Gewerkschaftsforum Hannover:
Auslöser der Regierungskrise in Italien und Grund
für den zwischenzeitlichen Rücktritt von Ministerpräsident Romano Prodi am 21.Februar 2007 war ohne Frage die Tatsache,
dass die beiden „dissidenten“ kommunistischen
Senatoren Fernando Rossi (ex-PdCI) und Franco
Turigliatto (ex-Rifondazione
Comunista PRC) seiner außenpolitischen Beschlussvorlage
die Stimme verweigerten, d.h. die Fortsetzung der Kriegs- und Kolonialpolitik,
die massive Aufrüstung, die Unterstützung des US-Militärs etc. de facto ablehnten.
Da dies – aus anderen Gründen – auch bürgerliche Senatoren wie der siebenmalige
christdemokratische Regierungschef Andreotti und der Großkapitalist Pininfarina
taten, kam die als Demonstration der Stärke angestrebte absolute Mehrheit im
Senat nicht zustande. Stimulus für Rossi und Turigliatto
diesmal konsequent zu bleiben, war allerdings die Großdemonstration
gegen den Ausbau der US-Basis in Vicenza vier Tage
zuvor. Insofern spielt die Anti-Kriegs-Bewegung und
insbesondere ihr radikaler, regierungskritischer Teil für die politische Entwicklung
eine wichtige Rolle. Nach dem führenden Disobbediente
(Ungehorsamen) Luca Casarini brachte die linke
Tageszeitung „il manifesto“ am 3.3.2007
daher auch ein Interview mit dem Sprecher der linken Basisgewerkschaft Confederazione COBAS (www.cobas.it)
, Piero Bernocchi, zum Thema. Die Confederazione COBAS zählt zwar nur 6.000 Mitglieder,
verfügt aber in den Schulen, im Gesundheitswesen und einzelnen Betrieben über
eine beachtliche Verankerung, wie die jeweiligen RSU-Wahlen
(„Betriebsratswahlen“) belegen.
Zur Person: Piero Bernocchi
(geboren am 13.9.1947 in Foligno / Umbrien) lebt
in Rom, ist Lehrer und nationaler Sprecher der linken Basisgewerkschaft Confederazione Cobas. Piero Bernocchi hat eine lange Vergangenheit in der radikalen
Linken, zu deren prominentesten Vertretern er gehört. Er spielte, zunächst der
4.Internationale nahe stehend, in der 68er Bewegung und dann in der Autonomia-Bewegung von 1977 eine wichtige Rolle. Von 1979 –
85 war er Direktor des linken Radiosenders „Radio Città
Futura“ (Radio Stadt der Zukunft) und ist Autor mehrerer Bücher über
politische und gewerkschaftliche Themen und insbesondere über die Entwicklung
der radikalen Linken. Seit ihren Anfängen 1999 zählt er zu den wichtigsten Aktivisten der italienischen
Anti-Kriegs- und Anti-Globalisierungsbewegung sowie des Europäischen
Sozialforums (ESF).
Es spricht der Leader der COBAS; Piero Bernocchi: Sie wollen uns den Mund stopfen, <aber> wir
werden am 17.März in Rom auf die Straße gehen
„Es ist Zeit, dass sich die Anti-Kriegs-Aktivisten gegen die
Regierung zusammenschließen!“
Der Leader
der COBAS, Piero Bernocchi, greift den Appell von
Luca Casarini zugunsten eines Neubeginns der Anti-Kriegs-Bewegung
auf und setzt bei einer neuen Absichtserklärung an. „Ich stimme ihm zu wenn
er sagt, dass wir vor dem Ende einer Phase der Anti-Kriegs-Bewegung stehen. In
Wahrheit hat das Ende vielleicht sogar schon stattgefunden, weil mittlerweile
zwei Seelen in einer Brust wohnten: diejenigen, die bereit sind, den Krieg zu unterstützen,
wenn er denn partnerschaftlich ausgehandelt wurde (wie der Tavola
della Pace / Friedenstisch
und die <linke
Kulturdachorganisation> ARCI) und diejenigen, die den Krieg nicht akzeptieren, egal ob er
unilateral oder multilateral ist.“
Dieser
Bruch wurde durch die Regierung Prodi deutlicher.
„Ja, weil
klar ist, dass diese Regierung diese Passage in dem Sinne gestaltet, dass sie
den Krieg nicht nur partnerschaftlich mit den USA aushandelt, sondern auch
versucht zu agieren und sich zu ihrer Rolle als sechststärkste
Macht der Welt bei Einsätzen in Kriegsgebieten bekennt. Was dann bedeutet, den
Versuch zu unternehmen den Wiederaufbau, d.h. die wirtschaftliche Seite des
Krieges zu bestimmen. Das ist die Linie von <Linksdemokraten (DS)-Außenminister> D’Alema. Dieselbe, die er
bereits 1998 hatte. Nicht er hat sich geändert, sondern ARCI und der Tavola della Pace.“
Wie
ordnest Du die Frage Vicenza und genereller
betrachtet die Bewegungen in diese Phase ein?
„Ich bin
sehr erstaunt über die viel zu große Last, die Casarini
den örtlichen Gemeinden aufbürdet. Vicenza war sehr
wichtig, auch weil es die Regierung demaskiert und gezwungen hat mit diesem
inhaltsleeren Geschwafel der radikalen Linken Schluss zu machen, die in
Wirklichkeit überhaupt nichts Radikales an sich hat und die so tat als würde
sie die Bewegungen repräsentieren. In Vicenza haben
wir gesehen, dass Rifondazione, Grüne (Verdi) und PdCI die Bewegungen nicht repräsentieren, die stattdessen
ihre eigene Dynamik besitzen und niemanden delegiert haben. Prodis
12-Punkte-Katalog ist im Übrigen eine eindeutige Antwort an die Bewegungen,
indem er die von D’Alema verfolgte Linie übernimmt,
d.h. verspricht sie sich zur Brust zu nehmen. Weil klar ist, dass man, wenn man
sagt: ‚Wir bauen die Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke TAV <von Turin nach Lyon> und wir bauen die neue Basis in Vicenza!’ man eine drastische Entscheidung trifft. Der
Dialog wird beendet. Deshalb glaube ich, dass wir den Bewegungen und den
örtlichen Gemeinden nicht die Aufgabe übertragen können viel komplexere
Probleme, wie den Krieg, zu lösen.“
Ihr
werdet am 17.März 2007 gegen den Krieg auf die Straße gehen.
„Die
Mobilisierung als Begleiterscheinung der Diskussion über die Weiterfinanzierung
der Mission in Afghanistan ist Teil des weltweiten Aktionstages, der auf dem
Weltsozialforum in Nairobi beschlossen wurde. Augrund dieses Beschlusses werden
viele auf die Straße gehen. Ich appelliere in diesem Zusammenhang an die Centri sociali <d.h. an die besetzten und selbst organisierten
Sozialen Zentren>
Nordostitaliens, sich zu beteiligen, dabei zu sein. Um ein politisches Zeichen
zu setzen. Wir sollten nicht dem Syndrom der 200.000 erliegen. Wir werden so
viele sein wie wir sind. Das Wichtige ist eine klare Botschaft an die Regierung
zu senden, die lautet: ‚Da machen wir nicht mit!’“
Prodi 1 und Prodi 2, welche
Unterschiede gibt es?
“Der einzige Unterschied liegt in der Klarheit. Die nicht verhandelbaren 12
Punkte sind diejenigen, die Prodi von Anfang an
verwirklichen wollte. Jetzt drückt er sie durch. Und man möchte den Bewegungen,
die zur Geisel der Regierung werden sollen, auch den Mund stopfen. Es hat in
den letzten Tagen wirklich ‚linke’ / ‚sinistre’
Erklärungen gegeben und das nicht nur gegen die Senatoren Rossi und Turigliatto, sondern auch gegen die Bewegungen. Unsere
Antwort ist klar: Wir sind nicht bereit zu akzeptieren. Was gibt es da an
Neuem, an <der viel beschworenen> Gewaltfreiheit? Wer sich wehrt,
wird massakriert.“
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Gewerkschaftsforum Hannover