Imperiales und Klassenbewegung
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Antifa-AG der Uni Hannover:
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- Die unabhängige
linke italienische Tageszeitung “il manifesto”
veröffentlichte am 5.3.2002 anläßlich
des Parteitages der Lega Nord, die Bestandteil der Regierung Berlusconi
ist, die folgende Analyse der Entwicklung dieser – vor allem in Norditalien
erfolgreichen – rechtspopulistischen und rassistischen Partei:
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- Analyse:
Die Paradoxien
der Lega
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Roberto Borcio
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Bossi, der den “Mafioso aus Arcore” <Silvio Berlusconi> und den
“Faschisten” Fini umarmt und küßt. Berlusconi, der in reinem
lombardischen Dialekt an die Empfehlungen der Mama erinnert und die endgültige
Besiegelung eines als “unbesiegbar” bezeichneten Bündnisses versucht.
Fini, der Pfiffe, aber auch viel Beifall erhält als er von den Tugenden
der “Gens italica” (Italienischen Sippe) spricht. Lega-Minister, die die
Ergebnisse des eigenen Handelns in der Mitte-Rechts-Regierung preisen
und feiern. Eine Basis, die Mißmut und Unduldsamkeit äußert,
dann aber dem von ihrem Führer abgesteckten Weg treu und enthusiastisch
folgt.
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Dies sind die stärksten Eindrücke und Suggestionen, die nach
dem 4.Kongreß der Partei Umberto Bossis in der Erinnerung bleiben.
Zusammen mit vielen Fragen. Hat sich die Lega an der Regierung verglichen
mit der, die Norditalien in den 90er Jahren destabilisiert hat, radikal
verändert ? Und vor
allem: Wie kann man das Paradoxon einer Partei auf nicht banale Weise
erklären, die während sie die nunmehr bevorstehende Verwirklichung
ihrer historischen Ziele ankündigt, sich damit abmüht einer
tiefgreifenden Repräsentanzkrise zu begegnen ?
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Entgegen der unter den Kommentatoren verbreiteten Meinung glaube ich,
daß Bossis Insistieren auf der Kontinuität der aktuellen Politik
der Lega verglichen mit dem Ursprungsprojekt im wesentlichen korrekt ist.
Die Frage der Eigenständigkeit gegenüber den Zentralgewalten,
die Antipolitik und der Ethnozentrismus, die die grundlegende Identität
der Partei geliefert haben, sind – mit nach und nach aktualisierten Neuformulierungen
– immer wieder neu bestätigt worden. Die Frage der Eigenständigkeit
betraf erst die Lombardei und die anderen Regionen Norditaliens. Dann
Padanien und seine Unabhängigkeit. Und nun dehnt sie sich gegenüber
Europa auf Italien aus. Der zuerst gegen die Süditaliener und dann
gegen die von außerhalb der EU kommenden Immigranten zum Ausdruck
gebrachte Ethnozentrismus nimmt heute mit den Kampagnen zur Förderung
der italienischen Geburtenrate Formen an, die nahe am Rassismus sind.
Die Antipolitik drückte sich in den Ursprüngen im populistischen
Protest gegen Rom und die italienische Politikerschicht aus. Nun richtet
sie sich gegen die Bürokraten in Brüssel und die Banker in Frankfurt.
Und gegen die “Kommunisten”, die als Vertreter der nicht zu tolerierenden
Einmischung der Politik in das Leben der Völker betrachtet werden.
Die Partei Bossis kann einen glaubwürdigen Zusammenhang zur ursprünglichen
Identität solange aufrechterhalten wie es ihr gelingt, eine überzeugende
Kombination dieser drei Komponenten anzubieten, um Sympathisanten und
Wähler zu mobilisieren.
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Die Repräsentanzkrise und die Krise der sozialen Verankerung der
Lega hängt andererseits nicht mit der Beteiligung an der Regierung
Berlusconi zusammen. Die Krise hat tiefer liegende Gründe und ging
dem neuen Bündnis mit der Mitte-Rechten voraus.
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Die Lega war Mitte der 90er Jahre als der wichtigste politische Unternehmer
der norditalienischen Frage gewachsen bis sie 1996 zur Partei wurde, die
in Norditalien die meisten Stimmen erhielt. Die politische Isolierung
und die Schwierigkeiten eine konkrete – wenn auch <nur> teilweise
– Verwirklichung der eigenen Ziele zu erreichen, schwächten die Lega,
die erlebte wie die eigenen Stimmen bei den Europawahlen 1999 halbiert
wurden. Der Krise der Lega Nord lag das zunehmende Auseinanderdriften
der Fragen, der Interessen und der sozialen Schichten zugrunde, die die
norditalienische Frage genährt hatten. Die Kleinunternehmer und der
Steuerprotest fanden in Forza Italia eine zuverlässigere Vertretung.
Die Arbeiter Norditaliens, die in der Partei Bossis eine neue politische
Vertretung gesucht hatten, schienen desorientiert und empfänglicher
für die Versprechungen Berlusconis oder auf der Kippe zwischen Protest
und Resignation. Die von den neuen Mittelschichten (den “nachdenkenden
/ reflexiven Mittelschichten”, von denen Ginsborg spricht) zum Ausdruck
gebrachten Fragen suchten andere Vertretungsformen für die Fragen
der demokratischen Partizipation und des Schutzes der Legalität.
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Die Krise drängte Bossi dazu ein neues Bündnis mit Berlusconi
zu suchen und dabei die Unterstützung durch die Lega-Stimmen als
Garanten des Sieges der Mitte-Rechten einzutrauschen gegen präzise
Verpflichtungen auf dem Gebiet der Devolution
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und der Immigration. Der Niedergang der Lega bei den Wahlen hörte
jedoch nicht auf. Die Partei verlor an Zustimmung unter den radikaleren
Wählern, die <stattdessen> für die kleinen autonomistischen
Gruppierungen stimmten oder sich enthielten und in den gemäßigteren
Bereichen, die von Forza Italia angezogen wurden.
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Die Lega Nord ist heute zu schwach und kann nicht darauf hoffen mit ihrer
Initiative den politischen Rahmen radikal zu verändern, wie es 1994
der Fall war. Bossi hat eine Linie der Loyalität gegenüber der
Regierungskoalition gewählt. Und andererseits liegt es in Berlusconis
Interesse die Koalition geschlossen zu halten, indem er der Lega einen
Spielraum und eine gewisse Rolle garantiert und die Zirkulation und Kontamination
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der Ideen und Aktionsstile anfangs sehr unterschiedlicher politischer
Subjekte begünstigt. Wenn die Mitte-Rechts-Koalition, die Italien
heute regiert, sich von all den anderen, die es nach dem 2.Weltkrieg gab,
radikal unterscheidet, so ist das vor allem der Verdienst (oder die Schuld
– je nach Standpunkt) der Lega, die es verstanden hat, in der Gesellschaft
verbreiteten Stimmungen, Spannungen, Egoismen, Ängste und Groll zu
politisieren und ihnen eine direkte und manchmal brutale Vertretung zu
geben. So hat sich ein Regierungsstil populistischen Typs durchgesetzt
– eine “Politik der Antipolitik” –, die die Vermittlungen, die die traditionellen
politischen Kulturen (christdemokratische, kommunistische, sozialistische
und im weiteren Sinne liberal-demokratische) in der Vergangenheit anboten,
ignoriert und verspottet.
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In einem gewissen Sinne kann man sagen, daß die Lega Nord gewonnen
hat, weil ihre Themen auch von anderen politischen Akteuren übernommen
worden sind und in den letzten Jahren das politische Leben Italiens stark
bestimmt haben. Die Lega besitzt jedoch nicht mehr das Monopol auf ihre
traditionellen Themen und infolgedessen hat sich ihr Spielraum bei Wahlen
verengt. Man gelangt so zu dem Paradoxon einer Partei, die in dem Augenblick
die Auflösung riskiert, in dem ihre Ziele der Verwirklichung zustreben
und ihre Vorschläge, ihre Sprache und ihr politischer Stil in der
Mitte-Rechts-Koalition ein zunehmendes Gewicht bekommen. Die Lega versucht
deshalb ihren politischen Spielraum auszuweiten, indem sie sich als der
extremste, unnachgiebigste und kämpferischste Bestandteil der Koalition
qualifiziert – vor allem bei den Themen Immigration, Kampf gegen die
Kriminalität und den Grenzen, die der europäischen Integration
gesetzt werden.
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Vorbemerkung, Übersetzung, Fußnoten und Anmerkungen in eckigen
Klammern:
- Antifa-AG der
Uni Hannover
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1
Devolution bedeutet hier: Abtretung von Befugnissen des italienischen
Zentralstaates (insbesondere in der Steuerpolitik) an die Regionen und
deren politische Willensbildung.
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2
Kontamination steht hier für: wechselseitige Verunreinigung.
Kontakt- und Diskussionsmöglichkeit