Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

Ein anschauliches Beispiel für das Vorgehen der Blair-treuen, rechten Gewerkschaftsbürokraten im TUC, die in letzter Zeit unter starken Druck der sich regenden und radikalisierenden Gewerkschaftsbasis geraten sind, geben die Vorgänge in der britischen Öffentlichen-Dienst-Gewerkschaft PCS. Wir entnahmen den Artikel der linken italienischen Tageszeitung “il manifesto” vom 4.6.2002.


Putsch der Blair-freundlichen Strömung der PCS (der britischen Gewerkschaft der im öffentlichen Dienst Beschäftigten).

Der ehemalige Sekretär läßt den Sessel nicht los

Berufung beim Höchsten Gericht: Mark Serwotka, regulär gewählter, neuer Sekretär der PCS wendet sich gegen die, vom ehemaligen Sekretär beschlossene Annullierung seiner Wahl an die englische Justiz.

Orsola Casagrande - London

“Wir haben das Höchste Gericht gebeten, sich dazu zu äußern, auch wenn wir glauben, daß die Mitglieder mit ihrem Votum in freier und demokratischer Weise bereits entschieden haben.” So hat sich Mark Serwotka, der kämpferische Sekretär der PCS (der größten Gewerkschaft der im englischen öffentlichen Dienst Beschäftigten) darauf beschränkt, das Geschehen zu kommentieren, das die Gewerkschaft und ganz konkret seine Person betrifft. Die Fakten: Vor 8 Tagen, d.h. eine Woche bevor er seinen Posten dem neu gewählten Sekretär (Serwotka) überläßt, ruft Barry Reamsbottom (der ausscheidende Sekretär und eiserne Blair-Anhänger) das Nationale Exekutivkomitee (NEC) ein, das am Ende einer verkrampften Versammlung, bei der man fast handgreiflich geworden wäre, mit Mehrheit beschließt, daß die Wahl von Serwotka als null und nichtig zu betrachten ist und daß Reamsbottom bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2004 Sekretär bleiben kann. Ein regelrechter Putsch, empören sich die Unterstützer von Serwotka. “Wir erleben”, sagt der linke Sekretär, “einen unerhörten Angriff. Es ist die Demokratie, die in diesem Moment in Gefahr ist.” Serwotka wurde vor zwei Jahren von den Mitgliedern gewählt. Das Ergebnis wurde vor zwei Wochen vom nationalen Kongreß der Gewerkschaft bestätigt. Nach seiner Wahl hatte Serwotka ein Abkommen mit dem ausscheidenden Sekretär, Reamsbottom (der von den Mitgliedern nicht wiedergewählt wurde), für eine Art von Leitung zu zweit bis zum Juni diesen Jahres unterschrieben. Vergangene Woche dann der Theatercoup: Reamsbottom hat nicht nur nicht die Absicht zu gehen, sondern erhält vom (mehrheitlich aus Blairianern und Gemäßigten bestehenden) Nationalen Exekutivkomitee ein Mandat bis 2004. “Wir glaubten”, kommentiert Serwotka bitter, “daß die Jahre der Putsche in den Unions, um linke Kandidaten (jene der Militant Tendency) daran zu hindern, an den Wahlen teilzunehmen, vorbei wären. Offensichtlich haben wir uns da getäuscht.”

Die PCS (Public and Commercial Services Union) ist mit 238 000 Mitgliedern die wichtigste Gewerkschaft der im öffentlichen Dienst Großbritanniens Beschäftigten. Sie vertritt u.a. die am wenigsten geschützten Teile der Staatsbeschäftigten, wie <z.B.> die Arbeiter der Job Centres (die die Arbeitsämter ersetzt haben). Unter der Führung (oder besser der halben Führung) von Mark Serwotka ist sie schnell zu einer der dynamischsten Unions geworden. Die Beschäftigten der Job Centres haben eine Auseinandersetzung begonnen, die mittlerweile seit Monaten andauert und sind viele Male in den Streik getreten. Eine Aktivität, die der anderen Hälfte der Führung (nämlich Reamsbottom) überhaupt nicht gefallen hat. Reamsbottom ist ein konservativer Labour-Mann, der wie der Premierminister Blair denkt, daß Streiks ‚eine Sache der Vergangenheit‘ sind. Serwotka gehört zur Socialist Alliance, dem linken Kartell, das, nach den ermutigenden Erfolgen, die bei den Kommunal- und Bürgermeisterwahlen von London im Mai 2000, im Juni 2001 <auch - allerdings mit ziemlich magerem Ergebnis ->  zu den Parlamentswahlen angetreten ist. Der Putschversuch, der in der PCS-Gewerkschaft läuft, ist kein Einzelfall. Vor einigen Monaten war es die Gewerkschaft der Eisenbahner (RMT), die einen ähnlichen Fall erlebt und (in einer äußerst gespannten Atmosphäre) Bob Crowe zum nationalen Sekretär gewählt hat. Crowe, ein Sozialist, ist das Opfer wiederholter verbaler und physischer Angriffe von seiten mysteriöser Schlägertrupps geworden. Ereignisse, die die Spannung und das erhitzte Klima zeigen, das im Innern der Gewerkschaften herrscht, wo der Bruch zwischen der, auf das New Labour-Niveau von Blair abgeflachten Rechten und der Linken, die den Unions ihre Identität und Autonomie zurückgeben will, deutlicher denn je ist.

Im Fall von Serwotka wird es wahrscheinlich das Höchste Gericht sein, das diesen, von der Gewerkschaftsrechten in Szene gesetzten, Putsch stoppen wird. Unterdessen haben über 300 Sektionen der PCS Briefe und Anträge zur Unterstützung des Sekretärs <Serwotka> geschickt, den die Mitglieder in “freien und offenen Wahlen”, gewählt haben - “an denen Reamsbottom, nicht teilgenommen hat”, wie Serwotka hervorhob. Bis gestern abend hatte der ausscheidende Sekretär keinerlei Absicht gezeigt, sein Amt aufzugeben.

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover