Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

 

Wie stark der Wunsch nach Wiederherstellung der Sozialpartnerschaft auch im größten italienischen Gewerkschaftsbund CGIL ist, der früher dem PCI und heute den nach 1990 aus dessen rechten Mehrheitsflügel hervorgegangenen Linksdemokraten (DS) nahe stand bzw. steht, zeigt das folgende Interview mit dem Mitglied des nationalen Sekretariates der CGIL, Paolo Nerozzi, aus der linken Tageszeitung „il manifesto“ vom 18.7.2004. Nerozzi geht darin auf die unnachgiebige Haltung des wichtigsten Unternehmerverbandes Confindustria, die (auch Ende August 2004 noch) stockenden Verhandlungen und das Verhältnis zu den kleineren und rechteren Bünden CISL und UIL ein. Wobei er, wie am Ende nocheinmal deutlich wird, durchaus kein Mann des rechten CGIL-Flügels ist. Was die Sache nicht unbedingt besser macht…

 

Interview:

 

„In Sachen Tarifverträge einen einheitlichen Vorschlag“

 

Das Mitglied des CGIL-Sekretariates, Nerozzi: „Das Gespräch muss bei der Krise des Landes ansetzen.“

 

Antonio Sciotto

 

Morgen tagt die CGIL, um darüber zu entscheiden, ob und <wenn ja> wie die Verhandlungen über die Sozialpartnerschaft fortgesetzt werden sollen, die von <CGIL-Generalsekretär> Epifani aufgrund des von der Confindustria gemachten Vorschlages, sofort über die Erneuerung des Tarifmodells zu sprechen, abgebrochen worden waren. Am Verhandlungstisch hatte auch das Mitglied des Sekretariates des Gewerkschaftsbundes, Paolo Nerozzi gesessen, dem es wichtig ist, zu betonen, dass die CGIL „zu dem Treffen gegangen war, um zu diskutieren und nach einer Übereinkunft zu suchen, für die die Bedingungen noch immer vorhanden sind. Allerdings unter der Voraussetzung, dass das Gespräch bei der schweren ökonomischen und sozialen Krise ansetzt, die das Land erlebt und bei der Suche nach Lösungen gegen den Niedergang und für die industrielle Entwicklung.“

 

Im Kern heißt das Nein zur Diskussion über die Erneuerung der Tarifmodelle ?  Auch wenn man den Termin für den Beginn verschiebt, wie es <CISL-Generalsekretär> Pezzotta getan hat, der November vorschlägt ?

 

„Das ist kein Terminproblem, sondern vielmehr ein inhaltliches und das aus zwei Gründen. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass es noch offene Tarifverträge gibt, die mehrere Millionen Beschäftigte betreffen. Den für die öffentlich Bediensteten und einige in der Privatwirtschaft Beschäftigte, darunter die Metaller. Es ist klar, dass, wenn man die Diskussion über die Erneuerung des Tarifmodells eröffnet, die noch offenen Tarifverträge blockiert werden und dies würde einen gravierenden Lohnverlust bedeuten – in einem für die finanzielle Situation der Beschäftigten besonders schwierigen Moment. Uns überzeugt auch nicht das Argument, demzufolge es ausreichen würde, einen Termin für das Inkrafttreten der neuen Regeln festzulegen und sich dazu zu verpflichten die in der Schwebe befindlichen Tarifverträge zusammen mit den alten auslaufen zu lassen. Das ist wenig realistisch und berücksichtigt nicht die Existenz der Gegenseite.“

 

Der andere Grund ?

 

„Es ist wichtig zuallererst eine einheitliche Lösung <zwischen den großen Gewerkschaftsbünden> zu finden. Was uns anbelangt, werden wir zuerst in der CGIL darüber diskutieren und danach mit CISL und UIL. Als das Abkommen vom 23.Juli <1993, das die gleitende Anpassung der Löhne an die Inflation (scala mobile) endgültig beseitigte und Reallohnverlusten den Weg ebnete> abgeschlossen wurde, wurden Millionen Werktätige <mittels einer Urabstimmung> konsultiert. Man kann nicht ohne eine echte Auseinandersetzung, ohne eine Übereinkunft zwischen den Gewerkschaften und ohne zu hören, wie die Beschäftigten darüber denken, zu einem neuen Tarifmodell kommen. Wir haben uns stets bereit erklärt, eine Diskussion über die Anpassung des Tarifmodells zu beginnen und es ist gut, dies den anderen Organisationen gegenüber zu bekräftigen. Die CGIL hat nicht nach einem Taschenspielertrick gesucht, um aufzustehen und zu gehen. Sie will nur standhaft die Notwendigkeit verdeutlichen, dass vor Beginn der Diskussion mit der Confindustria eine einheitliche Position festgelegt werden muss.“

 

Gibt es weitere Punkte, die für Euch unverzichtbar sind ?

                                                                                    

„In einer Zeit der Krise und des Niedergangs, wie der gegenwärtigen, muss man umgehend einen Weg finden, um in die Forschung und in die industrielle Innovation zu investieren und darüber hinaus einen, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Es kann ohne die Qualität der Arbeit keine Qualität des Unternehmens geben. In diesem Sinne erscheint uns wichtig, eine andere Rolle des Staates und des Öffentlichen zu vereinbaren, d.h. keine Steuerkürzungen, sondern ein Nachdenken über die Rendite einzuleiten.“

 

Gestern noch wurde in den Zeitungen das Verhältnis von CGIL und <ihrer Metallarbeitergewerkschaft> FIOM attackiert. So als ob es die Metallarbeiter wären, die den ganzen Gewerkschaftsbund dazu drängen, den Dialog zu verweigern.

 

„Seit vier Jahren, seit der Unterzeichnung des Separatabkommens <in der damaligen Metalltarifrunde durch die rechteren Branchengewerkschaften FIM-CISL und UILM> machen CGIL und FIOM die Dinge immer gemeinsam. Jetzt gerade sitze ich im Auto. Ich komme aus Melfi. Jener Kampf <im wichtigsten süditalienischen FIAT-Werk im April / Mai 2004> hat uns eine wichtige Lektion hinterlassen. Man kann ohne Radikalität keine Einigung herbeiführen und damit es eine echte Einigung wird, bedarf es der Zustimmung der Beschäftigten und somit der Demokratie.“

 

 

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover