Antifa-AG der Uni Hannover:
Anläßlich des Beschlusses der EU-Führung, die marxistische
“Volksfront für die Befreiung Palästinas” (PFLP) zusammen mit den,
dem linken Flügel der Al Fatah von Jassir Arafat nahestehenden, “Al
Aqsa-Brigaden”, mit auf die Liste der terroristischen Organisationen zu setzen,
sprach die unabhängige und angesehene linke italienische Tageszeitung
“il manifesto” mit dem stellvertretenden PFLP-Generalsekretär, Abdul
Raheem Mulawweh, über die strategische Zielsetzung und die gegenwärtige
Positionierung der PFLP im palästinensischen Widerstand und ergänzte
seine Aussagen durch einen längeren eigenen Kommentar speziell zur Entscheidung
der Sachwalter des europäischen Imperialismus, denn um nichts anderes
handelt es sich ja bei der EU-Kommission. Der Artikel erschien in “il
manifesto” vom 20.6.2002.
“Weder mit Arafat noch mit
den Selbstmordattentaten !”
“Unser Kampf ist Widerstand, nicht Terrorismus.”
Die Volksfront antwortet auf die Europäische Union.
Stefano Chiarini
“Wir von der Volksfront für die Befreiung Palästinas sind gegen
die Angriffe auf die Zivilisten und haben viele Male gesagt, daß der
Widerstand die Siedler und die Soldaten zum Ziel haben muß. Dennoch
erkennen wir das Recht unseres Volkes an, auf die von den Besatzungsstreitkräften
an ihm verübten Massaker zu antworten. Wir können eine Person,
die ihr Leben opfert, um ihr Volk und ihr Land zu verteidigen, nicht verurteilen,
auch wenn wir solche Kampfmethoden nicht billigen. Es ist nötig jenen
Aktionen den Vorzug zu geben, die den Widerstand voran und uns unseren nationalen
Zielen näher bringen.” Mit diesen Worten hat Abdul Raheem Mulawweh,
stellvertretender Sekretär der Volksfront für die Befreiung Palästinas
die Position seiner Partei in der immer lebhafteren Debatte über die
Formen und die Ziele des palästinensischen Widerstandes zum Ausdruck
gebracht. (Der Führer der Partei Ahmed Sadat ist immer noch Gefangener
der Palästinensischen Autonomiebehörde ANP in Jericho <mittlerweile
aber zusammen mit 4 weiteren PFLP-Mitgliedern und einem des “Waffenschmuggels
für die ANP verdächtigen” palästinensischen Polizeigenerals
ausschließlich bewacht - und damit faktisch in der Hand - von britischen
und US-Truppen !> trotzdem der palästinensische Höchste Gerichtshof
die sofortige Freilassung angeordnet hatte.) Ein Widerstand, von dem die
PFLP (“Organisation der fortschrittlichen Avantgarden der palästinensischen
Arbeiterklasse”) mit ihrem Ziel eines demokratischen und sozialistischen
Staates für Juden und Araber in Palästina seit 1967 neben Al Fatah
und der Demokratischen Front (DFLP) von Hawatmeh (auch diese ist marxistisch
inspiriert) ein sehr wichtiger Bestandteil gewesen ist.
Der stellvertretende Sekretär der Front fährt mit den Worten fort:
“Es gibt keine heiligen Widerstandsformen. Politische, diplomatische, militärische,
Märtyreranschläge - alle sind legitim bei der Bekämpfung der
Besatzung, aber gleichzeitig können alle Gegenstand von Bewertungen
im Licht der politischen Ziele sein, die wir uns gesetzt haben. In der ersten
Intifada schlugen wir vor, alles auf den Massenkampf auszurichten und nicht
auf den militärischen. Und auch diese Intifada ist auf Massenebene entstanden,
aber die Besatzung mit den täglichen Tötungen palästinensischer
Zivilisten hat uns dazu gezwungen, wieder zu den Waffen zu greifen.”
Die PFLP hat angesichts der Popularität der Selbstmordattacken als Antwort
auf die israelischen Gemetzel (2 000 Tote und 18 000 Verletzte) in diesen
Tagen den Beginn einer Debatte zwischen den politischen Kräften vorgeschlagen,
um zu versuchen, in bezug auf die Kampfformen und auch angesichts des amerikanischen
und israelischen Versuches, jede Form von Intifada und Widerstand zu beenden,
zu einer gemeinsamen Position zu kommen.
Die Zerstörung des Widerstandes ist in der Tat die Voraussetzung, um
dem palästinensischen Volk ein in kleine Bantustans unterteilten Ministaat
auf 40% <der Fläche> der Besetzten Gebiete aufzuzwingen. Die Aktionen
des Widerstandes untergraben die “Normalisierung” der Besatzung an der Wurzel.
Einer Besatzung, die danach strebt, die israelische Präsenz der Siedler
und Soldaten in den “Gebieten”, die nicht “besetzt” seien, sondern “zwischen
den beiden Seiten in der Diskussion, in den Augen der öffentlichen Meinung
als “natürlich” erscheinen zu lassen. Und wenn die Gebiete nicht “besetzt”
sind, kann der “Widerstand” als “Terrorismus” präsentiert werden. So
als ob er nicht von den legitimen Bewohnern jener Böden gegen den Besatzungsstaat,
sondern von Fanatikern geleistet würde, die “von außen” gekommen
sind, um Israel aus ideologischen oder religiösen Gründen zu treffen.
Und es ist genau diese Interpretation der Fakten, die von Israel und den
USA in ihrem Versuch vorgebracht werden, den gesamten palästinensischen
Widerstand als terroristisch zu “kriminalisieren”.
Ein Ansatz, den die Europäische Union bis zum 17.Juni zurückgewiesen
und die Auffassung vertreten hatte, daß der politische Ursprung der
Gewalt im israelisch-palästinensischen Konflikt läge. Dann <gab
es> die Wende, die die definitive Kapitulation des Alten Kontinentes vor
der unverantwortlichen Gleichsetzung von Widerstand und Terrorismus und (über
die Al Aqsa-Brigaden der Al Fatah hinaus) die Aufnahme der Volksfront für
die Befreiung Palästinas in die Liste der terroristischen Bewegungen
gekennzeichnet hat. So ist der linke Flügel der PLO, einer der wichtigsten
Bestandteile der palästinensischen Befreiungsbewegung und eine politische
Partei mit einem starken Massenanhang (sowie einer der wenigen Dämme
gegen das Um-sich-greifen der islamistischen Organisationen) mit der Al Qaida
und Bin Laden auf dieselbe Liste gesetzt worden, womit Dutzende von UNO-Resolutionen
beiseite gewischt wurden, die in der israelischen Weigerung, sich aus den
palästinensischen Gebieten zurückzuziehen und in den Verletzungen
der Genfer Konventionen die Ursache der “Gewalt” sehen. Was die EU da getan
hat, ist ein Akt schwerwiegender Unverantwortlichkeit, da die Moral, die
viele Palästinenser daraus ziehen können, die ist, daß die
PFLP als terroristisch eingestuft worden ist, obwohl sie - mittlerweile seit
Jahren - ihre militärischen Aktionen auf die Besetzen Gebiete beschränkt
und obwohl sie - als Vergeltung für die Tötung ihres Sekretärs
Abu Ali Mustafa - nicht blindlings die israelische Bevölkerung, sondern
direkt den rassistischen Minister Zeevi getroffen hat, während <zu
der Zeit> als ihre Kämpfer Flugzeuge entführten, ihre Führer
- wie im September 1970 - von Gleich zu Gleich mit der Regierung ihrer britischen
Majestät verhandelten. Und ganz gewiß ist dies nicht die Botschaft,
die Europa den Palästinensern senden sollte.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover