Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Der
Zeitraum von Ende 2001 bis zum Sommer 2004 wies in Italien eine verschärfte
Auseinandersetzung zwischen der Gewerkschaftsbewegung und der Regierung
Berlusconi in zentralen politischen Fragen, wie der Aufweichung des
Kündigungsschutzes, der Renten(gegen)reform, der Steuerreform oder dem
Irak-Krieg auf, auch wenn die beiden kleineren Gewerkschaftszentralen CISL und
UIL beim ersten Thema Mitte 2002 nach kurzer Zeit einknickten. Ein Ende dieser
Konfrontation ist noch nicht absehbar, zumal die Rechtsregierung aus Forza
Italia, Alleanza Nazionale, Lega Nord, UDC und rechten Kleinstparteien nach der
Wahlschlappe der größten Regierungspartei bei den Europa- und Kommunalwahlen
Mitte Juni 2004 sowie dem Verlust bedeutender Rathäuser und Provinzen deutlich
angeschlagen, zum überwiegenden Teil aber trotzdem nicht zu einer Abschwächung
ihrer Politik bereit ist. Dies ist allerdings nur eine Seite der Medaille, denn
zugleich praktizierte die übergroße Mehrheit der Gewerkschaften eine mehr als
sozialpartnerschaftliche Tarifpolitik, die neben Reallohnverlusten auch der
weiteren Prekarisierung der Lohnarbeit Tür und Tor öffnete. Ausnahmen bildeten
hier vor allem die CGIL-Metallarbeitergewerkschaft FIOM und die linken
Basisgewerkschaften CUB, COBAS, SULT etc., die es allerdings sehr schwer haben
gegen die Strömung zu schwimmen
.
Angesichts
dessen, angesichts der Äußerungen von CGIL-Generalsekretär Guglielmo Epifani
zugunsten einer Neuauflage der sog. „Einkommenspolitik“, die in den vergangenen
10 Jahren für Lohnzurückhaltung stand, und auch angesichts zunehmenden Drucks
auf ihn persönlich aus den Reihen der CGIL-Linken bezog nun auch einer der
führenden Köpfe des linken CGIL-Flügels, Giampaolo Patta, gegen diese
Tarifpolitik Stellung. Patta ist einer der beiden Vertreter der Linken im nationalen
Sekretariat der CGIL und war vor der Fusion der linken CGIL-Strömungen zum
„programmatischen Bereich“ Cambiare Rotta – Lavoro Società (Den Kurs ändern –
Arbeit–Gesellschaft) führender Exponent von Alternativa Sindacale
(Gewerkschaftliche Alternative). Politisch entstammt er der Anfang der 90er
Jahre mit dem linken PCI-Flügel und zwei trotzkistischen Gruppierungen zum
Partito della Rifondazione Comunista (PRC) verschmolzenen Democrazia Proletaria
(DP), die ein wenig mit dem deutschen KB vergleichbar, allerdings sehr viel
größer und auch im Parlament vertreten war. Nachdem Rifondazione im Oktober
1998 die Unterstützung der Regierung Prodi aufkündigte, schloss sich Patta der
Rechtsabspaltung PdCI an.
Seinen
Diskussionsbeitrag entnahmen wir der Website des Coordinamento Nazionale RSU (www.ecn.org/coord.rsu), wo er am 4.6.2004
veröffentlicht wurde.
Tarifpolitik / Die Position von Lavoro Società
in den Versammlungen
Eine notwendige Diskussion
Abkommen im Gegensatz zur
Kongresslinie
Es gibt zuviele
Abkommen mit Inhalten, die im Gegensatz zur tarifpolitischen Linie stehen, die
die CGIL <auf ihrem
letzten Kongress im Februar 2002> in
Rimini festgelegt hat. Das zeigte sich in den letzten Monaten sowohl beim
Abschluss neuer Tarifverträge als auch im jeweils 2 Jahre gültigen finanziellen
Teil sowie bei einigen verzögerten Tarifabschlüssen in bezug auf tarifpolitisch
heikle Themen wie: befristeter Arbeitsvertrag, Arbeitsmarkt, Arbeitszeit und
Lohn, einer starken Kluft zwischen den oftmals erklärten und in den
Leitungsgremien der CGIL beschlossenen Positionen in diesen Bereichen und den
abgeschlossenen Branchentarifverträgen.
Der, aufgrund der Anzahl der
betroffenen Arbeiter bedeutsamste Tarifvertrag, der bei diesen Themen in
negativer Hinsicht die Rolle der Planierraupe spielte, war derjenige der
Textil- und Bekleidungsindustrie. Mit dem Abschluss dieses neuen Tarifvertrages
hat man für die Betriebe die Bedingung geschaffen, eine neue operative
Flexibilität auf breiter Front und eine starke Prekarisierung der Beschäftigung
einzuführen sowie die Lohn- und Gehaltserhöhungen unter den Grenzen des
Protokolls vom Juli 1993 <das
die Bestimmungen des zentralen sozialpartnerschaftlichen
Lohnzurückhaltungsabkommens fixiert>
zu halten. Die Einkommenserhöhungen lagen dank des Ausfalls der Einmalzahlung
für die Monate Januar, Februar und März, die im Jahresdurchschnitt etwas mehr
als 4 Euro ausmachen, unter dem Protokoll von 1993. Daher beträgt die
durchschnittliche Erhöhung im betreffenden 2-Jahres-Zeitraum 82,50 Euro und
nicht, wie erklärt, 85 Euro.
In punkto Arbeitszeit wurden
die vom Gesetz vorgesehenen 4 Monate des Zeitraumes für die Berechnung der
maximalen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden, der Mindestruhepause von täglich 11
aufeinander folgenden und wöchentlich 35 Stunden sowie des
Überstundenzuschlags, der an das Übertreffen der Marke von 40 Wochenstunden und
nicht mehr an das Übersteigen von 8 Stunden am Tag gebunden ist, auf 12 Monate
ausgedehnt. Eine Ausdehnung der Möglichkeit die befristete Beschäftigten allen
organisatorischen, technischen, Produktions- oder Austauschvorhaben
entsprechend zu verteilen, d.h. im wesentlichen entsprechend allen im Betrieb
erbrachten Leistungen. Das sind nur einige der negativen Inhalte dieses
Abkommens.
Im mit dem Verband der
Kleinindustrie (Confapi) für die Lebensmittelbranche abgeschlossenen
Tarifvertrag wurden alle Umsetzungsnormen des <Prekarisierungs-> Gesetzes Nr.30 / 2003 aufgenommen, auch die
negativsten Aspekte. In den Tarifvertrag wurde die Verteilung der Arbeit der
unbefristet Beschäftigten und der auf Abruf Arbeitenden aufgenommen und
geregelt. Bezüglich der Teilzeitarbeit wurde – darüber hinaus, dass man die
alte Regelung verschlechterte – keinerlei Verpflichtung vereinbart, sie im
Rahmen des Gesetzes Nr. 276 zu halten. Bei der Erneuerung des zwei Jahre
geltenden lohnpolitischen Teils der nationalen Tarifverträge der Forstarbeiter
und der landwirtschaftlichen Kooperativen wurde die <von der Regierung> veranschlagte Inflation als Bezug genommen (1,7% für
2004 und 1,5% für 2005) und die Logik der tarifpolitischen Vorwegnahme
übernommen, ohne irgendeinen Bezug auf die Produktivität und die erwartete Inflation.
Bezüglich der Themen
Arbeitsmarkt und Arbeitszeit, die die Chemiearbeiter bei der letzten Erneuerung
des Tarifvertrages verschoben hatten, wurde ein nicht akzeptables Abkommen
abgeschlossen, weil es dem Ansatz des Gesetzes Nr. 368 über die befristeten
Arbeitsverträge und dem Gesetz Nr. 30 nicht im Mindesten entgegentritt, den
RSU’en <d.h. der
italienischen Mischung aus Betriebsräten und organisationsübergreifenden
gewerkschaftlichen Vertrauensleutekörpern> keine angemessenen Instrumente an die Hand gibt, Abweichungen von den
Bindungen des Gesetzes Nr.66 über die Arbeitszeit einführt etc.
Weitere Tarifverträge wurden
mit denselben negativen Inhalten unterzeichnet, die oben kurz zusammengefasst
wurden, während andere sich an die vom Gewerkschaftsbund vorgegebene Linie
gehalten haben.
Die Genossen von Lavoro
Società haben in den einzelnen Branchen, in denen die Tarifabschlüsse negativ
waren, Stellung bezogen und in den Versammlungen mit den Werktätigen einen eindeutigen
Kampf gegen diese Abkommen geführt.
Da die geschlossenen
Abkommen mit Inhalten, die im Gegensatz zu der von der CGIL auf dem Kongress in
Rimini festgelegten und sowohl in der nationalen Leitung der CGIL als auch in
den Erklärungen ihres Generalsekretärs bestätigten Linie zu zahlreich sind, ist
es notwendig, dass die CGIL die Unterschrift unter die Abkommen mit Inhalten
zurückzieht, die eindeutig im Gegensatz zu den Positionen des
Gewerkschaftsbundes stehen und in der nationalen Leitung eine Diskussion
geführt wird, um die Festpunkte zu definieren und zu redefinieren, auf denen
die gesamte Organisation beharren muss.
Gian
Paolo Patta
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover