Antifa-AG der Uni Hannover:
Das palästinensische
Meinungsforschungsinstitut Center for Policy and Survey Research (PSR) führte
vom 6.-8.Dezember 2005 mit Blick auf die für den 25.Januar 2006 angesetzten
Parlamentswahlen in den besetzten Gebieten eine Umfrage zu den Wahlabsichten
und ihren Hintergründen durch, die der International Middle East Media
Center (www.imemc.org) im folgenden Artikel
vom 13.12.2005 zusammenfasste. Daraus ergibt sich ein deutlicher
Stimmenzuwachs für die reichlich verschlissene Hauptregierungspartei Al-Fatah.
Was im krassen Gegensatz zu den hierzulande verbreiteten Hiobsbotschaften über
einen drohenden Sieg (wenn nicht gar: Erdrutschsieg) der „radikalen Hamas“
(siehe z.B. „Neues Deutschland“ vom 21.12.05) steht. Bei Durchführung der
Umfrage war die tiefe Zerstrittenheit der Fatah (in der sich die, vorsichtig
ausgedrückt, sehr heterogen zusammengesetzte, „junge Generation“ um Marwan
Barghuti und Mohammed Dahlan und die „alte Garde“ von
Autonomiebehörden-Präsident Abbas, Ministerpräsident Kurei und PLO-Chef
Quaddoumi gegenüberstehen) und das innerparteiliche Chaos bereits offenkundig.
Insofern dürfte auch die letztendliche, durch Abbas’ autokratische
Teilannullierung der Fatah-Vorwahlen ausgelöste, Spaltung in zwei
konkurrierende Fatah-Listen zu keinen großen Verschiebungen geführt haben, da
die Imageverluste durch die Anziehungskraft der Wahlliste der „unverbrauchten jungen
Generation“ wieder aufgewogen wird und bereits eine enge Kooperation nach der
Wahl, wenn nicht sogar noch eine Zusammenlegung vor dem Urnengang vereinbart
und der Riss somit weitestgehend gekittet wurde.
Die Umfrage zeigt im Übrigen auch die
Ermüdungserscheinungen der palästinensischen Bevölkerung und das damit
zusammenhängende Nachlassen der Unterstützung für die 2. (die bewaffnete)
Intifada. Stattdessen rücken die soziale Frage (Armut und Arbeitslosigkeit) und
innenpolitische Themen (wie die Korruptionsbekämpfung) in den Vordergrund.
Wahlabsichten bei den anstehenden
Parlamentswahlen: Fatah mit weiteren Zugewinnen
IMEMC & Nachrichtenagenturen,
13.Dezember 2005 (8:01 Uhr)
Eine öffentliche Meinungsumfrage
zu den Wahlabsichten bei den anstehenden Parlamentswahlen, die vom
palästinensischen Center for Policy and Survey Research (PSR) in der
West Bank und im Gaza-Streifen durchgeführt wurde, zeigt, dass die
Fatah-Bewegung weitere Zugewinne macht. Insgesamt wurden vom 6.-8.Dezember
2005 1.316 Erwachsene an 118 zufällig
ausgewählten Orten von Angesicht zu Angesicht befragt. Der von Dr. Khalil
Shikaki (dem Direktor des PSR) beaufsichtigten Umfrage zufolge lauteten die
Resultate:
- Wenn heute Wahlen stattfänden, zeigen die
Befunde, dass 78% der Palästinenser daran teilnehmen würden (verglichen
mit 74% im September 2005). Von denjenigen, die die Absicht haben, an den
anstehenden Parlamentswahlen teilzunehmen, wollen 50% die Fatah wählen, 32%
die Hamas, 9% andere Gruppen und Fraktionen (einschließlich unabhängiger
Kandidaten) und 9% sind weiterhin unentschlossen. Im September erhielt die
Fatah 47% der Stimmen, während Hamas auf 30% und andere Fraktionen auf 11%
kamen. 11% waren unentschlossen. Im Gaza-Streifen stieg das Votum für
Al-Fatah im selben Zeitraum von 47% auf 53%.
- Armut / Erwerbslosigkeit ist in den Augen von
37% der Öffentlichkeit das ernsteste Problem, mit dem die Palästinenser
heute zu kämpfen haben, gefolgt von Korruption und israelischen Besatzungsmaßnahmen
(jeweils 25%) und schließlich innenpolitischer Anarchie und Chaos (12%).
Im September kam das Thema Armut / Erwerbslosigkeit auf 40%, Besatzung und
Korruption jeweils auf 25% und innenpolitische Anarchie auf 8%.
- Von einer Liste mit 8 entscheidenden
Überlegungen für die Stimmabgabe bei den Parlamentswahlen, entfielen auf:
- die Fähigkeit zur Korruptionsbekämpfung 30%,
- den Namen oder die Parteibindung auf der Liste 15%,
- und 4. die Fähigkeit zur Verbesserung der
wirtschaftlichen Bedingungen und zum Erreichen eines Friedensabkommens mit
Israel jeweils 13%,
- die Fähigkeit zur Wahrung der nationalen
Einheit 9%,
- die Fähigkeit zur Durchsetzung von Recht und
Ordnung 8%,
- die Fähigkeit zum Schutz der Flüchtlingsrechte
in Verhandlungen 7% und
- die Fähigkeit zur Gewährleistung der Fortsetzung
der Intifada 4%.
Diese Rangfolge ähnelt
derjenigen der September-Resultate, mit Ausnahme der ersten Überlegung, auf die
vor drei Monaten 24% entfielen.
- In einem detaillierten Vergleich der Fähigkeiten
der verschiedenen Gruppen in Bezug auf 7 der von den Wählern als
entscheidend angesehenen Überlegungen wird die Fatah bei fünfen und die
Hamas bei zweien als am fähigsten betrachtet. Diese Ergebnisse sind ähnlich
den im September erzielten, wobei die Fatah den Abstand zur Hamas zu ihren
Gunsten vergrößern konnte.
Al-Fatah wird als am ehesten
fähig betrachtet, die Wirtschaftslage zu verbessern (hier erhält sie 50%
gegenüber 30% für die Hamas), den Friedensprozess voranzubringen (66% gegenüber
21% für Hamas), die nationale Einheit zu wahren (47% gegenüber 36% für Hamas),
die Flüchtlingsrechte zu wahren (48% gegenüber 36% für Hamas) und Recht und
Ordnung herzustellen (56% gegenüber 31% für Hamas). Hamas wird als am ehesten
fähig betrachtet die Korruption zu bekämpfen (48% gegenüber 36% für Al-Fatah)
und die Fortsetzung der Intifada zu gewährleisten (64% gegenüber 24% für
Al-Fatah).
- Die öffentliche Zufriedenheit mit der
Amtsführung des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud
Abbas, steht bei 62% (verglichen mit 64% im September). Bei dieser
Befragung sagen 34%, dass sie mit Abbas’ Amtsführung nicht zufrieden sind.
- In einer geschlossenen Frage liegt (im Kampf um
den Posten des Präsidenten der Autonomiebehörde zwischen Mahmud Abbas,
Mahmud Zahar <Hamas
Gaza> und Mustafa Barghuti <ehem. KP, jetzt bevorzugter
palästinensischer Politiker der Antiglobalisierungsbewegung>) Abbas mit 41% an erster Stelle, gefolgt von
Zahar mit 21% und Barghuti mit 19%. Diese Ergebnisse ähneln den bei
unserer letzten Umfrage im September 2005 ermittelten.
- In einer weiteren geschlossenen Frage mit einer
Liste von 8 Kandidaten erreicht (im Kampf um das Amt des Vizepräsidenten)
Marwan Barghuti <Fatah
West Bank und links von Abbas angesiedelt> mit 30% die größte Zustimmung, gefolgt von <dem pro-westlichen
Fatah-Warlord aus Gaza> Mohammed
Dahlan mit 14%, Ismail Haniyyah (13%), Mahmud Zahar (11%), Mustafa
Barghuti (8%), <Fatah-„Außenminister“
und -Chefunterhändler> Saeb
Erekat und Faruk Quaddoumi (jeweils 6%) und schließlich Ahmed Kurei (3%).
Die Prozentsätze bei der September-Umfrage waren wie folgt:
24%
für Marwan Barghuti, 9% für Dahlan, 13% für Haniyyah, 14% für Zahar, 9% für
Mustafa Barghuti, 6% für Erekat, 8% für Quaddoumi und 6% für Kurei.
- In einer geschlossenen Frage mit einer Liste von
5 Kandidaten (im Kampf um das Amt des Ministerpräsidenten) liegt Marwan
Barghuti mit 36% an der Spitze, gefolgt von Zahar mit 20%, Mustafa
Barghuti mit 14%, Dahlan mit 11% und Kurei mit 6%. Im September erhielt
Marwan Barghuti 30%, Zahar 22%, Mustafa Barghuti 17%, Dahlan 8% und Kurei
8%.
- In der gesamten Bevölkerung (d.h. denen, die die
Absicht haben an den Wahlen teilzunehmen und denen, die zu Hause bleiben) erreicht
die Unterstützung für Al-Fatah 45% und für Hamas 28%. Im September belief
sich die Unterstützung für die Fatah auf 39% und für Hamas auf 27%. Die
Unterstützung für die Fatah stieg im selben Zeitraum im Gaza-Streifen von
40% auf 49%.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen
Klammern:
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