Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Das
nächste Europäische Sozialforum (ESF) soll im Frühjahr 2006 in Athen
stattfinden. Diese Entscheidung war nicht unumstritten. Insbesondere die
britische SWP und ihre Ableger wie Linksruck in Deutschland und Linkswende in
Österreich leisteten hartnäckigen Widerstand. Auch angesichts der zum Teil
skandalösen Verhaltensweisen des von der SWP und Socialist Action (der gut
bezahlten Hilfstruppe des Londoner New Labour-Bürgermeisters Ken Livingstone)
kontrollierten Organisationskomitees beim Londoner ESF, Grund genug die
griechische Sozialforumsbewegung näher zu betrachten. Die in Großbritannien
wegen ihrer kritischen und differenzierten Berichterstattung
strömungsübergreifend geschätzte linke Wochenzeitung „Weekly Worker“
(Herausgeber: CPGB – Website: www.cpgb.org.uk/worker/2004)
widmete diesem Thema in der Nr. 549 vom 21.10.2004 einen eigenen
Artikel.
Nächster Stopp: Athen 2006
Das 4.Europäische
Sozialforum wird im März oder April 2006 in Athen stattfinden, ungeachtet der
tiefen Spaltung der Linken in Griechenland. Die abschließende Europäische
Versammlung, die sich am 14.Oktober vor Beginn des Londoner ESF traf, war der
Ansicht, dass das Abhalten des Forums in Griechenland dabei helfen könnte, die
Linke <dort> zu einen.
Der Beschluss wurde erst
nach einer quälenden dreistündigen Debatte gefällt, in der die Genossen der
Socialist Workers Party (SWP) – vergeblich – versuchten, das Treffen davon zu
überzeugen, keine endgültige Entscheidung zu treffen. Sie insistierten darauf,
dass die „griechischen Genossen untereinander darüber sprechen“ und zuerst ihre
Probleme beheben „sollten“, bevor wir beschließen, dass das ESF dort
stattfindet. Während dies vermittelnd klingen sollte, hatte die SWP tatsächlich
sehr sektiererische Gründe.
Um den Konflikt zu
verstehen, ist es notwendig, einen genaueren Blick auf die Linke in
Griechenland zu werfen, die in dreierlei Hinsicht ziemlich tief gespalten ist.
Kurz vor dem ersten ESF in Florenz wurden drei rivalisierende ‚Komitees’ ins
Leben gerufen und jedes von ihnen erhob den Anspruch, dass ihm die Aufgabe
übertragen werden sollte, den griechischen Beitrag zum ESF zu organisieren.
Erstens ist da das Greek Social Forum (GSF), das von
der linksreformistischen Partei Synaspismos dominiert wird (die bei den
Parlamentswahlen 2004 3,25% der Stimmen erhielt). 2002 war der Allgemeine
Gewerkschaftsbund der griechischen Arbeiter (GSEE) noch sehr stark in das GSF
involviert. Ich war allerdings nicht in der Lage zu bestätigen, dass dies noch
immer noch so ist. Weitere rund 100 kleinere reformistische Organisationen
(zumeist trotzkistische Gruppen) und eine Anzahl von
Nicht-Regierungsorganisationen (NGO’s) sind Teil dieses ersten Blocks.
Zweitens ist da die Kommunistische Partei Griechenlands
(KKE), die bei den Europawahlen eindrucksvolle 9,5% in ganz Griechenland
erreichte (nach 5,9% bei den Parlamentswahlen, die <ebenfalls> 2004 stattfanden). 2002 rief sie die
Frontorganisation ‚Action Thessalonoki 2003’ ins Leben, unter deren
Banner sie an einer Reihe von ESF-Vorbereitungsversammlungen teilnahm. Es
scheint, dass die Partei dies jetzt aufgegeben hat und es vorzieht, nun
ehrlicher unter ihrem eigenen Namen aufzutreten.
Die KKE steht dem ESF- und WSF-Prozess
sehr kritisch gegenüber und lehnt es (während sie an den meisten Treffen
teilnimmt) offiziell ab das Forum zu unterstützen. Die gegenwärtige offizielle
Position der Partei ist, dass sie am ESF 2006 nicht teilnehmen wird. Ich wäre
allerdings nicht überrascht, wenn die Genossen ihre Ansicht <noch> ändern würden. Viele Teilnehmer an unserem Treffen
vom 14.Oktober brachten ihre Beunruhigung über diese Position zum Ausdruck und
ermutigten das Greek Social Forum noch einmal den Versuch zu
unternehmen, sie mit an Bord zu holen.
Die dritte und kleinste Gruppe ist die
SWP-Schwesterorganisation Sosialistiko Ergatiko Komma (SEK – Sozialistische
Arbeiterpartei). Im Jahr 2000 spaltete sich die 300 Mitglieder starke
Organisation in zwei beinahe gleich große Teile. Allerdings gab es eine
seltsame Uneinigkeit darüber, wer von wem ausgeschlossen wurde und wer
freiwillig ging. Jedenfalls gingen diejenigen, die mit dem SWP-Mutterschiff
nicht übereinstimmten, daran, die Internationalist Workers Left (IWL –
Internationalistische Arbeiterlinke) zu bilden, die Mitglied im Greek Social
Forum wurde. Die andere, die SWP-loyale Fraktion, rief die
Frontorganisation ‚Seattle 2000’ ins Leben, die die griechische ’Initiative
for the European Social Forum’ gründete. 2002 benannte sie sich rasch in ‚Genoa
2001’ um – in der Hoffnung dadurch die „antikapitalistische Bewegung“
anzuziehen. ‚Genoa 2001’ ist dem Greek Social Forum (GSF) nicht
mehr ganz so feindlich gesinnt wie es das einstmals war und bekam im Jahr 2002
sogar einen Sitz in der GSF-Leitungsgruppe.
Jedenfalls weigerte sich SEK
/ ‚Genoa 2001’, ebenso wie die KKE, mit dem Greek Social Forum in
vollem Umfang zu kooperieren. Ein Mitglied der Internationalist Workers Left
erzählte mir, dass die SEK-Genossen im Jahre 2002 versucht hätten, das GSF
zu dominieren, damit allerdings aufgrund der kombinierten Stärke der anderen
Gruppen gescheitert seien: „So bildeten sie ihr eigenes Komitee und haben
unseres seitdem öffentlich angeprangert.“
Die SEK / ‚Genoa 2001’
hat einen ähnlichen Ruf wie ihre Schwesterorganisation in Großbritannien. Wie
die SWP ist sie dafür bekannt Frontorganisationen ins Leben zu rufen, die
Schlüsselpositionen in ihren Exekutiven zu besetzen und erst dann andere
Gruppen einzuladen, den vorfabrizierten Strukturen beizutreten. In jedem Fall
sind sie, aufgrund der relativen Stärke der KKE und anderer linker
Organisationen bei dem Versuch, die Linke in Griechenland zu dominieren, sehr
viel weniger erfolgreich.
2004 ging die SWP ein
Bündnis mit dem Teufel ein, um das ESF nach Großbritannien zu holen. Sie
akzeptierte, dass sie sich dem Bürgermeister von London unterzuordnen und den
Instruktionen der Socialist Action-Speichellecker Folge zu leisten hatte. Die
SWP unterstütze einen rechten Plenarversammlungssprecher nach dem anderen und
machte sich sehr viel mehr Feinde in der britischen Linken – alles um sich
Tausenden von ESF-Aktivisten als der wichtigste Akteur der Stadt präsentieren
zu können.
Die Situation 2006 wird
allerdings ganz anders sein. Die SWP ist nicht sehr darauf erpicht, dass ihre
Schwesterorganisation den Juniorpartner des Greek Social Forum macht,
dessen Vertreter bei internationalen ESF-Treffen den undemokratischen faulen
Zaubern und Flickschustereien, die die SWP in den letzten 12 Monaten
orchestriert hat, stets sehr kritisch gegenübergestanden haben.
Dies scheint zu erklären,
warum SWP-Genossen (und andere aus ihrer International Socialist Tendency)
hartnäckig gegen die Bestätigung des Austragungsortes und des Termins des
nächsten ESF argumentierten. Mag sein, dass sie noch immer hoffen, dass ein
anderes Land eine Gegenbewerbung startet – Deutschland und Österreich wurden
ein paar Mal erwähnt. Obwohl die SWP – von Großbritannien abgesehen – nirgendwo
wirklich hegemonial ist, scheint es, dass das Niveau ihrer Feindseligkeit
gegenüber dem Greek Social Forum ganz und gar unerreicht ist. Wenn das
ESF in Griechenland stattfindet, würde das zweifellos die beherrschende
Stellung des GSF’s gegenüber der griechischen „antikapitalistischen“
Linken <d.h. der SEK
und ihrem Umfeld> bestätigen und
bekräftigen. Oder es mag sein, dass die SWP darauf hofft, dass die
Kommunistische Partei (KKE) mit an Bord kommt und das ESF übernimmt – besser
„offizielle Kommunisten“ als direkte Rivalen.
Was auch immer die Gründe
sind, mit der halsstarrigen Weigerung der SWP zu akzeptieren, dass die überwältigende
Mehrheit eine Entscheidung treffen will, macht sie sich nicht viele Freunde.
Insbesondere Genossen aus Frankreich und Italien beginnen sehr ungeduldig zu
werden. Einige von ihnen erklärten sehr nachdrücklich, dass „nicht eine
Organisation uns daran hindern kann, hier zu einer Entscheidung zu gelangen“
und fingen an, den SWP-Vertreter Alex Callinicos in die Zange zu nehmen als er
zum soundsovielten Male zu erklären versuchte, dass „die Griechische
Kommunistische Partei in Griechenland sehr wichtig ist“ und dass „wir ihnen
keine Ultimaten stellen können“. Die SWP wurde überstimmt.
Diese ganze Debatte war zu
alledem lächerlich, weil politische Parteien – offiziell – von der Beteiligung
am ESF und am Weltsozialforum natürlich nach wie vor ausgeschlossen sind.
Während der Vorbereitungen des ESF 2004 bestand die SWP darauf, dass dieses
Verbot beibehalten werden müsse, während ihre Genossen sich hinter den
unterschiedlichen Namen ihrer Frontorganisationen, wie Globalise Resistance
und der Stop the War-Coalition verbargen. (Geheimnisvollerweise wurden
viele der Sprecher auf dem aktuellen Event – von SWP-Genossen abgesehen – unter
ihrem Parteinamen geführt.) Nun argumentiert die SWP, dass das ESF nicht in
Griechenland stattfinden könne, ohne dass die Kommunistische Partei mit an Bord
ist.
Selbstverständlich können
sich unsere SWP-Genosen – zurück in der „Opposition“ – erneut deutlich nach
links bewegen und für die offene Beteiligung aller politischen Parteien am WSF
und am ESF argumentieren. So wie sie es taten bis das ESF nach London kam.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover