Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Nach der schweren Schlappe des von Silvio Berlusconi geführten Rechtsbündnisses aus Forza Italia, Alleanza Nazionale, Lega Nord, der rechtschristdemokratischen UDC und einem rechten Splitter der ehemaligen Sozialistischen Partei (PSI) bei den Kommunal- und Regionalwahlen vom 3./4.April 2005 stellte sich auch die Frage des weiteren Verhaltens der Mitte-Linken. Diese hatte als – weitgehend passiver – Nutznießer des Frustes über die Politik der Regierung Berlusconi auf nationaler Ebene überraschende 8% hinzugewonnen und sich (verglichen mit den Regionalwahlen 2000) von 44,1% auf 52,1% zugelegt. Grund genug für den langjährigen Chefredakteur und Mitbegründer der links-unabhängigen italienischen Tageszeitung „il manifesto“, Valentino Parlato, sich Gedanken über die kommenden 12 Monate bis zum Ende der Legislaturperiode und die Politik eben dieser Mitte-Linken zu machen. Sein Leitartikel erschien am 10.4.2005.

 

Ein gefährliches Jahr

 

VALENTINO PARLATO

 

An den Wänden der <Berlusconi-Koalition> Casa delle Libertà (Haus der Freiheiten) gab es bereits viele Risse, aber bei den Regionalwahlen gab die wichtigste Mauer nach: Forza Italia. Der Aufruhr der kleineren Hausbewohner war unvermeidlich. Einige standen schon bereit, den Sturz des Chefs zu begleiten, um dann auszuziehen. Nun aber fürchten sie, sein Ende zu teilen. Unvermeidlich und symptomatisch sind die Auflösungserscheinungen beim Haupteigentümer, der seinen Kompagnons alles und das Gegenteil von allem erzählt. Es ist für die Bewohner des Hauses schwer an eine Sanierung zu glauben. Der Wahltermin <im April> 2006 lauert um die Ecke. Darüberhinaus sind da die Referenden, das Haushaltsgesetz und die  Devolution, die keine Freude verbreiten. Und was die kleineren Hausbewohner anbelangt, gibt es den Käfig des Mehrheitswahlrechtes. Drin zu bleiben ist tödlich, aber auszuziehen wäre wie aus dem Fenster einer der oberen Etagen zu springen. Das alles ist Berlusconi und seinen Mitbewohnern / Miteigentümern ziemlich klar und vergiftet die interne Diskussion: <Einer der beiden Köpfe des rechten Flügels von Alleanza Nazionale (AN) und soeben abgewählte Präsident der Region Lazio> Storace fordert (wenn auch nur auf der Spruchebene) ein Schriftgutachten für den letzten Brief Berlusconis – den der großen Versprechungen. Die Wahlen sofort abzuhalten, trifft nicht nur auf die entschiedene Opposition vieler Parlamentarier, die ihren Posten nicht verlieren und zu Prekären werden wollen, sondern überzeugt auch die Parteiführer nicht. Berlusconi sprach von Selbstmord. Dennoch ist festgestellt worden, dass die Fortsetzung dieser Regierung für ein weiteres Jahr unter den schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen und angesichts der Unzufriedenheit der Italiener das Unwohlsein des Landes vergrößern und weitere, schwer zu behebende Schäden hervorrufen würde.

 

Was aber will, was tut die siegreiche Mitte-Linke angesichts dieser Situation, angesichts dieser Krise?  Eine immer stärker von Prodi geprägte Mitte-Linke, da sich das Gewicht von <Rifondazione Comunista-Parteichef> Bertinotti reduziert hat?  Das ist eine weit verbreitete Frage und die stellen sich vor allem diejenigen, die bei den jüngsten Wahlen die Mitte-Linke und nicht die Präsidenten der Regionen gewählt haben.

 

Die Mitte-Linke scheint zufrieden und unbeweglich. Ihre Strategie scheint die des Abwartens und Zuschauens zu sein – Berlusconi in der eigenen Brühe kochen zu lassen bis er gar ist. Unter diesen Umständen überzeugt die Listigkeit jedoch nicht und ich fürchte, dass sie die Erwartungen ihrer Wähler enttäuscht. Ohne den Schaden für das Land abzuschätzen und die (wenn auch schwierige) Möglichkeit, dass die Zeit die eine oder andere positive Überraschung für die Gegenseite bringen könnte. Der (vielleicht pessimistische) negative Eindruck ist, dass man vor zwei Krisen steht, die es anzupacken gilt und dass auf Seiten der Mitte-Linken Angst vor dem Regieren herrscht. (Die nicht ganz unbegründet ist!)  Man will Berlusconi kochen lassen, dabei könnte man zumindest den Herd hochdrehen.

 

Die Fortsetzung einer Regierung des Casa delle Libertà mit ihrer parlamentarischen Mehrheit ist ohne Frage schädlich für das Land und ein Hindernis für die Politik, die die aktuellen <d.h. zu 90% der Mitte-Linken angehörenden> Regionspräsidenten machen wollen. Diese Präsidenten könnten vorgezogene Neuwahlen fordern, um ihre Programme ohne eine feindliche Regierung verwirklichen zu können. Und dann sind da noch keineswegs zweitrangige Fragen, wie die Verteidigung der Verfassung, die Justiz und die Freiheit der Kommunikationsmittel, die man nicht im Kochtopf des Casa delle Libertà weiterkochen lassen kann. Es wäre wirklich enttäuschend, wenn es in der Frage der <italienischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt> RAI zur Lösung in Form einer Großen Koalition käme, wie man es befürchten kann.

 

Kurz gesagt, es geht darum, dass sich die Mitte-Linke – wie man in Rom sagt – einen Ruck gibt. Im Übrigen sprachen auch die alten Militärwissenschaften davon, dass die Siege nicht eingefroren werden dürfen und ich will gar nicht erst an Maos grausame Maxime erinnern, „den Hund zu prügeln, der ertrinkt“.

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover