Antifa-AG der Uni
Hannover:
Im März
2005 steht der 6.Parteitag des 1992 gegründeten Partito della Rifondazione
Comunista (Partei der Kommunistischen Neu/be/gründung – PRC) auf dem Programm.
Wie bereits an anderer Stelle berichtet, zeichnet sich die Linie der
Parteiführung unter Fausto Bertinotti durch einen deutlichen Rechtsschwenk und
die Vorbereitung der Regierungsfähigkeit um jeden Preis aus, nachdem – unter
dem Eindruck intensiver gewerkschaftlicher Mobilisierungen und der aufkommenden
Antiglobalisierungsbewegung – beim letzten Parteitag noch eine Öffnung in
Richtung der außerparlamentarischen Bewegungen propagiert wurde.
Bedauerlicherweise gibt es für diesen Rechtsschwenk eine genügend große
Unterstützung unter den Parteimitgliedern, auch wenn es Ende letzten Jahres
eine sehr erstaunliche und fragwürdige Eintrittswelle gab, die zu gewissen
Verzerrungen führt. Doch angesichts der allgemeinen politischen Depression, den
verlorenen Kämpfen der Vergangenheit und dem eher noch zunehmenden ökonomischen
Druck der „Globalisierung“ steht bei der
überwiegenden Mehrheit der italienischen Linken die illusorische Hoffnung im
Vordergrund, eine Ablösung Berlusconis durch eine neue Mitte-Links-Regierung
unter Romano Prodi würde zu spürbaren Verbesserungen führen.
So lag
die Zustimmung zu Bertinottis Leitantrag am 22.2.2005, nachdem 48.138
von offiziell 97.415 Parteimitgliedern ihre Stimme abgegeben hatten, bei einer Zustimmung
von 59,44%, während die vier oppositionellen Anträge zusammen 40,56% auf sich
vereinigten. Im einzelnen entfielen auf die Oppositionsanträge: 25,75% für den
eher traditionalistischen Flügel um Claudio Grassi, Fausto Sorini und
Alberto Burgio, 6,45% für die linkstrotzkistische „Progetto Comunista“-Strömung
um Marco Ferrando, 6,63% für die italienische Sektion der offiziellen IV.Internationale
(ex-„Bandiera Rossa / jetzt „ERRE“) mit Luigi Malabarba und Salvatore Cannavò
an der Spitze und 1,73% für die kleine, an Ted Grant orientierte trotzkistische
Gruppe um die Zeitung „Falce Martello“ (Claudio Bellotti +Alessandro
Giardiello). Insbesondere für die beiden explizit linken Oppositionsströmungen
(Progetto Comunista + Falce Martello) bedeutet das eine deutliche Schwächung,
da sie auf dem vorletzten Parteitag vor 4 Jahren zusammen noch rund 17% auf
sich vereinigten. Während Grassis Fraktion – verglichen mit dem Ergebnis vor 2
Jahren – ca. 2% zulegt, die „ERRE“-Fraktion stagniert und die Parteiführung unter
Bertinotti 4% hinzugewinnt.
Als
dieses recht deutliche Ergebnis so noch nicht absehbar war, befragte die
linkssozialdemokratische Tageszeitung „l’Unità“ (das ehemalige
Zentralorgan des PCI) Fausto Bertinotti zu den Inhalten seines Leitantrages /
seiner politischen Linie und den Einwänden, die von der parteiinternen
Opposition dagegen erhoben werden. Es ist durchaus kein Zufall, das seine
zentrale Antwort ein Aufguss der von ihm selbst so vehement kritisierten
neoliberalen Losung „Zu dieser Politik gibt es keine Alternative!“ ist. Das
Interview erschien am 9.1.2005.
„Zu dieser Allianz gibt es keine
Alternative!“
ROM – Abgeordneter
Bertinotti, für den Parteitag von Rifondazione wurden 4 alternative Leitanträge
gegen Ihren eingereicht und alle sprechen sich gegen den Beitritt Eurer Partei
zur <Großen Demokratischen> Allianz <GAD> und gegen
den Eintritt in eine mögliche Mitte-Links-Regierung aus. Beunruhigt Sie das
nicht ?
„Aber, im Mittelpunkt des
Parteitages steht die Frage der Regierung. Mit diesem Termin wird die mit der
Entscheidung, Teil der Bewegungen zu werden, vollzogene Wende vollendet. Die
Neubegründung (la rifondazione) eines gemeinsamen Denkens und einer
gemeinsamen Praxis sind der grundlegende Punkt. Wir haben langfristig einen
linken Weg aus der Krise der Arbeiterbewegung heraus verfolgt, der jetzt nicht
zufällig zu einer Akkumulation von Krisenelementen geführt hat, die vom Bruch
mit dem Stalinismus bis zur Entscheidung für die Gewaltfreiheit führen.“
In den parteiinternen
Diskussionen hat jedoch der Beitritt zur Allianz am Ende die Oberhand gewonnen.
„Die grundlegende Krise, die
die Politik in Europa erlebt, die wirkliche und wahrhaftige Zivilisationskrise,
die diese kapitalistische Revolution hervorgerufen hat, wurde in Italien durch
die Existenz der Regierung Berlusconi ausgelöst. Die Frage auf diesem Gebiet
lautet: Wie schafft man es, Berlusconi zu verjagen ? Wenn Sie auf diese Frage
keine Antwort findet, kann eine linke Kraft auch in Rente gehen, weil sie die
Grundfrage nicht aufgreift, die von den Anhängerschaften der Linken gestellt
wird.“
Und wie würde die Antwort
darauf lauten ?
„Eine Regierungsalternative
zu schaffen, selbstverständlich.“
Der
PRC-Fraktionsvorsitzende im Senat, <der ehemalige Mailänder Alfa
Romeo-Arbeiter und Cobas-Kader>
Luigi Malabarba, behauptet als Erstunterzeichner des Leitantrages Nr.4 <= italienische Sektion der
4.Internationale>, dass das
jedenfalls keine Regierungsalternative sei und sich Rifondazione Comunista
deshalb auch nicht daran beteiligen sollte.
„Die Bildung der
Demokratischen Allianz <GAD> kann nicht verhindert werden, wenn man keine
tiefgreifende Krise bezüglich des Wunsches auslösen will, der von der gesamten
Anhängerschaft der Linken geäußert wird. Die Einwände scheinen mir die Frucht
eines Widerstandes zu sein, der jedoch keine politische Alternative vorschlägt,
außer der, die besagt, dass man in dieser Phase der kapitalistischen
Entwicklung nicht in die Regierung gehen darf.“
In Ihrer Partei gibt es <auch> welche, die vorschlagen, mit der Mitte-Linken keine
programmatische und Regierungsallianz einzugehen, sondern einen wahlpolitischen
Pakt mit anschließender Unterstützung <einer Mitte-Links-Regierung> von außen.
„Und was wäre das Ergebnis ?
Berlusconi zu schlagen und dann nicht die Bedingungen zu schaffen, damit es
eine Alternative im Lande gibt, um zu regieren ? Das maximale Bestreben dieser
Position wäre es, dafür zu sorgen, dass Rifondazione Comunista bei der
Schaffung der Alternative einflusslos und nicht entscheidend wäre. Weshalb man
dabei ohne sie auskommen könnte. Zum Glück sind wir jedoch entscheidend, wie
die Zahlen belegen.“
Das ist ein die Stimmen
(d.h. die Wahlen) und nicht notwendigerweise die Regierung betreffender
Diskurs.
„Was auch immer die Stellung
ist, die Rifondazione Comunista bezüglich der Regierung beschließt, wenn sie
sich entscheidet zur Alternative zu Berlusconi beizutragen, muss sie wissen,
dass ihre Stimmen entscheidend sind. Nun, dass sie innerhalb oder außerhalb der
Regierung entscheidend sind, ist für den normalen Bürger irrelevant. Wir sagen,
dass es eine einzige Sache nicht gibt: den Abstand <la desistenza /Anm.1>. Das ist heute nicht praktikabel und deshalb muss
man daran arbeiten, ein gemeinsames Programm zu schaffen.“
Sehen Sie beim
gegenwärtigen Stand, auch angesichts der von Rutelli <dem führenden Vertreter des
liberal-christdemokratischen Flügels der Mitte-Linken, d.h. der „Margerite“> gemachten Vorschläge Spielräume für die
Verwirklichung eines von Allen geteilten Programms ?
„Das von Allen geteilte
Programm ist, wie ein großer Revolutionär sagte, kein Galadiner. Es ist ein
politischer und sozialer Kampf. Es ist ein politischer Prozess, in dem es
Konsens gibt und Konflikt. Was bereits jetzt sicher ist, ist dass man, um es zu
schaffen, die Tendenzen in Richtung Neue Mitte besiegen muss, die es in der
Koalition gibt.“
Bereiten die Ihnen Sorgen
?
„Mir bereiten diejenigen
Sorgen, die glauben, dass man die Prekarität bekämpfen kann (was ein Ziel der
demokratischen Regierungskoalition sein muss), ohne das Gesetz Nr. 30 /2003,
das Bossi-Fini-Gesetz <zur
Einwanderung> und das Moratti-Gesetz <zur Bildungs“reform“> rückgängig zu machen.“
Malabarba zufolge wird,
wenn Leben in die programmatische Diskussion kommt, auch die Kluft ans Licht
kommen, die Euch von der Mitte-Linken trennt und Sie werden gezwungen sein, vom
Regierungsabkommen zum wahlpolitischen Pakt umzuschwenken.
„Wir bereiten derzeit einen
Parteitag vor, in dem diese Passage klar umrissen ist. Im Dokument der Mehrheit
schlagen wir vor, dass Rifondazione Comunista, wenn sich die Demokratische
Allianz als Alternative zu Berlusconi bildet und das gemeinsame Programm
verfasst, in vollem Umfang Teil der Regierungsformation sein muss. Das sind die
beiden vorgesehenen Passagen.“
Denken Sie, dass es
gelingen wird, die Partei in diesem Prozess bis zum Ende zu führen, auch wenn
Sie auf dem Parteitag keine breite Zustimmung bekommen werden ?
„Ich möchte, dass klar ist,
dass der Parteitag mit 51% entscheidet. Das ist seine Befugnis. Sonst nimmt man
dem Votum der Parteimitglieder die Legitimität und den Wert. Sicherzustellen,
dass die Mehrheit ihre Linie umsetzt, ist ein Element notwendiger
Verantwortung, um dem Votum jedes Mitgliedes Würde zu verleihen.“
Auf der letzten Sitzung
des Nationalen Politischen Komitees <des höchsten Gremiums zwischen den Parteitagen> hat die Linie der Mehrheit ca. 56% der Stimmen
erhalten. Ist es möglich, dass Sie ein Abkommen mit Teilen der Minderheit
suchen werden, die weniger weit entfernt sind, um zu versuchen, den Prozess
voranzubringen ?
„Ich bin kein Sekretär von
Synthesen <im Sinne
von: Zusammenfassungen>. Synthesen
sind eine Kategorie, die nicht zu meinem Repertoir gehören. Eine Partei ist,
wie jeder demokratische Organismus, besser, wenn es ihr gelingt, bei einer
Entscheidung so übereinstimmend und einheitlich wie möglich zu sein. In jedem
Fall gilt aber die Demokratie. Entscheidungen werden klar und deutlich gefällt
und praktiziert und der Überprüfung durch den Parteitag unterzogen, der sagen
wird, ob die entworfene Linie die <notwendige>
Zustimmung besitzt oder nicht. Wenn man aber die 50% übertrifft, bedeutet das,
dass sie die Zustimmung besitzt – Punkt. Dann führt man die Partei und verfolgt
diese Linie weiter.“
Läuft die Bildung der
Allianz nicht Gefahr, die Schaffung eines linksalternativen Zusammenschlusses
hinauszuschieben, von der Ihr sagt, dass sie Euer Ziel ist ?
„Durchaus nicht. Die beiden Dinge hängen sogar
zusammen, weil der Punkt immer die Ausarbeitung eines Alternativprogramms ist.
Und um die programmatische Achse dieser Koalition nach links zu rücken, um sie
in Richtung der Transformation zu rücken, bedarf es einer politischen
Subjektivität mit der notwendigen Stärke, um diese Operation zu vollziehen. Und
Rifondazione Comunista denkt, dass sie das zusammen mit Anderen erreichen kann,
da in den letzten Jahren politische, soziale und kulturelle Kräfte sowie aus
Bewegungen und Verbänden bestehende Kräfte daran gegangen sind, eine bedeutende
Fähigkeit zur Konvergenz in bezug auf Programme und Ziele herauszubilden und
das sogar jenseits von Parteizugehörigkeiten.“
Bereiten Ihnen die
Schwierigkeiten Sorgen, auf die Prodi bei seiner Rückkehr nach Italien
getroffen ist und zwar gerade angesichts der Tatsache, dass seine Operation auf
eine von ihm geführte Allianz aufbaute ?
„Dies ist der Aufbauprozess
einer Koalition und in diesem Prozess gibt es selbstverständlich – unabhängig
von den Vorwahlen – die anerkannte Rolle von Prodi.“
Was bedeutet das ? Ist
Prodi, Ihrer Ansicht nach, der Führer der Allianz ?
„Ja, aber wenn Vorwahlen
abgehalten werden, kandidiere ich und es ist selbstverständlich, dass ich mir
vornehmen werde, so viele Stimmen wie möglich zu bekommen.“
In Ihrer Partei gibt es
auch jene, die Ihre Kandidatur nicht so gerne sehen. Der Erstunterzeichner des
Leitantrages Nr.2, Claudio Grassi, lässt wissen, dass die Vorwahlen dem
Mehrheitswahlrecht eigen seien und die Personalisierung der Politik förderten,
also nicht das eigentliche Terrain von Rifondazione Comunista sind.
„Ist es vielleicht so, dass
wir, weil wir Anhänger des Verhältniswahlrechts sind, bei Wahlen, die mit
Mehrheitswahlrecht abgehalten werden, nicht teilnehmen ? Wäre es nach uns
gegangen, hätte es die Vorwahlen nicht gegeben. In dem Augenblick aber, in dem
sie vorgeschlagen wurden, werden sie zu einem Terrain der politischen Aktion,
wobei sie auch nützliche Elemente darstellen können, um eine ansonsten
unmögliche Beteiligung zu garantieren, wie der Fall Apulien zeigt <Anm.2>. Ich denke, dass es richtig ist, diesen Weg auch bei
den programmatischen Themen weiterzuverfolgen, weil die Idee, dass diese
Allianz aus der Demokratie eines der allgemeinen Inspirationselemente für ihr
Verhalten macht, zu einer großen Gelegenheit werden kann.“
Anmerkung
1:
Mit Abstandsabkommen
bzw. „la desistenza“ sind hier die wahltaktischen Fernbleibe-Abkommen
früherer Wahlen gemeint, bei denen Rifondazione und der Rest der Mitte-Linken
in bestimmten Wahlkreisen wechselseitig darauf verzichteten Direktkandidaten
aufzustellen, um – angesichts des bei der Direktwahl von Abgeordneten
herrschenden Mehrheitswahlrechtes – ihre Chancen zu erhöhen bzw. sich nicht
gegenseitig zu behindern und dadurch einem Berlusconi-Kandidaten die Wahl zu
ermöglichen.
Anmerkung
2:
Bei den Vorwahlen
um den Spitzenkandidaten der Mitte-Linken bei den im April 2005 stattfindenden
Regionalwahlen in Apulien (Süditalien) siegte am 16.Januar 2005
überraschend der Kandidat von Rifondazione Comunista, Nichi Vendola, mit
40.358 Stimmen (50,9%) gegen den Vertreter der liberalen und
linkschristdemokratischen Formation Margerite, Francesco Boccia (38.676
Stimmen = 49,1%). Dies brachte Bertinotti parteiintern zunächst allerdings eher
noch stärker unter Druck, weil es zeigt (und auch so verstanden wurde), dass
bei einer selbstbewussteren, offensiveren und eigenständigeren Politik durchaus
nicht in jedem Fall das Verkümmern in der völligen Isolation drohen müsste. Was
eine tatsächlich „antagonistische“ linke Politik anbelangt gelten allerdings
weiterhin die im Vorspann angesprochenen Einschränkungen, die sich aus dem
gegenwärtigen Massenbewusstsein ergeben (Trend zum Delegieren, Illusion in eine
Wahl Prodis anstelle Berlusconis etc.).
Vorbemerkung,
Übersetzung, Anmerkungen und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover