofort eine
Grenze gesetzt, indem der Rahmen abgesteckt wird, in dem sie gesehen und
umgesetzt werden sollen. Das alles – mahnt nämlich der Text des
CGIL-Sekretariats – muss „in eine allgemeine politische Bewertung des gegebenen
Kontextes“ eingefügt werden, „der uns heute, infolge einer Veränderung
des aktuellen politischen Rahmens, zur bewussten Übernahme von Verantwortung
für die negativen Konsequenzen veranlasst, die die Personen erleiden würden,
die wir vertreten“.
Wir erinnern
uns nicht daran, dass es vonseiten der CGIL eine solche präventive
Bereitschaftserklärung einer Regierung gegenüber schon einmal gegeben hätte. In
der Tat einer präventiven (und das ist das Entscheidende!) Erklärung für die
sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen, die im Januar mit der Confindustria und mit der Exekutive über Renten, Arbeit,
Arbeitszeit und Tarifverträge beginnen werden. Um das aber zu erklären reicht
die „Neuheit“ der Mitte-Links-Regierung nicht aus. Und auch nicht der
lange Schockzustand während der Ära des Kavaliers. „Wenn Berlusconi wieder
gewinnt, können wir dicht machen“, meinte mehr als ein führender
Gewerkschaftsfunktionär am Vorabend der letzten Wahlen. Allenfalls sind jener
Schockzustand und die heutige Position beide ein Spiegelbild viel älterer
Probleme, die allesamt innerhalb der CGIL zu suchen sind und ganz generell in
der italienischen Gewerkschaft, egal um welche Organisation oder Tendenz es
sich handelt. Sie alle stehen vor Prozessen der „globalen Phase“ des
Kapitalismus, mit denen sie nicht fertig werden. Die defensive Abschottung der
Gewerkschaft, der CGIL, in Bezug auf Demonstrationen und Empörungen in der
Gesellschaft, die sie nicht kontrolliert, ist nichts Neues. Es muss daran
erinnert werden, dass sich die CGIL zur Zeit des Gegengipfels zum G8-Treffen in
Genua 2001 (in der Berlusconi-Epoche also) den Demonstrationen der Bewegungen
nicht anschloss und der damalige Generalsekretär Cofferati
zu der gegenläufigen Entscheidung der FIOM und vieler Untergliederungen der
CGIL verkündete: Sicher, das sei „eine legitime Entscheidung“. Er
brandmarkte sie jedoch als „nicht effizient“, weil „an jenem Tag sehr
viele verschiedene Meinungen auf der Straße sein werden…“. Nicht schlecht
als Fähigkeit zur Auseinandersetzung.
Heute
verwundert allenfalls die Rückentwicklung, die einen Mann wie Epifani dazu veranlasst hat, Disziplinarmaßnahmen gegen den
internen Dissens ins Spiel zu bringen (aber auch hier darf die Vorarbeit, die Cofferati mit der Amtsenthebung des lombardischen
CGIL-Sekretärs Agostinelli geleistet hat, nicht
vergessen werden). Und auch nicht die Versuchung / das Bestreben der
Gewerkschaft sich vor dem Niedergang zu retten, indem die sich aus der
bisweilen durchaus auch sehr schwierigen Beziehung zu den „Werktätigen“
(lavoratori) zurückzieht, um den Versuch zu
unternehmen, sich von der Regierung und der unternehmerischen Gegenseite in
einer zentralisierten „Konzertierten Aktion“ als Institution
legitimieren zu lassen. Die Zeit ähnlicher Abkommen (1992 / 93) ist in Wahrheit
nie durch eine rigorose theoretische und praktische Analyse überwunden worden.
Die große Zeit der Mobilisierungen der CGIL gegen Berlusconi implizierte – so
grundlegend sie auch war – niemals irgendeine Reflektion bzw. „Revision“,
wie man mit der Realität umgehen sollte. Das heute Neue besteht darin, dass all
dies unter einem doppelten Druck in die Enge führt. Einerseits aufgrund des
Problems, jawohl, die „befreundete“ Regierung zu unterstützen und
andererseits aufgrund der Belege für den Aufbau der Demokratischen Partei
vonseiten der „Reformer“ innerhalb der Regierungsmehrheit. Eine Partei,
für die die Gründungsphase zur Herausforderung der Durchsetzung dessen wird,
was sie „Reformen“ nennt (Arbeitsmarktreform, Rentenreform, Reform der
sozialen Regeln). In einem großen, zentralisierten Abkommen, dass in der Lage
ist Bosse (padroni) und Gewerkschaften mit
einzubeziehen.
Anmerkung 1:
Sergio Cofferati
ist heute Linksdemokraten (DS)-Bürgermeister von Bologna, dort für seine
repressive Law and Order-Politik
bekannt und (bei Kleinhändlern wie bei linken Jugendlichen gleichermaßen)
verhasst.
Vorbemerkung, Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen
Klammern:
Gewerkschaftsforum Hannover