Antifa-AG der Uni Hannover:

 

Eigentlich hätten die palästinensischen Parlamentswahlen bereits vor 6 Monaten stattfinden sollen, doch da sich Mahmud Abbas alias „Abu Mazen“, der Präsident der Autonomiebehörde, um das Ergebnis seiner Fatah-Partei sorgte, verschob er die Wahl kurzerhand in bester autokratischer Manier auf unbestimmte Zeit und setzte sie später (nach zahlreichen Protesten einerseits und steigenden Werten für Al-Fatah andererseits) auf den 25.Januar 2006 fest. Dieser Wahltermin sorgt nun für erhebliche Bewegung in der politischen Landschaft und – zum Leidwesen von Abbas – auch zur Spaltung der Fatah, die mit zwei konkurrierenden Listen antreten wird. Nachdem die jüngere Garde (in einem äußerst fragwürdigen Bündnis des eher linken Marwan Barghuti mit dem pro-imperialistischen Warlord Dahlan) bei Fatah-internen Vorwahlen einen überwältigenden Sieg errungen hatte, versuchte Abbas wiederum autokratisch von oben diverse Vertreter der korrupten und verschlissenen alten Garde durchzusetzen, was misslang und teilweise zu chaotischen Zuständen und gewaltsamen Zusammenstößen führte. Noch bevor diese Entwicklung innerhalb der Fatah abgeschlossen war, brachte die linke italienische Tageszeitung „il manifesto am 8.12.2005 den folgenden Überblick über die politische Szenerie in den besetzten Gebieten:

 

Palästina: Große Manöver, um Al-Fatah zu schlagen

 

Auf dem Weg zur Wahl: Eine neue Liste gefährdet Mustafa Barghuti. Linksbündnis. Hamas im Vorteil.

 

MICHELE GIORGIO – Jerusalem

 

Die Registrierung der Listen, die an den palästinensischen Parlamentswahlen am 25.Januar teilnehmen, geht weiter, während Al-Fatah (die Mehrheitspartei) ihre an verschiedenen Orten von Gewalttaten überschatteten, chaotischen Vorwahlen noch nicht abgeschlossen hat. Vorgestern präsentierte Dr. Mustafa Barghuti (eine der meistgeschätzten Persönlichkeiten und Hauptgegner von Abu Mazen bei den Präsidentschaftswahlen am 9.Januar 2005) in Ramallah die 25 Vertreter der Zivilgesellschaft, die mit ihm zusammen die Liste „Unabhängiges Palästina“ bilden werden. Es handelt sich um Namen, die im Ausland nicht bekannt sind, in Cisjordanien und Gaza allerdings Wertschätzung genießen und die – Barghuti zufolge – unter jenen Palästinensern, die sich nicht mit Hamas und Al-Fatah identifizieren und an die Schaffung eines souveränen, laizistischen und demokratischen palästinensischen Staates glauben, viele Stimmen erhalten werden. Der Arzt zeigte sich zuversichtlich, einen bedeutenden (wenn auch minoritären) Anteil der Wählerschaft erreichen zu können und das auch dank der Unterstützung, die er von Haider Abdel Shafi, einem der Väter der palästinensischen Demokratie bekommen hat.

 

In Wahrheit haben sind die Dinge für Barghuti vor einigen Tagen unvorhergesehenerweise komplizierter geworden als der ehemalige Finanzminister Salam Fayad, ein Unabhängiger mit einer Vergangenheit als Funktionär der Weltbank, wissen ließ, dass er mit einer eigenen Liste antreten wolle, auf der Persönlichkeiten wie die Bürgerrechtsaktivisten Hanan Ashrawi und Iyad Sarraj, der Wirtschaftswissenschaftler Khaled Abdel Shafi und Abdel Qader Hussein, Sohn des vor vier Jahren verstorbenen, unvergessenen <PLO-> Vertreters von Ostjerusalem stehen werden. Auch diese Formation behauptet von sich, einen alternativen „dritten Pol“ zur Hamas-Al-Fatah-Herrschaft repräsentieren zu wollen. „Der Bipolarismus tut einer sich entwickelnden Demokratie nicht gut“, erklärte Hanan Ashrawi im Radiosender Stimme Palästinas. „Unsere Partei wehrt sich gegen die Vorherrschaft von Al-Fatah und Hamas und trägt zur Entwicklung unserer Institutionen sowie zur Umsetzung der innenpolitischen Reformen bei.“ Salam Fayads und Hanan Ashrawis Partei fordert jedoch auch die Formationen der palästinensischen Linken heraus, die in der Gesellschaft bereits heute nur eine sehr begrenzte Zustimmung genießen, weil sie nicht in der Lage waren, glaubwürdige und alternative Programme zu denen der Fatah und der Islamisten vorzulegen.

 

Trotzdem haben drei Formationen (die Demokratische Front <DFLP>, die FIDA und die ehemals kommunistische Volkspartei <PPP>) angekündigt, dass sie mit einer gemeinsamen Liste antreten und endlich einen Schritt nach vorn machen werden (verglichen mit dem Immobilismus der letzten Jahre). Der bedeutendste Name dieser Formation ist der von Saleh Rafat (Abu Kais), einem historischen Führer der PLO, der die Sehnsucht der jüngeren Palästinenser (d.h. der Mehrheit der Bevölkerung) nach Erneuerung aufgegriffen hat. Die Volksfront <PFLP> wird hingegen allein antreten, mit ihrem Sekretär Ahmed Saadat an der Spitze, der seit 2002 in einem Gefängnis der Autonomiebehörde <unter britischer und US-amerikanischer Bewachung!> sitzt, weil er beschuldigt wird, der Auftraggeber der Ermordung des Ministers und Führers der israelischen extremen Rechten, Revaham Zeevi, zu sein. Im Hause Al-Fatah <hingegen> ist die Konfusion souveräne Herrscherin.

 

Die neue Generation hat die Vorwahlen in Cisjordanien gewonnen und nun kursieren Gerüchte, denen zufolge Abu Mazen <alias Mahmud Abbas> bereit ist, das Ergebnis der parteiinternen Wahlen zu entstellen, um viele jener führenden Vertreter der alten Garde, die außen vor gehalten wurde, auf die Liste der 132 Kandidaten für die Parlamentswahlen am 25.Januar zu setzen. In Gaza haben die Männer des Ministers für zivile Angelegenheiten, Mohammed Dahlan, fast überall gewonnen (auch in Rafah). Halblaut richten Viele den Finger auf Dahlan, der, wie sie sagen, seine Unterstützer in der Fatah dazu angestachelt habe, überall dort die Wahllokale anzugreifen, wo Kandidaten seiner Rivalen zum Sieger erklärt wurden. Diese beließen es nicht dabei, dem <tatenlos> zuzusehen. „Unbekannte“ eröffneten vor zwei Tagen, zwecks Einschüchterung, das Feuer auf Rafat Sadallah, den wichtigsten Verbündeten Dahlans in der Stadt Khan Yunis, wo kurz darauf ein Polizist bei einer Schießerei mit Beamten der Präventiven Sicherheitsdienste getötet wurde.

 

Zu Gewalttaten kam es auch bei der Fehde zwischen den Familien Kafarneh und Masri, die Samstagnacht in Beit Hanun, nördlich von Gaza, 5 Tote forderte. Ein heißes Klima, das den Hamas-Wahlkampf begünstigt, die eine Liste mit neuen Gesichtern und ohne ihre bekanntesten Führer präsentieren wird. Gestern kündigte der Sprecher der islamischen Bewegung, Sami Abu Zuhri, an, dass Hamas bereit ist, sofort nach den Wahlen im Januar mit anderen Parteien parlamentarische Bündnisse zu schließen.

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover