Antifa-AG der Uni
Hannover:
Ohne
Frage ist der Parti Communiste Francais (PCF) quantitativ nur noch ein Schatten
früherer Tage. Verglichen mit den Ergebnissen von Ende der 40er bis Mitte der
70er Jahre ist sein Stimmenanteil auf ein Viertel bis ein Fünftel
zusammengeschmolzen. Und auch qualitativ, d.h. politisch-inhaltlich, hat er
gerade in den letzten Jahren noch einmal einen deutlichen Rechtsruck vollzogen.
(Wobei die PCF-Politik bereits in der Nachkriegszeit nicht mehr als
linkssozialdemokratisch war.) Dennoch stellt die Partei, die – dem NATO-Krieg
gegen Jugoslawien, diversen Kolonialabenteuern in Afrika, Flexibilisierung und
Privatisierungen zum Trotz – in der jüngeren Vergangenheit ein treuer
Regierungspartner von PS, Grünen und Chevenement’s Bürgerbewegung MDC war, mit
ihren 5 bis 6% auf der nationalen Ebene, ihrem starken Einfluss im
Gewerkschaftsbund CGT, Arbeitslosenverbänden (MNCP) und antifaschistischen
Organisationen (MRAP) einen nicht zu unterschätzenden Faktor auf der Linken
dar. Daher halten wir einen Blick auf die aktuelle Positionierung der Partei
zum Thema EU und Europäische Linkspartei für interessant und bringen im
Folgenden die Übersetzung eines Interviews mit dem außenpolitischen
Verantwortlichen des PCF, Daniel Cirera zu dieser Materie. Es erschien in der
von Rifondazione Comunista herausgegebenen Tageszeitung „Liberazione“
vom 26.10.2004.
Die französischen Kommunisten haben
sich nach umfangreichen Beratungen offiziell der Europäischen Linken
angeschlossen
Die französischen
Kommunisten haben sich offiziell der Europäischen Linken angeschlossen. Nach
umfangreichen Beratungen hat die Basis zu 75% mit Ja geantwortet. Jenseits der
Zahlen und der Tatsache, dass der PCF bereits seit der Gründung der EL einer
der treibenden Akteure war, handelt es sich um einen wichtigen Punkt, der es
der Partei erlaubt, alle Kräfte auf dem kontinentalen Schauplatz einsetzen.
Darüber sprechen wir mit Daniel Cirera, dem außenpolitischen Verantwortlichen
des PCF.
Wie hat sich die
parteiinterne Debatte abgespielt ?
„Es hat wochenlang Treffen
und leidenschaftliche Diskussionen gegeben, in denen wir eine neue Frage
behandelt haben und zwar in dem übereinstimmenden Bewusstsein, dass man an der
Schaffung eines neuen europäischen Sozialmodells arbeiten muss. Einem Modell,
das die von der Europäischen Union betriebenen neoliberalen Politiken
grundsätzlich ablehnt. Euch Italienern wird das als eine einfache Sache
erscheinen. Für die historisch mit dem Thema Souveränität verbundene
Französische Kommunistische Partei ist das nicht so klar.“
Wie habt Ihr die
Parteiaktivisten <im
Original: die Militanten>
überzeugt ?
„Ganz einfach, indem wir
erklärt haben, dass die Europäische Linke die Kämpfe und Entscheidungen auf
nationaler Ebene in keiner Weise beschränkt, dass es sich in keiner Weise um
eine Abtretung von Souveränität, sondern um eine Ausweitung des Aktionsfeldes
und damit auch der Souveränität handelt. Außerdem glaube ich, dass dieser Passage
mit der Debatte über die EU-Verfassung zusammenfiel. Der Wochenendausgabe der ‚Humanité’
haben wir den vollständigen Text des Vertrages in einer Form beigelegt, damit
sich die Basis eine eigene Meinung bilden konnte.“
Was sagen Sie zu den französischen
Sozialisten, die in bezug auf die Europäische Verfassung tief gespalten sind ?
„Das was derzeit innerhalb
des PS passiert, ist ein Ereignis. Erinnern wir uns daran, dass wir über eine
Partei reden, die diese europäische Konstruktion von Maastricht bis Saloniki
bislang immer aktiv unterstützt hat. Dem ist allerdings nicht mehr so. Das ist
ein Zeichen dafür, dass sich die politische und kulturelle Klima vollständig
geändert hat. Während 2002 derjenige, der gegen den Stabilitätspakt war als ein
wenig Vertrauen erweckender Antieuropäer betrachtet und fast mit der extremen
Rechten des Front National gleichgesetzt wurde, wird die Idee eines anderen
Europas (anders als das der Märkte, aber auch als das der Nationalstaaten) <nun> als eine konkrete und praktikable Option gesehen. Und
niemand würde es wagen, uns als eine nationalistische Nachhut zu bezeichnen. Es
existiert ein ‚Nein’ zur Verfassung und das ist ein linkes ‚Nein’. Ich beziehe
mich da auch auf die Debatte, die bei den Grünen läuft, wo sehr kritische
Positionen dem Verfassungsvertrag gegenüber auftauchen. Wir wollen alle
diejenigen in einer Front vereinen, die dagegen opponieren, um das
Ratifizierungsreferendum scheitern zu lassen. Die Partisanen des ‚Ja’ haben
eine verdammte Angst zu verlieren und deshalb möchten sie den Zeitpunkt der
Abstimmung vorziehen.“
Seid Ihr immer noch gegen
die gemeinsame Währung ?
„Wir sagen, dass man heute stromaufwärts
intervenieren, die Logik der Zentralbank umkehren, den Stabilitätspakt
abschaffen, die EU aus der Unterordnung unter die Finanzmärkte herausholen und
den Bürgern (den Großen von der Wirtschaft der Gemeinschaft Ausgeschlossenen)
wieder das Wort erteilen muss.“
Und das Verhältnis zu den
Vereinigten Staaten ?
„Mit dem Irak-Krieg hat –
fürchte ich – ein langfristiger Bruch zwischen Europa und den USA
stattgefunden. Solange Amerika diese imperiale und kriegerische Politik
fortsetzt, werden wir gespalten bleiben. Das ist eine Frage der Werte, der
Grundprinzipien.“
<Das
Interview führte:> Daniele Zaccaria
Vorbemerkung, Übersetzung
und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover