Vorbemerkung der
Antifa-AG der Uni Hannover: In dem folgenden
Artikel porträtiert die Sonntagsausgabe der angesehenen bürgerlich-liberalen
Tageszeitung NZZ die neonazistische PNOS. Wir dokumentieren ihn hier als
ergänzendes Material zu den beiden nebenstehenden „Vorwärts“-Artikeln zum
Nazi-Aufmarsch beim Rütli-Fest, weil er unseres Erachtens sehr interessante
Hintergrundinformationen enthält und sich durch eine nüchterne Analyse
auszeichnet, auch wenn der Autor Markus Steudler den Stellenwert der PNOS –
bei all ihren Schwächen und Schwierigkeiten – am Ende doch etwas zu niedrig
ansetzt. Richtig ist allerdings die (von ihm nicht vorgetragene)
Einschätzung, dass insbesondere die arriviert-rechtspopulistische Schweizerische
Volkspartei (SVP) von Christoph Blocher um etliches gefährlicher ist. Und das
nicht nur weil Blocher seit Dezember 2003 Mitglied der schweizerischen
Bundesregierung ist und ihm dort als Bundesrat (Minister) das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement (EJPD) untersteht, sondern mindestens eben
so sehr, weil die SVP bei den letzten Wahlen am 19.Oktober 2003 mit 27%
stärkste Partei der Schweiz wurde und zum ersten Mal seit 1959 eine Änderung
der sogenannten „Zauberformel“, d.h. der Regierungszusammensetzung erzwang. |
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Neue Zürcher Zeitung am Sonntag vom 1.August 2004 Überschätzte Provokateure
Die rechtsextreme Partei
National Orientierter Schweizer (PNOS)
Die rechtsextreme Partei
National Orientierter Schweizer ist nach dem Skinhead-Aufmarsch auf dem Rütli
vom 1. August 2000 gegründet worden. Ihr grösster Erfolg ist, dass es sie
immer noch gibt. Von Markus Steudler Es hätte eine jener beschaulichen Podiumsdiskussionen zum Thema
Rechtsextremismus werden sollen, wie sie nach dem 1. August 2000 in
der Schweiz zuhauf organisiert wurden. Doch an diesem
30. Januar 2001 lag an der Sektionsversammlung der SP Gelterkinden
(BL) auf einmal Spannung in der Luft. 13 kahl rasierte Männer und zwei Frauen
in Springerstiefeln waren unerwartet ins Gelterkinder «Rössli» marschiert und
hatten sich inmitten der Sozialdemokraten niedergelassen. «Erst habe ich
gedacht, die seien zum Provozieren da», sagt der Basler Historiker Ruedi
Brassel, der an jenem Abend über das Parteiprogramm der neu in der Region
aufgetauchten Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) referierte. «Doch
sie waren anständig und diskutierten mit.» Brassel erinnert sich, wie der
Wortführer, der damals 19-jährige PNOS-Vizepräsident Jonas Gysin, die Nähe zu
Nazi- Deutschland von sich wies, sich aber derselben Argumentationsmuster
bediente, und wie er sich selbst als Opfer der Diskriminierung und
Kriminalisierung darstellte. «Zum Abschied drückten mir einige der
Jugendlichen die Hand», sagt Brassel. «Sie hatten massiv Kreide gefressen.» Weniger
Schreibfehler
Es war der erste Auftritt von PNOS- Mitgliedern in der
Öffentlichkeit; weitere sollten folgen. Die brachial anmutenden
Rechtsextremen waren um eine Imagekorrektur bemüht. Eine politische Partei
schien das richtige Instrument dafür. Am 1. September 2000 hatten die
beiden einstigen Mitglieder der Skinhead-Organisation «Blood & Honour»,
Jonas Gysin und Sacha Kunz, in Liestal die PNOS gegründet. Kunz, auf dessen
Faust die tätowierte Aufschrift «SKIN» prangt, fungierte damals noch als
Präsident der Nationalen Partei Schweiz (NPS). Diese war erst wenige Monate
alt, in der rechtsextremen Szene aber bereits abgeschrieben, weil sich ihr
Hauptexponent, der Berner David Mulas, mit diversen Entgleisungen - zum
Beispiel Morddrohungen gegen «Linke» - angreifbar gemacht hatte. Die PNOS
sollte nun schaffen, was der NPS und anderen kurzlebigen Parteikonstrukten
nicht gelungen war: «Die PNOS ist die Chance, aus dem Dunstkreis der Gewalt
herauszukommen und unsere Meinung öffentlich zu pflegen», erklärte Gysin nach
der Parteigründung. Es galt, die Gunst der Stunde zu nutzen: Durch den
Skinhead-Aufmarsch auf dem Rütli am 1. August 2000 war die
Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert; die Medien vermeldeten jede
kleinste Bewegung aus der rechtsextremen Szene. Heute produziert die PNOS die mediale Aufregung selbst. Durch
Provokationen oder Mobilisierungen - wie beispielsweise für die diesjährige
1.-August-Demonstration in Brunnen (SZ) und auf dem Rütli - schafft sie es
immer wieder, Medien und zum Teil auch Behörden in Alarmstimmung zu
versetzen. Obwohl die meisten Rechtsextremen weiterhin in traditionellen
Skinhead-Gruppierungen organisiert sind, kann die PNOS das Gros der öffentlichen
Aufmerksamkeit für sich beanspruchen. Dabei wird ihre Mitgliederzahl auf
lediglich 130 geschätzt. Ihr Ziel, auch Mitglieder ausserhalb der Szene
anzuwerben, hat sie verfehlt. Der grösste Erfolg der PNOS ist, dass es sie immer noch gibt. «Dass
die Partei eine recht stabile Existenz hat aufbauen können, ist zwar kein
sensationeller Erfolg. Wir hätten es ihr vor vier Jahren aber nicht
zugetraut», sagt der oberste Staatsschützer, Urs von Daeniken, Chef des
Dienstes für Analyse und Prävention im Bundesamt für Polizei. Diese
Einschätzung teilt der Berner Rechtsextremen-Ideologe Roger Wüthrich. «Die
haben etwas relativ Solides aufgebaut», sagt er. Fortschritte zeigten sich
konkret in der Partei- Zeitschrift, die orthographisch viel weniger Fehler
aufweise als früher. Heute würden die Texte von drei Personen mit
Rechtschreibeprogrammen korrigiert. Dennoch: «Auch wenn die PNOS nicht gleich
wieder von der Bildfläche verschwindet, wird sie nie auf einen grünen Zweig
kommen. Im Volk fehlt die Akzeptanz», sagt Wüthrich. Gewalt
trotz Verzicht
«Die Partei ist politisch vollkommen irrelevant», sagt auch Samuel
Althof, Sprecher der Aktion Kinder des Holocaust, der die Entwicklung der
PNOS seit deren Gründung intensiv mitverfolgt. «Sie ist in ihrer gefährlichen
nationalsozialistisch orientierten Ideologie gebunden und somit politisch
nicht kompromissfähig.» Staatsschützer von Daeniken, der die PNOS als
rechtsextreme Organisation mit einer stark revisionistischen Haltung
bezeichnet, mahnt zur Vorsicht: «Die deutsche NPD hat vor Jahren gleich
begonnen», sagt er. «Dadurch, dass die PNOS sich wählbar gemacht hat, werden
ihre Ideen mehr oder weniger legitimiert. Das ist das Gefährliche.» Bei den Nationalratswahlen 2003 erzielte die PNOS im einzigen
Kanton, in dem sie es schaffte, einen Kandidaten aufzustellen, einen
Wähleranteil von 0,13 Prozent. Das reichte nicht annähernd für einen
Nationalratssitz, wenngleich der PNOS-Kandidat, ein 21-jähriger Plattenleger,
1335 Kandidatenstimmen erzielte, von welchen ein Drittel von SVP-Wählern
stammte, wie aus der statistischen Analyse hervorgeht. Diese ist für die
Partei viel wichtiger als das Resultat. «Die PNOS hat gewusst, dass sie null
Chancen hat», sagt Wüthrich. «Die Teilnahme an den Wahlen hat den Vorteil,
dass die Behörden für einen gratis Promotionsmaterial an alle
Stimmberechtigten senden müssen. Zudem dienen Wahlen als Stimmungsbarometer.»
Sie zeigten, so Wüthrich, in welchem Bezirk man wie viele Stimmen gemacht
habe, wo es sich lohne, eine Ortsgruppe zu gründen, Veranstaltungen zu
organisieren oder Flugblätter zu verteilen. Der heutige «Parteivorsitzende», wie sich Jonas Gysin nennt, will
das nicht abstreiten. Dank der PNOS werde ein Teil «der Rechten» jetzt anders
wahrgenommen, sagt er zufrieden. «Heute kann einer für unsere Meinung
einstehen, ohne sich in ein mit Gewalt vorbelastetes Milieu zu begeben»,
behauptet er. Die PNOS habe einen Rückgang der Gewalt herbeigeführt. Seit
ihrer Gründung hat die Zahl der Gewaltdelikte rechtsextremer Kräfte in der
Schweiz abgenommen, was ihr seitens der Staatsschützer teilweise tatsächlich
zugeschrieben wird. Als ebenso sicher gilt jedoch, dass der propagierte
Gewaltverzicht nur Mittel zum Zweck ist im Hinblick auf die eigene
Wählbarkeit. So verurteilte das Strafgericht Baselland im November 2003 Sacha
Kunz wegen Körperverletzung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 16 Monaten
und 15 Tagen, weil er - unter anderem - im Sommer 2001 mit Jonas Gysin einen
Minderjährigen spitalreif geschlagen hatte, der angeblich seine Freundin
belästigt hatte. Gysin erhielt eine bedingte Gefängnisstrafe von 30 Tagen.
Beide Urteile sind nicht rechtskräftig und werden im Herbst 2004 in zweiter
Instanz beurteilt. «Wir haben Lehrgeld bezahlt», sagt Gysin. «Die Strafen waren für uns
mit ein Grund, uns anders, gewaltlos, zu
engagieren.» Dass die Gewalttaten ein Jahr nach der Parteigründung geschahen,
erwähnt er nicht. «Mein Gott, ich war 19 Jahre alt, als ich die Partei
gründete», erwidert er. Das Spiel mit den Medien hat der Vorsitzende gelernt. |
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