Antifa-AG
der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Am
letzten Juni-Wochenende trafen sich in Paris die führenden Vertreter der
europäischen Alternativglobalisierungsbewegung (wie sie sich neuerdings nennt),
um über die Situation nach der Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und
Holland und dem gescheiterten EU-Gipfel von Brüssel zu beraten. Ergebnis war im
wesentlichen sich selbst als „alternative“ Verfassungsautoren zu versuchen,
wobei der kapitalistische und imperialistische Charakter des zu schaffenden
europäischen Superstaates nicht in Frage gestellt wurde. Da über diese
Konferenz und diesen (mehr als zweifelhaften) Versuch unseres Wissens in den
deutschsprachigen Medien nichts berichtet wurde, hier die Übersetzung des
entsprechenden Artikels aus der ARCI-Wochenzeitung „arcireport“ Nr. 25 vom
28.6.2005. Die 1957 von der italienischen KP gegründete linke
Kulturdachorganisation hat sich in den 80er Jahren vom PCI-Einfluss befreit,
ist mit ihren 1,1 Millionen Mitgliedern, die in 5.800 Gruppen organisiert sind,
allerdings noch immer eine Massenorganisation, nun aber parteiunabhängig und
stark in der No global-Bewegung engagiert. (Website: www.arci.it)
Aus Paris der Vorschlag einer Charta
der sozialen und demokratischen Rechte des anderen Europas
Die Europäische Konferenz
von Paris (am 24./25 Juni 2005) war eine wirklich engagierte Versammlung:
Analyse des Neins zum Verfassungsvertrag, Einschätzung des Europäischen
Rates, der in Brüssel die ‚Denkpause’ über den Ratifizierungsprozess
beschlossen hat anstatt den politischen Tod des Vertrages zur Kenntnis
zu nehmen sowie Mobilisierungstermine und Verabredungen, um das andere Europa
zu entwerfen. An diesem Prozess nehmen auch diejenigen teil, die zum Vertrag
eine kritische Einschätzung abgegeben haben, ein ‚kritisches ja’, wie man es
genannt hat – auf Grundlage des Urteils, das sie mit denjenigen gemein haben,
die das ‚Nein’ unterstützt haben, dass man die Entscheidungen über die Rechte
und die Verfassungsordnungen der EU nicht den Regierungen überlassen kann und
darf.
In Paris waren
Vereinigungen, Gewerkschaften, Parteien und Parlamentarier (GUE, PCF, RC, Grüne
und Sozialisten), französische und holländische Kollektive des Nein und
Bewegungen vertreten. Das alles bereichert die Subjekte des Europäischen
Sozialforums, die von allen als Bezugsrahmen genommen werden, und machen
sie noch vielfältiger. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass das Forum
einen öffentlichen Raum darstellt, in dem der volkstümliche, linke Europäismus
wächst.
Es war eine sehr
verantwortungsbewusste Versammlung: Ohne Arroganz, aber im Bewusstsein der
historischen Wende, die bei der Schaffung Europas stattfinden kann, hat sich
die Debatte auf das Niveau der Herausforderung begeben. Die Regierungen haben
sich eingebildet die konstituierende / Verfassungsgewalt auszuüben und die
Bürger(innen) haben sie durch ihr Votum bei den Referenden delegitimiert.
Es liegt an uns allen, uns
dafür zu engagieren, neue Wege zu eröffnen, um ein pazifistisches Europa zu
schaffen, das Garant der Grundrechte für Alle auf der Grundlage der
Residenzbürgerschaft <also
der vollen staatsbürgerlichen Rechte dort wo man wohnt>, die somit die Migrant(inn)en einschließt, und eine
Demokratie auf vielen Ebenen ist, in der sich jede Person an den kollektiven
Entscheidungen beteiligen kann.
Die
Verfassungsherausforderung wurde akzeptiert, wie eindeutig aus dem
abschließenden Appell hervorgeht, in dem die Verpflichtung erläutert wird (mit
Hilfe eines öffentlichen, einbeziehenden Prozesses) ein Manifest oder
eine Charta der sozialen und demokratischen Rechte des anderen Europas zu
definieren. Das ist ein Ziel, an dem im Europäischen Sozialforum seit Jahren
gearbeitet wird und nun zeichnet sich ein Weg ab, um sie zusammen mit den
anti-wirtschaftsliberalen / Anti-Freihandels-Bewegungen zu verfassen. Die
Ausarbeitung darf nicht in den geschlossenen Räumen der Akademie geschehen,
sondern unter Einbeziehung der sozialen, gewerkschaftlichen, politischen und in
Vereinigungen und Verbänden organisierten Kräfte, die die Notwendigkeit eines
verfassungsgebenden Prozesses von unten anerkennen, der in der Lage ist, auch
die nationalen und europäischen repräsentativen Institutionen einzubeziehen.
Das ist es, was sich als auf vielen Ebenen stattfindender Verfassungsprozess
bezeichnet, weil er in einer Auseinandersetzung zwischen sozialen, politischen
und institutionellen Subjekten stattfindet.
Auch der Weg ist abgesteckt:
Am 23.September 2005 in Istanbul ein Treffen, um die in Paris begonnene
Auseinandersetzung fortzusetzen. Am 12. und 13.November 2005 eine
internationale Versammlung in Rom (oder in Florenz), um mit Hilfe von
thematischen Arbeitsgruppen die Grundprinzipien der Europäischen Charta der
sozialen und demokratischen Rechte auf den Punkt zu bringen, die auf einer
Versammlung in Athen im Rahmen des Europäischen Sozialforums im April
2006 zu diskutieren und zu ratifizieren ist.
Info: fs.russo@tiscali.it
(Hervorhebungen
wie im Original !)
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover