Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Die
Entführung der Irak-Korrespondentin der linken italienischen Tageszeitung „il manifesto“, Giuliana Sgrena (56), in Bagdad am 4.Februar 2005 erregte weltweit Aufsehen. Ihre Befreiung am 4.März 2005 und die Schüsse amerikanischer
Besatzungssoldaten auf ihr Auto während der Fahrt zum Flughafen (die den
italienischen Geheimdienstoffizier Calipari töteten)
ebenfalls. In Italien sorgte die Entführung für ein Wiederaufleben der
Anti-Kriegs-Bewegung. Am 19.Februar 2005 gab es eine Massendemonstration in
Rom, die von „il manifesto“ und diversen linken und
pazifistischen Organisationen organisiert wurde. In „il manifesto“
vom 8.11.2005 erschien der folgende Kommentar von Giuliana
Sgrena zum, vom Fernsehsender „RAI News 24“
aufgedeckten Chemiewaffeneinsatz der US-Besatzungstruppen im Falludscha.
Die
Sonderseite von RAI News 24 zum US-Gemetzel in Falludscha
findet sich (samt Video und Fotos) unter: http://www.rainews24.rai.it/ran24/inchiesta/default_02112005.asp
FALLUDSCHA:
Phosphor-Demokratie
Giuliana Sgrena
Der Einsatz von Napalm und
weißem Phosphor im Irak-Krieg war bereits bekannt. Leider. Von den verkohlten
Leichen, die nach der Schlacht am Flughafen (im April 2003) gefunden wurden,
hatten mir die Bewohner von Falludscha berichtet
bevor sie zu Flüchtlingen wurden. Von den, durch den weißen Phosphor fleischlos
gewordenen Gesichtern hatten sie mir danach erzählt und das wurde auch durch
die auf dem Schlachtfeld eingesetzten amerikanischen Soldaten bestätigt (auch
in einem Interview in „il manifesto“ vom
25.September 2005). Aber dieser Horror, den Dir die Untersuchung von „RAI
News 24“ („Falludscha – Das verborgene Gemetzel“)
ins Gesicht schleudert… Nicht wieder zu erkennende, verbrannte Gesichter wehrloser
Frauen und Kinder in ihren unversehrten Wohnungen (der weiße Phosphor verzehrt
nur die Zellen, die Wasser enthalten) als Teil jenes Massenmordes, der selbst
von den materiellen Urhebern des Massakers (den Soldaten) zugegeben wird, die ihn
vor den Fernsehkameras bestätigt haben. Allerdings nicht von den Auftraggebern.
Die Untersuchung von „RAI
News 24“ muss dazu dienen, den Schleier des Schweigens zu zerreißen. Vor
allem aber müssen diejenigen sich einige Fragen stellen, die diesen Krieg mit
der Präsenz unserer Truppen im Irak unterstützt haben oder noch immer
unterstützen. Bush hat nicht nur einen Krieg gegen Saddam Hussein entfesselt,
indem er ihn beschuldigte, Massenvernichtungswaffen zu besitzen, obwohl er sehr
genau wusste, dass das nicht stimmte, sondern er hat auch erlaubt, dass seine
Armee von der Organisation für die Nicht-Weiterverbreitung von Chemiewaffen
verbotene mörderische Waffen gegen die Iraker einsetzte.
Genauso wie es Saddam 1988
gegen die Kurden tat. Bush wie Saddam, der – als er die Kurden vergaste – ein
treuer Verbündeter der Amerikaner war. Die Bilder der „RAI News“-Untersuchung zeigen es und
die Betroffenen bestätigen es: Das Pentagon hat den Einsatz von Napalm
zugegeben, wenn auch in Form von MK77 und der englische Verteidigungsminister
rechtfertigte sich mit der Behauptung, er habe nicht gewusst, dass die USA es
eingesetzt haben. Übrigens haben die Amerikaner selbst, als die Flüchtlinge aus
Falludscha in ihre Häuser zurückkehrten, ihnen
gesagt, sie sollten kein Gemüse und keine Tiere aus der Gegend essen, weil es
gefährlich sei und ihnen empfohlen, die Häuser zu desinfizieren bevor sie sie
wieder bezogen. Natürlich nur die, die noch bewohnbar waren.
Und was tut die
internationale Gemeinschaft? Sie schweigt. Man kann aber angesichts solcher
Schrecken nicht schweigen, ohne zum Komplizen zu werden. Und Komplizen sind wir,
wenn wir mit unseren Truppen im Irak bleiben, egal ob wir den weißen Phosphor
in der Leuchtspurmunition benutzen, um den Himmel zu erhellen oder um die armen
Bewohner Falludschas zu verbrennen. Die in einer
Weise verbrannt wurden, dass sie nicht wieder zu erkennen waren, ja nicht
einmal gezählt werden können: Nur 700 der Tausenden von Opfern in Falludscha wurden mit einem Namen begraben.
Ist das die in den Irak
exportierte Demokratie, über die sich der irakische Präsident, der Kurde Jalal Talabani so zufrieden
gezeigt hat? Wer weiß, ob er während seines – gegenwärtig stattfindenden –
Besuches in Italien einen Blick auf unser Satellitenfernsehen werfen und hören
wird, was es über den Irak zu berichten hat? Mit Sicherheit wird er sich von
Bildern nicht beeindrucken lassen, die er sehr genau kennt, während er die
italienischen Truppen bereits zum Bleiben aufgefordert hat. Und dabei die
Zustimmung unserer Regierung bekommen, aber auch die <aus dem rechten Mehrheitsflügel
der 1990 aufgelösten italienischen KP hervorgegangenen> Linksdemokraten (DS) erneut ins Stocken gebracht
hat. <DS-Generalsekretär> Fassino hat gestern
nämlich erklärt, dass es notwendig sei, den Zeitplan für den Rückzug der
Truppen den Fortschritten des „demokratischen Prozesses“ anzupassen. Welcher
Demokratie? Der des weißen Phosphors?
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover