Gewerkschaftsforum Hannover:
Was liegt näher als die Positionen und Differenzen
dieser beiden Bestandteile der CGIL nicht nur anhand allgemeiner Stellungnahmen
zu verdeutlichen, sondern auch in einer ganz konkreten Tagesfrage, wie der
Organisation und dem Charakter der landesweiten Großdemonstration gegen die Prekarität am 4.November 2006 in Rom (real 15. – 20.000
Teilnehmer). Nach einem Interview mit Gianni Rinaldini
bringen wir daher hier die Übersetzung eines Gespräches, das die unabhängige
linke Tageszeitung “il manifesto”
mit dem Koordinator von Lavoro e Società, Nicola Nicolosi,
führte. Es erschien am 31.10.2006. Die “Trilogie” vervollständigen
wird dann in einigen Tagen ein Interview mit Giorgio Cremaschi,
in dem er sich nach der Demonstration mit den weiterhin scharfen Attacken der
rechten CGIL-Führung gegen diese Aktion auseinandersetzt. Hier jedoch zunächst
der Kollege Nicola Nicolosi.
“‘Stoppt die Prekarität‘ wird eine schöne Demo.
Die Anhänger der CGIL werden auf die Straße gehen.”
Nicolosi (CGIL Lavoro e Società): Wir stehen zusammen, um die Bewegung in der Ära der Mitte-Links-Union wieder aufzubauen. So wie es in Genua der Fall war.
Drei
Sonderzüge, Dutzende Reisebusse, eine Fähre von Sardinien und viele Autos. In
ganz Italien lässt das Volk, das Nein zur Prekarität
sagt, die Motoren warmlaufen, um an der Manifestation am 4.November
teilzunehmen. “Stoppt die Prekarität jetzt!” könnte den Neuaufschwung der
Bewegung kennzeichnen. Mit Blick auf die für den 18. November vorgesehene
Friedensdemonstration. Die Spaltungen innerhalb der CGIL und die gegen die Demo
verhängten Bannflüche scheinen einen sehr großen Teil von Arbeitern und
Funktionären, die beschlossen haben ihre Teilnahme trotz des Sturms, der auf
die Veröffentlichung der Cobas-Anzeige <in der die CGIL kritisiert und der Rücktritt von
DS-Arbeitsminister Damiano gefordert wurde> zu bestätigen, nicht abzuhalten.
Die Mobilisierung ist weit verzweigt (es genügt, sich die unten veröffentlichte
Liste anzuschauen) und beginnt bei den Kammern der Arbeit <den CGIL-Ortskartellen von Brescia, Pescara, Cosenza, Imperia und Reggio Emilia>.
Bekräftigt
wird allerdings auch das Engagement zweier großer Teile der CGIL, d.h. der
Bereiche, die die “beiden Minderheiten” hätten seien können <wenn sie eigene Leitanträge vorgelegt hätten>, die aber beim letzten Kongress
beschlossen, für das Einheitsdokument zu stimmen <und nur Änderungsanträge zu einzelnen Thesen einzureichen>: Lavoro
e Società und der Bereich, der sich um die Thesen
von Gianni Rinaldini sammelte, ohne in Rechnung zu
stellen, dass die FIOM als Organisation den 4. November unterstützt. Dabei ist
auch das Rete 28 Aprile von Giorgio Cremaschi. Über die Zukunft der Bewegung und die
Entscheidungen der CGIL sprachen wir mit dem Führer von Lavoro
e Società, Nicola Nicolosi.
Wie
bereitet Ihr Euch auf den 4. November vor?
“Wir
bereiten uns mit großem Enthusiasmus vor. Es werden Arbeiter aus ganz Italien
kommen. Einige kommen auf eigene Kosten nach Rom. Ich denke, dass es eine
große, farbige und friedliche Demonstration werden wird. Und man muss auf ein ‚Paradox‘
hinweisen: Der Zwischenfall mit den Cobas hat dem
Event eine große Publicity verschafft. Auch wenn es uns selbstverständlich
missfällt, dass einige Teile der CGIL ausgestiegen sind. Der Wert, den wir zu
schaffen versucht haben, indem wir einen Großteil der CGIL auf die Straße
bringen, lag gerade darin die Bewegung der Phase nach Genua und Porto Alegre neu aufleben zu lassen. An Genua hatte sich die CGIL
als Organisation nicht beteiligt. Es war allerdings die Basis der CGIL, die
demonstrierte. Jetzt sind einige Genossen ausgestiegen. Mit der FP, der FLC und
der FIOM arbeiten wir aber dennoch weiter daran, dass die CGIL nach dem 4. zur
Organisatorin einer großen Initiative gegen die Prekarität
wird. Die der CISL und UIL <als den
beiden kleineren und rechteren Gewerkschaftsbünden> vorgeschlagen wird. Das versteht
sich von selbst. Falls allerdings keine gemeinsame Plattform erreicht wird,
glaube ich, dass wir allein loslegen sollten.”
Aber
läuft der Bruch in Sachen 4.November nicht Gefahr Eure Front zu schwächen?
Geben wir ein Beispiel: Zusammen mit der FIOM und dem Rete
28 Aprile habt Ihr das Problem der gemeinsamen Erklärung bezüglich der Call Center aufgeworfen, die den Schlußfolgerungen
des Gewerkschaftskongresses ganz offensichtlich widerspricht. Werden in der
CGIL jetzt die “moderaten” Komponenten stärker?
“Die CGIL
kann nicht hinter das zurückgehen, was der Kongress beschlossen hat und auch
nicht meinen, sie könne die Umsetzung dieser Beschlüsse verhindern. In den
letzten Jahren haben wir eine Opposition zur Mitte-Rechts-Regierung nicht auf
abstrakten, identitären Positionen aufgebaut, sondern
auf der Basis konkreter Themen, wie der Umverteilung des Einkommens und dem
Kampf gegen die Prekarität. Die Prekarität
untergräbt die Grundlage der Demokratie, weil sie Beschäftigte mit unterschiedlichen
Rechten schafft und somit unterschiedliche Bürger. Aber sie unterminiert auch
die Gewerkschaft und die Solidarität, die ihr zugrunde liegt. Die Stärke, über
die wir heute verfügen, rührt von jenen Gesetzentwürfen her, die 5 Millionen
Menschen unterzeichnet haben, von der Mobilisierung zur Verteidigung des <Kündigungsschutz-> Artikels 18 und von den (das
sollten wir nicht vergessen: gemeinsamen) Schlussfolgerungen des letzten
Kongresses. Dort wurde festgeschrieben, dass die CGIL dafür ist die Arbeit
wieder zu vereinigen und zwar ausgehend von der Beseitigung der
Scheinselbständigkeit, um einen einzigen Arbeitsvertrag für abhängig
Beschäftigte durchzusetzen. Die gemeinsame Erklärung über die Call Center legt fest, dass es (auf der Grundlage von rechtsverdreherischen
Unterscheidungen) zwischen denjenigen, die Telefonanrufe tätigen und denen, die
sie entgegen nehmen, geringere Garantien für die Beschäftigten geben kann. Wir
werden den Rückzug der Unterschrift fordern und eine Neuformulierung der Erklärung.
Was dieses Thema anbelangt werden wir (genau wie bei anderen, die sich auf die
Kongressdokumente berufen, welche für alle bindend sind) mit jenen Teilen der
CGIL zusammenarbeiten, die über eine ähnliche Sensibilität verfügen wie wir.”
Ihr werdet
trotz der von der CGIL-Spitze ausgesprochenen “Verurteilung” am 4. auf
die Straße gehen?
“Es handelt
sich nicht um eine Verurteilung. Es gab eine deutliche Stellungnahme bezüglich
der von den Cobas in der Anzeige geäußerten
Vorstellungen. Bestimmte Sprachen zu benutzen, die den gewalttätigen Ausdruck
in Erinnerung rufen <= Anspielung auf
die 70er Jahre> oder
schlimmer noch eine einzelne Person mit diesen Begriffen zu attackieren, wie
man es beim Minister Damiano tut, ist falsch und
provokatorisch. Andererseits glaube ich, dass es ein politischer Fehler war,
auszusteigen und sich somit die Agenda von denjenigen diktieren zu lassen, die
diese Sprache an der Grenze der Korrektheit als Waffe der politischen
Propaganda und der persönlichen Beleidigung benutzen. Aber ich wiederhole: Wir
dürfen uns die Agenda nicht von diesen Zwischenfällen diktieren lassen. Die
Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung in Bezug auf das Thema Prekarität genauso wie auf das Thema Frieden (am
18.November) wieder aufzubauen, ist zu wichtig. Umso mehr als es heute eine
Mitte-Links-Regierung gibt. Wenn wir von der Gesellschaft aus keinen Druck
ausüben, dürfen wir nicht glauben, dass die fortgeschrittensten Synthesen in
der politischen Mehrheit und in der Exekutive Raum haben. Das heißt jener
Richtungsschwenk in Sachen Arbeit, Ökonomie und Frieden, den sich alle
wünschen.”
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: