Antifa-AG der Uni Hannover:

 

Die Diskussion um die EU-Verfassung ist die wahrscheinlich intensivste und wichtigste transnationale Debatte, die es in der Europäischen Union bisher gegeben hat – insbesondere nach der Ablehnung in den französischen und niederländischen Referenden. Deshalb ist es unseres Erachtens wichtig auch den länderübergreifenden Austausch und die europaweite Diskussion innerhalb der Linken zu diesem Thema auszuweiten und zu vertiefen. Als ein Beitrag dazu hier die Übersetzung der Stellungnahme des Generalsekretärs der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP), Jerónimo de Sousa nach dem französischen „Non“. Bei aller notwendigen Kritik an ihrer Politik ist der PCP doch weiterhin und auf absehbare Zeit die stärkste Kraft der portugiesischen Linken. Bei den Europawahlen von 2004 erhielt das vom PCP geführte Wahlbündnis CDU 9,3% der Stimmen (1999: 10,3%) und stellt 2 Europaabgeordnete. Zunächst links von ihr entwickelte sich in den letzten Jahren der von der ehemals maoistischen UDP, der PSR (portugiesische Sektion der 4.Internationale) und ehemaligen PCP-Intellektuellen gebildete Bloco d’Esquerda (BE – Linksblock), der sich bei den letzten Europawahlen von 1,8% auf 5,0% steigerte und einen Abgeordneten nach Straßburg bzw. Brüssel entsendet. Seit den letzten nationalen Parlamentswahlen im Februar 2005, bei denen er sich von 2,7% auf 6,4% (jetzt 8 statt 3 Abgeordnete) verbesserte, wird der von der bürgerlichen Presse trotz seines Verbalradikalismus auffällig stark hofierte Bloco allerdings verstärkt als Juniorpartner der Sozialistischen Partei (PS) ins Spiel gebracht, während sich der Partido Comunista Portuguès (Steigerung um 0,7% auf 7,6% und um 2 Abgeordnete auf jetzt 14) auf der Landesebene weiterhin als Oppositionskraft versteht und in den Medien marginalisiert wird. Auch innerhalb des PCP gibt es eine „Erneuerer“-Strömung nach Art der deutschen PDS, doch bisher haben die „orthodoxen“ Kräfte die Oberhand. Man wird abwarten müssen, ob das auch nach dem Tod des langjährigen und legendären Parteiführers Alvaro Cunhal (91) am 13.Juni 2005 so bleiben wird. In jedem Fall ist aber auch mit diesen Kräften eine kritisch-solidarische (anders als vom BE betrieben aber nicht antikommunistische) Auseinandersetzung nötig – und das nicht nur über historische Fragen, wie das ständige Bremsen während der Nelkenrevolution von 1974.  

Das nachfolgende Statement erschien in englischer Sprache auf der PCP-Website www.pcp.pt

 

Zum Sieg des „NEIN“ beim französischen Referendum

 

Erklärung von JERÓNIMO DE SOUSA (Generalsekretär der Portugiesischen Kommunistischen Partei – PCP)

 

29.Mai 2005

 

1. Der Sieg des „Nein beim französischen Referendum über den Entwurf des neuen Verfassungsvertrages der Europäischen Union stellt ein Ereignis von großer politischer Bedeutung dar und wird auf europäischer und internationaler Ebene unvermeidlich Auswirkungen haben. Es handelte sich ohne Zweifel um ein „Nein“, das Ausdruck des Volkes und der Linken war und drückt das allgemeine Gefühl der Unzufriedenheit der Arbeiter und des französischen Volkes über die volksfeindliche und antidemokratische Politik aus, die der neue Vertrag zu institutionalisieren versucht.

 

2. Das französische „Nein ist in erster Linie eine klare Verurteilung der neoliberalen Politik, die der Vertrag zu verstärken versucht. In einer Phase, in der es Einige gibt, die – im Namen der „Rettung“ des föderalistischen Projektes der Europäischen Union – sehr schnell die Ansicht verbreiten, dass das französische „Nein“ nicht die Folge des Vertragsinhaltes sei, sondern die Verurteilung der von der französischen Regierung verfolgten Politik, ist es notwendig, Folgendes deutlich zu machen: Die Antwort des französischen Volkes drückt die Ablehnung eines Vertrages aus, der die Absicht hat, jene neoliberale Politik auf globaler Ebene zu institutionalisieren, die in ihrem Land verfolgt wird. Dieses Ergebnis stellte für die Kräfte, die mit der Konstruktion des Modells einer Europäischen Union des Großkapitals und der Großmächte sowie ihrer Umwandlung in einen wirtschaftlichen, politischen und militärischen imperialistischen Block beschäftigt sind, eine ernste Niederlage dar. Der Sieg des „Nein“ in Frankreich bedeutet einen außerordentlichen Ansporn den Kampf für ein anderes, fortschrittliches, auf die Kooperation der Völker ausgerichtetes und auf die Souveränitäts- und Gleichheitsrechte gestütztes Europa zu intensivieren. Eine Sache, für die der PCP, als integraler Bestandteil des Kampfes für die Lösung der gravierenden nationalen Probleme, immer gekämpft hat und weiterhin kämpfen wird.

 

3. Der PCP sendet den französischen Kommunisten und all jenen brüderliche Grüße, die dafür gekämpft haben, deutlich zu machen, was – bezogen auf den Vertrag und angesichts der heftigen, eine Katastrophe heraufbeschwörenden Kampagne sowie dem unakzeptablen Druck und der externen Einmischung der europäischen Institutionen und ausländischer Regierungen – auf dem Spiel steht, und <dabei> einen für die Kräfte des Volkes und der Linken so wichtigen Sieg errungen haben.

 

4. Der PCP weist die Versuche die jetzt in Frankreich (und wahrscheinlich am 1.Juni auch in Holland) abgelehnte sog. „Europäische Verfassung“ um jeden Preis, in Verletzung der geltenden Verträge und durch den Rückgriff auf inakzeptablen politischen Druck sowie alle Arten von „juristischen“ Kunstgriffen, durchzusetzen als außerordentlich undemokratisch und einen Affront gegen den vom französischen Volk zum Ausdruck gebrachten souveränen Willen zurück und verurteilt sie.

 

5. Für den PCP ist die Situation klar: Um in Kraft treten zu können, muss der Vertrag von allen Mitgliedsländern der Europäischen Union gebilligt werden. Auch auf einer im engen Sinne juristischen Ebene zwingt das französische „Nein“, indem es das fragliche Projekt null und nichtig macht, zu einem Neubeginn und zu einem tiefgreifenden Überdenken des gesamten Prozesses. Diese Frage stellt sich – in Relation zum Klassencharakter und der grundlegenden Richtung der europäischen Kooperation und Integration – hauptsächlich auf der politischen Ebene. Der PCP tut alles, was in seiner Macht steht, um durch seine Aktivität auf der nationalen Ebene und die Kooperation mit anderen kommunistischen Parteien und linken Kräften in Europa den „Verfassungsvertrag“ endgültig zu begraben und den antisozialen, föderalistischen und militaristischen Kräfte, die ihn zu stärken und ihm höhere Weihen zu geben versuchen, eine Niederlage zu bereiten.

 

6. Der PCP kämpft stets für die umfassendste Information und Debatte über die großen Optionen, vor die das portugiesische Volk von den Inhalten der europäischen Kooperation und Integration gestellt wird. Dies tut er auch in Bezug auf das Projekt der sog. „Europäischen Verfassung“. Er verteidigt die Auffassung, dass eine Debatte in einem Referendum gipfeln sollte und hat diesem drängenden Problem diese Woche eine Sonderausgabe von „Avante!“ <= „Vorwärts“ = Zentralorgan des PCP> gewidmet. Der PCP bekräftigt, dass für Portugal die Notwendigkeit einer in einem Referendum gipfelnden breiten und eindeutigen nationalen Debatte besteht.

 

Unterdessen stellt das französische „Nein“ den gegenwärtigen Text des Vertrages unvermeidlich in Frage. Unter diesen Umständen ist das Referendum, das die Sozialistische Partei (PS) und die <entgegen ihrem Namen klassisch rechte> Sozialdemokratische Partei (PSD) anberaumen und mit den Kommunalwahlen zusammenlegen wollen, in doppelter Weise manipulativ: Erstens in Bezug auf den einem Referendum zu unterziehenden Text, da der Sieg des „Nein“ zu einem neuen Prozess führen muss, dessen Ergebnis wahrscheinlich eine Veränderung des Vertrages sein wird. Und außerdem, weil es unter Bedingungen abgehalten werden würde, die die für eine bewusste und kenntnisreiche Entscheidung unabdingbare Information nicht ermöglicht. Ein unter solchen Bedingungen abgehaltenes Referendum wäre eine Farce.

 

7. Der PCP bekräftigt erneut seine frontale Opposition gegen jeden Versuch der Verabschiedung einer „Europäischen Verfassung“, die einen Angriff auf die Souveränität von Ländern und Völkern darstellt und die, unter den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen und föderalistischen Dynamiken, in jedem Fall einen weiteren Schritt in Richtung eines vom transnationalen Großkapital diktierten europäischen Integrationsmodells darstellen würde, mitsamt der entsprechenden Einbeziehung des Neoliberalismus <in dieses Modell> auf Grundlage der Verfassung.

 

8. Der Kampf gegen die von der PS-Regierung unter dem Vorwand des Haushaltsdefizits gestartete anti-soziale Offensive und der Kampf gegen ein Europa des Großkapitals und der Großmächte sind untrennbar. Das französische „Nein“ zum „Verfassungsvertrag“ hat auch das Verdienst, diese Tatsache deutlich zu machen. Der PCP appelliert an die Arbeiter und an das portugiesische Volk, den Kampf um die Verteidigung ihrer Rechte und Forderungen für ein souveränes Portugal und für sozialen Fortschritt in einem Europa des Friedens und der Kooperation fortzusetzen.

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover