Antifa-AG der Uni Hannover:
Die Position des Partito della Rifondazione Comunista (Partei der kommunistischen
Neu/be/gründung - PRC), der größten, ernsthaft als linke
Kraft zu bezeichnenden politischen Organisation in Italien, zu den Anschlägen
vom 11. September und dem gegenwärtigen imperialistischen Krieg der
USA und ihrer Verbündeten, geben die nachfolgenden drei Erklärungen
wieder, die bisher die zentralen Texte der Partei zu diesem Thema darstellen
und unseres Erachtens einen erschreckenden inhaltlichen Niedergang (vom historisch-materialistischen
und revolutionären Standpunkt aus gesehen) und einen tiefen Kotau vor
dem herrschenden System darstellen.
Die drei Texte von Rifondazione stammen allesamt von der Homepage des PRC
(www.rifondazione.it).
Partito della Rifondazione Comunista
Mitteilung des Nationalen Sekretariats
vom 11.9.2001
Das Nationale Sekretariat bekräftigt die nachdrücklichste Verurteilung
des schrecklichen Anschlages, der die Städte New York und Washington
erschüttert hat und bei dem Tausende von Menschen getötet wurden.
Unsere Abneigung gegen den Terrorismus ist absolut und unbeugsam. Unsere
Trauer um die unschuldigen Opfer und unsere Solidarität mit ihren Familien
und dem Volk der Vereinigten Staaten, die von dieser Tragödie so schwer
getroffen wurden, sind überzeugt und tief empfunden.
Diese Tragödie wird schwer auf den internationalen Kräfteverhältnissen,
der internationalen Politik und unserer eigenen Initiative lasten. Es stellen
sich in unerwartet dramatischer Weise grundlegende Fragen über die zukünftigen
Szenarien und die Krise der Globalisierungsprozesse.
Für die unmittelbare Gegenwart sehen wir die Notwendigkeit, daß
die mögliche Entwicklung einer zerstörerischen Spirale weiterer
Gewalt und Verwüstungen gestoppt wird. Perspektivisch denken wir, daß
die Antwort nicht diejenige einer weiteren Abschottung des Westens gegenüber
dem Rest des Planeten, der als der Feind wahrgenommen wird, gegen den es
sich zu verteidigen gilt, sein kann.
Eine solche Antwort ist nicht nur falsch, sondern unfähig die Explosion
der blinden und zerstörerischen Gewalt zu verhindern, wie diese Tragödie
zeigt. Wir denken, daß im Gegenteil die grundlegenden Argumente für
einen Dialog und ein Verständnis zwischen den verschiedenen Kulturen
neu lanciert werden müssen. Wir müssen daher zu Vergeltungsaktionen
und gleichzeitig zu jeder Art von Fundamentalismus - sei er nun religiös,
politisch, ideologisch oder “imperial” - Nein sagen.
Wir meinen, daß die Antwort nicht die einer weiteren Einschränkung
der Spielräume für die demokratische politische Betätigung
sein kann. Im Gegenteil, wir lancieren auf’s Neue die Idee, daß das
einzige Gegenmittel gegen die Gewalt die demokratische Massenbeteiligung
ist.
Man muß den Krieg aus der Geschichte verbannen und neue Antworten auf
die stechenden Widersprüche der gegenwärtigen Welt finden.
Wir meinen, daß die Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung
die entscheidenden Fragen stellt, die in Angriff zu nehmen sind und eine
Möglichkeit darstellt, um einen Prozeß der Kritik des Existierenden
und der Transformation der Politik und der Wirtschaft einzuleiten, der eine
Hoffnung geben kann, um aus der verrückten Logik des Krieges und der
Zerstörung herauszukommen.
In diesen Stunden und in diesen Tagen sind alle unsere lokalen und regionalen
Organisationen und unsere institutionellen Vertretungen in Verbindung mit
der Bewegung und den politischen und sozialen demokratischen Kräften
verpflichtet an den Mobilisierungs- und Diskussionsinitiativen teilzunehmen,
die in sehr vielen Städten und Arbeitsstätten stattfinden.
Gleichzeitig stellen die Pressefeste von <der kleinen parteieigenen Tageszeitung>
“Liberazione”, die derzeit stattfinden, eine demokratische Kundgebung dar,
auf der man sich treffen, Beziehungen knüpfen und Initiativen in derselben
Richtung einleiten kann.
Erklärung von Fausto Bertinotti
(Sekretär des Partito della Rifondazione Comunista)
am 12. September 2001:
Gewalt gegen die Politik
Wir haben, während wir die Versammlung unserer Nationalen Leitung durchführten,
live im Fernsehen einem erschütternden Ereignis, einer gigantischen
Tragödie beigewohnt. Das was gestern in New York und in Washington geschehen
ist, kennt - auch wenn zur Stunde die Informationen und die notwendigen Elemente
für eine vollständige Einschätzung fehlen - historisch sicherlich
wenig Vergleichbares.
Angesichts dieses Traumas, das auf die internationalen Kräfteverhältnisse,
die Politik und unsere eigene politische Initiative sicherlich tiefgreifenden
Einfluß haben wird, liegt uns vor allem anderen etwas daran zu sagen,
daß wir über die Zerstörung von Menschenleben, die so kalt
und barbarisch begangen worden ist, erschüttert sind. Wir sind weder
in der Lage die Verantwortlichen dafür zu bestimmen noch die effektive
Dynamik der Ereignisse. Es existiert noch keine offizielle Bilanz über
die Zahl der Opfer. Aber es erscheint sicher, daß es viele Tausend
Menschen sind - unschuldige Frauen und Männer. Die zerstörerische
Gewalt des Krieges erfaßt nun den gewöhnlichen Alltag. Hier ist
alles unerwartet, unvorhergesehen, unbegreiflich.
Es ist auch das Symbol einer Zivilisation, eines Landes, eines Imperiums
getroffen worden. Eine Abfolge von Anschlägen, die auf ein sehr hohes
Maß an organisierter Macht hinzudeuten scheint, die aber vor allem
eine blinde destruktive Unmenschlichkeit zeigt. Auf diese bezogen ist unsere
Verurteilung unbeugsam und absolut. Es gibt nichts, was den Gebrauch einer
solchen Gewalt rechtfertigt. Es gibt keine Gründe, in deren Namen es
zulässig ist, einen so hohen Preis an Menschenleben zu zahlen.
Das andere traumatische Element ist die extreme Verwundbarkeit aller Symbole
der westlichen Zivilisation. Auch jene aus den obersten Spitzen und den größten
Mächten, die gegen jede Gefahr gewappnet schienen, haben sich als verwundbar
erwiesen - so wie jeder Ort unseres Alltages. Auch dies wirft für uns
die Notwendigkeit einer grundlegenden Reflektion über diese Phase und
über das auf, was wir als Krise der Globalisierungsprozesse bezeichnet
haben. Unterdessen müssen wir dafür kämpfen, daß auf
diese Tragödie keine solchen Vergeltungsaktionen folgen, die nur weitere
zerstörerische Spiralen in Gang setzen.
Wir sagen Nein zur Politik der Vergeltung. So wie wir zu jeder Art von politischem,
religiösem und imperialem Fundamentalismus Nein sagen. Wir müssen
wissen, daß unser eigenes politisches Handeln jetzt sehr viel schwieriger
wird - gerade in dem Moment, in dem die Bewegung dazu tendiert zu wachsen
und sich auf nationaler und internationaler Ebene zu verankern. Die Gefahr
für die Politik als solche und für die Spielräume der demokratischen
Handlungsfreiheit ist groß. Wenn so große, so enorme Phänomene
der Destruktivität und des Krieges die Oberhand gewinnen, ist die Perspektive,
die sich zeigt, immer die der “Nacht der Politik”.
Wir sind - im Gegensatz dazu - weiterhin der Meinung, daß das einzig
wirksame Gegenmittel gegen die Gewalt die politische Beteiligung, der Massenprotagonismus
ist.
Fausto Bertinotti
Erklärung Fausto Bertinottis
vom 7. Oktober 2001:
Bedrohung für die Menschheit
Die am meisten gefürchtetste und falscheste Antwort auf den Terrorismus
ist hereingebrochen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind zusammen mit
ihren Verbündeten dabei Afghanistan anzugreifen. Heute hat der Krieg
begonnen. Zum Horror des Terrorismus kommt ein weiterer Horror hinzu. Zu
den unschuldigen, von den Terroristen vernichteten Leben können in diesen
Stunden gleichermaßen unschuldige Opfer eines anderen Teiles der Welt
hinzugefügt werden. Zweimal Unrecht ergibt keine Vernunft. Seit heute
ist das Schicksal der Menschheit finsterer und unsicherer geworden. Jeder
Mensch in jedem Teil der Welt ist in Gefahr und kann getroffen werden. Die
einzige Sache, die sicher ist, ist daß der Terrorismus daraus nicht
geschwächt hervorgeht. Die internationalen Gremien und das internationale
Recht sowie der Wille der Völker sind die politischen Opfer dieser Entscheidung.
Europa steht an einem Scheideweg. Wenn es sich der amerikani-schen Entscheidung
anschließt, verneint es seine eigene Existenz. Seine Zukunft hängt
heute mehr denn je von seiner Fähigkeit ab dem Terrorismus und dem Krieg
das internationale Recht und die Entscheidung für den Frieden entgegenzusetzen,
um eine Politik der Kooperation zwischen dem Norden und dem Süden der
Welt einzuleiten.
In einem für die Menschheit so dramatischen Augenblick fordern wir das
italienische Volk auf, seine Stimme zu erheben, um den Krieg zu stoppen;
fordern wir alle Männer und Frauen guten Willens egal welcher Kultur
und Religion auf ihre Stimme zu erheben; fordern wir die Werktätigen
auf, sich gegen die Geschehnisse dieser schrecklichen Stunden auszusprechen;
appellieren wir an alle Kirchen, damit die Religionen nicht zum Grund des
Konfliktes werden, sondern für die Toleranz und den Dialog. Wir appellieren
an die Anti-Globalisierungs-Bewegung damit sie zum Zentrum einer breiten
Kampffront für den Frieden und gegen den Krieg und den Terrorismus wird.
Wir fordern alle Männer und Frauen der Partei der Kommunistischen Neu(be)gründung
(PRC) auf, sich in diesen dramatischen Stunden zu mobilisieren und zu einheitlichen
Protagonisten für den Aufbau einer großen pazifistischen Bewegung
zu werden.
Fausto Bertinotti
Vorspann, Übersetzung und Anmerkungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover