Antifa-AG der Uni Hannover:
Wie wir an anderer Stelle bereits erwähnten,
zerbrach der radikalste Teil des linken Flügels von Rifondazione Comunista
(PRC), der sich um die Zeitschrift „Progetto Comunista“ gesammelt hatte,
Anfang 2006 in drei Teile. Die beiden größten verließen im April bzw. Mai 2006
wegen der Beteiligung an der Regierung Prodi den PRC und sind nun dabei sich
als eigenständige kommunistische Parteien zu konstituieren. Über die Gruppe
„Progetto Comunista – Rifondare l’opposizione die Lavoratori“ (Kommunistisches
projekt – Die Arbeiteropposition neubegründen – PC-ROL; http://www.progettocomunista.org/)
von Francesco Ricci und Fabiana Stefanoni haben wir bereits kurz berichtet.
Eine nähere Darstellung der Sichtweise und der Perspektiven der Gruppe um Marco
Ferrando (dem einstigen Leader dieses Bereiches, der wegen seiner
antiimperialistischen Positionen im Februar 2006 von der Parteispitze kurzerhand
als Kandidat für den Senat gestrichen wurde) und Franco Grisolia sind wir
bislang schuldig geblieben. Wir holen das hiermit zunächst in Form eines längeren
Artikels der linken Tageszeitung „il manifesto“ vom 17.6.2006
über die Gründung ihrer neuen Organisation, des „Partito Comunista dei
Lavoratori“ (Kommunistische Arbeiterpartei – PCL – http://www.pclavoratori.it/files/index.php)
nach.
Zur Einschätzung der Größenordnungen:
Die vereinte Strömung Progetto Comunista erhielt bei der Urabstimmung
der Mitglieder im Vorfeld des 6.PRC-Parteitages Anfang März 2005 3.300 Stimmen (= 6,5%) und war damit
(zusammen mit der gleich starken „ERRE“ / Sinistra Critica-Fraktion,
d.h. der italienischen Sektion der IV.Internationale) die zweitstärkste
Strömung innerhalb der Parteilinken, die insgesamt 20.853 Stimmen bekam und
damit 41% der Mitglieder vertrat. (Insgesamt beteiligten sich 50.860 der 97.151
PRC-Mitglieder, d.h. 52,4% an den Basis-„Kongressen“. Wobei diese Stimmabgabe
bei den Meisten die einzige Aktivität darstellt. Der Anteil der Parteilinken
unter den tatsächlich aktiven 6 – 7.000 Mitgliedern ist bzw. war daher deutlich
höher.) Die Sympathisantenzahl der beiden, etwa gleich starken, Gruppen PC-ROL
und PCL kann jeweils auf 1.200 bis 1.500 Leute veranschlagt werden. Die Zahl
der Aktiven auf jeweils ca. 200-300. Die innerhalb von Rifondazione
verbliebene Gruppe um Marco Veruggio (siehe: http://resistenze.blog.tiscali.it/)
ist deutlich kleiner. Ihr Dokument erhielt im Vorfeld des 3.Kongresses der Rifondazione-Jugendorganisation
Giovani Comunisti (GC – offiziell 14.531 Mitglieder) im September
2006 gerade mal 177 Stimmen (3%). Auf der 2.Nationalen Konferenz der GC im Juli
2002 kam Progetto Comunista noch auf 10,4%. Fast die gesamte Jugendsektion
des Progetto hat sich allerdings dem PC-ROL angeschlossen.
2006 bekam die Parteilinke unter den
rund 14.531 GC-Mitgliedern (von denen sich nur 5.909 an der Abstimmung über die
alternativen Leitanträge beteiligten) übrigens insgesamt 2.195 Stimmen (37,1%).
Die rechte Mehrheitsströmung 62,9%. Der linke Flügel ist traditionell stärker unter
den älteren Mitgliedern verankert.
Ferrando gründet sich neu: Für RC wird es
ein Leidensweg
Nach der Abspaltung gründet der trotzkistische
Leader morgen die Bewegung für den Partito Comunista dei Lavoratori. „Afghanistan
und das Haushaltsmanöver von Padoa Schioppa sind der Beginn des Leidensweges
des PRC. Wir sind die einzige antikapitalistische Opposition.“
Alessandro Mantovani – Rom
In den Senat zu gehen, hätte
Marco Ferrando nicht missfallen. „Die Bewegung zur Gründung der neuen Partei
hätte ich auch von dort aus lancieren können. Auf der Erscheinungsebene wäre
das positiv gewesen.“ Wir wissen jedoch wie es gelaufen ist: Der Führer der
gegen die Wende von Rifondazione in Richtung Regierungsbeteiligung gerichteten
Minderheit erlebte, dass seine „sichere“ Kandidatur zum Senat in den
Abruzzen gestrichen wurde. Fausto Bertinotti „opferte“ ihn im letzten
Moment nach einem Interview im „Corriere“ und dem übertriebenen Skandal
aufgrund seiner Äußerungen über den „künstlichen Staat Israel“ und das „Widerstandsrecht“
der Iraker in <der
italienisch besetzten Zone>
Nassiriya.
Er wäre der einzige
kommunistische Senator in der Opposition gewesen. „Ich hätte der
bürgerlichen Regierung Prodi-Padoa Schioppa nicht das Vertrauen ausgesprochen.
Das ist sicher.“ Er sagt allerdings nicht: „Ich hätte mit Nein gestimmt“,
sondern stellt klar, dass „man sich taktisch anders hätte artikulieren
können…“. Er sagt nur, dass er nicht wie die anderen <linken> Minderheiten von Rifondazione mit Ja gestimmt hätte.
„Vor einem Jahr“ – erinnert er sich – „waren sie, wie wir, gegen die
Regierungsbeteiligung.“ Die „l’Ernesto“-Strömung von Claudio Grassi
und die Sinistra Critica (Kritische Linke) von Salvatore Cannavò und
Gigi Malabarba, den letzten beiden Trotzkisten wie Ferrando.
Vor 20 Jahren waren sie alle
in der Lega Comunista Rivoluzionaria (Revolutionär-Kommunistischer Bund
– LCR). Um die Wahrheit zu sagen, standen der bärtige ligurische Lehrer und
Franco Grisolia allerdings schon damals an der Spitze einer „orthodoxen“
Minderheit, die 10 oder 20 Prozent einer Organisation stellte, die 1988 als sie
sich in Democrazia Proletaria auflöste und dann in Rifondazione Comunista
einfloss nicht auf 1.000 Mitglieder kam. Heute sind seine einstigen Genossen –
zumindest in Italien – die ersten Trotzkisten in der Geschichte, die für eine
Regierung gestimmt haben. Wer sie kennt, weiß wie sie leiden.
Ferrando hätte den Saal
verlassen oder Ziege und Kohlkopf durch eine andere parlamentarische Teufelei
retten können. Vielleicht sogar eher mit einem Trick der doroteistischen als
der revolutionär-marxistischen Schule. Aber Bertinotti vertraute ihm nicht. Der
ehemalige führende Mann von Progetto Comunista wurde so zu einem „nicht
Vorzeigbaren“, als wäre er schlimmer als die ehemaligen Mitglieder der <rechtsradikalen Geheimloge> P2 aus der vergangenen Regierung – von Silvio
Berlusconi abwärts.
Morgen wird sich Ferrando,
ohne den Parlamentsausweis in der Tasche, in das neue Abenteuer stürzen: die
Gründungsversammlung des Partito Communista dei Lavoratori. Beginn ist
um 9 Uhr im Barberini-Kino in Rom. „das ist nicht die x’te ‚konstituierende
Versammlung der Kommunisten’ mit roten Fahnen und so weiter. Und wir werden
auch nicht die Neubegründung der Ursprünge vorschlagen. Es werden
Persönlichkeiten da sein, die mit dem Trotzkismus nichts zu tun haben, wie
Lucio Manisco, der ehemalige USA-Korrespondent der Tagesschau von RAI 3 <dem traditionell PCI- bzw. jetzt
DS-nahen öffentlich-rechtlichen Kanal>,
ehemalige Europaabgeordnete des PRC und ehemalige Direktor <der PRC-Tageszeitung> „Liberazione“. Auch der zukünftige PCDL oder
PCL hat seinen Transgender: Klaus Mondrian, der auf den Kommunalwahllisten für
die Gemeinde Rom nicht gewählt wurde und ein heftiger Gegner von Wladimir
Luxuria <dem
transsexuellen Starabgeordneten von Rifondazione>. Jorge Altamira wird da sein, der Führer des Partito
Obrero (Arbeiterpartei), der bei den argentinischen Präsidentschaftswahlen
0,8% bekommen hat (ein ansehnliches Ergebnis). Weltweit ist sie die
konsistenteste der Parteien, die eine neue Vierte Internationale schaffen
möchten – anstelle der 1938 von Leo Trotzki gegründeten, die sich nach wie vor,
um die französische Ligue Communiste Revolutionnaire (LCR) von Alain
Krivine herum, irgendwie durchschlägt.
Ferrando hat 50 Jahre auf
dem Buckel und kennt zum Teil die Widrigkeit des politischen Kampfes, der auch
dann äußerst heftig ist, wenn man die Kongresse einer Telefonzelle abhalten
könnte. Nun kennt er auch das Rampenlicht und hat keine Lust in die Grüppchendimension
zurückzukehren. Diese Gefahr besteht. Rifondazione, die heute mehr denn je
Sichtbarkeit, Posten und Pöstchen bieten kann, macht ihm einen nach dem anderen
die Militanten streitig. Gestern erschien in „Liberazione“ ein Appell
ehemaliger Mitglieder des Progetto Comunista, die ihm PRC bleiben, von Marco
Veruggio, einem Mitglied des PRC-Regionalsekretariats Ligurien (Ferrandos
Region!) bis hin zu Beppe Joannas, dem Bürgermeister von Bussoleno und
Protagonisten des Kampfes gegen den Hochgeschwindigkeitszug TAV in Val di Susa <Piemont>, von Bruno Manganaro, einem Mitglied des
Zentralkomitees der <CGIL-Metallarbeitergewerkschaft> FIOM bis zum ehemaligen Sekretär der
PRC-Betriebsgruppe im FIAT-Werk von Melfi <Süditalien>,
Donato Marone. „Sie überlassen uns den besten Teil ihrer sozialen
Verankerung.“
Ferrando räumt die Probleme
in Ligurien ein, wo seine Strömung im PRC bleibt, macht aber „Beitritte auch
aus anderen Bereichen der Partei, von Basisaktivisten, lokalen Funktionären der
mittleren Ebene und sogar aus dem PdCI <Anm.1> sowie von ‚A Sinistra’ (Nach links) in Kalabrien und der Toskana
geltend“. Den PRC verlassen wenige
hundert Militante. „Der Prozess betrifft aber einige tausend Militante“,
versichert Ferrando. Vergangenen Sonntag war er als Gast der von Moreno
Pasquinelli geführten Antiimperialisten in Perugia <Umbrien>, die in der Provinz 200 Leute zählen. „Wir werden
das Gespräch fortsetzen, befürchten aber, dass es eine orthodox-trotzkistische
Kleinpartei wird“, wendet Pasquinelli ein.
„Die Neuordnung der
Linken“ – behauptet Ferrando – „verläuft
über die Demokratische Partei <die die Linksdemokraten (DS) mit den Liberalen und
Christdemokraten der Margerite gründen wollen>. Der andere Pol ist Bertinotti, der versucht den
frei gewordenen Raum zu besetzen, indem er <den aus den DS ausgetretenen Abgeordneten> Pietro Folena und noch ganz andere in einer
Neosozialdemokratie zusammenschließt. Er seinerseits schafft allerdings Raum
für uns.“ Klar oder nicht? „Der
Leidensweg, der mit Afghanistan beginnt und mit dem im Zeichen der Opfer
stehenden Haushaltsmanöver weitergeht, die Konzertierte Aktion im September und
dann der Staatshaushalt <für 2007> werden uns
als einzige antikapitalistische Oppositionskraft zur Regierung Prodi erscheinen
lassen.“
Anmerkung
1:
Der PdCI
(Partei der Italienischen Kommunisten, ca. 30.000 Mitglieder und 2,5% der
Stimmen landesweit) ist eine Rechtsabspaltung von Rifondazione Comunista aus
dem Oktober 1998 als Rifondazione ihre Tolerierung der damaligen
Mitte-Links-Regierung von Prodi beendete. Der PdCI hingegen trug nicht nur den
Sozialabbau und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte etc. mit, sondern auch den
im wesentlichen von italienischem Boden aus geführten NATO-Luftkrieg gegen
Jugoslawien.
Vorbemerkung, Übersetzung, Anmerkung und
Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover