Antifa-AG der Uni
Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Zu den
RSU-Wahlen im Öffentlichen Dienst Italiens (die eine spezifische Mischung aus
Betriebs-/Personalräten und organisationsübergreifenden gewerkschaftlichen
Vertrauensleutekörpern darstellen) interviewte die von Rifondazione Comunista
herausgegebene Tageszeitung „Liberazione“ auch den Kopf der linken
Basisgewerkschaft Sin.Cobas, Luciano Muhlbauer. Der Sin Cobas (real ca. 4.000
Mitglieder) wurde von Kadern der italienischen Sektion der offiziellen
IV.Internationale aufgebaut, die politisch früher als „Bandiera Rossa“- und
heute als „ERRE“-Strömung in Rifondazione aktiv sind. Der Sin.Cobas bemüht sich
stärker als andere Basisgewerkschaften um eine Einheitsfrontpolitik gegenüber
den etablierten Gewerkschaftsbünden (insbesondere der CGIL) und stellt den
Versuch dar in Italien etwas ähnliches wie SUD in Frankreich aufzubauen. Das
Interview erschien am 13.11.2004.
RSU’en
Öffentlicher Dienst. Interview mit dem Sin.Cobas-Koordinator Luciano Muhlbauer:
„Lohn, Demokratie und Kampf gegen
die Prekarität“
Wie präsentiert Ihr Euch
bei diesen Wahlen ?
„Als Sin.Cobas sind wir im Öffentlichen Dienst
in zwei Bereichen präsent: bei den Lokalbehörden und im Gesundheitswesen. Die
Punkte unseres Programms betreffen vor allem die Lohnfrage, da der öffentliche
Dienst in den letzten Jahren der Sektor mit den größten Verlusten war. Eurispes
spricht von 22% innerhalb von vier Jahren. Wir fordern den Bruch mit dem Rahmen
des Abkommens von 1993, das den Schwindel der veranschlagten Inflation
festschreibt und wir wollen reale Erhöhungen oberhalb der Inflationsrate, weil
es ein Problem des Inflationsausgleiches gibt. Die zweite Frage ist die der
Rechte und der Prekarisierung. Der öffentliche Dienst steht – entgegen dem, was
man denkt – in punkto Arbeitsbedingungen und Ausgliederungen bzw. Fremdvergabe
der Dienstleistungen sowie der Einführung von prekärer Beschäftigung in
bedeutendem Umfang unter Druck.“
Gib’ ein Beispiel…
„Mailand, das 18.000
Beschäftigte hat, davon sind über 3.000 Prekäre. Diese Realität wird durch den
betrügerischen Mechanismus des Einstellungsstopps hervorgerufen. Der ist nur
auf die regulären Einstellungen und nicht auf die prekäre Beschäftigung
bezogen. In Mailand gibt es starke Kämpfe in den verschiedenen Sektoren. Bei den
Kindergärten gibt es die beispielhafteste Situation, in der sich jedes Jahr
wieder bei einem Gutteil der befristet eingestellten und schlecht bezahlten
Erzieherinnen eine starke Konfliktbereitschaft herausbildet.“
Ein bedeutendes Problem
auch für die öffentlich Bediensteten ist die gewerkschaftliche Demokratie.
„Genau, eine strategische
Frage. Das ist unser dritter Punkt. Es kann keine Reaktivierung des Konfliktes
ohne demokratische Räume geben. Heute gibt es im öffentlichen Dienst eine
Offensive vor allem seitens der ARAN <siehe Anm.1>,
um den RSU-Delegierten die gewerkschaftlichen Rechte zu nehmen. Diese
Entscheidung wird offiziell mit der Notwendigkeit begründet, die
Basisgewerkschaften von den gewerkschaftlichen Rechten auszuschließen, die
bereits heute aufgrund eines Wahlmechanismus auf Grundlage der Definition der
Repräsentativität nicht anerkannt werden. Die ARAN will also definitiv die
Existenz der Basisorganisationen in Frage stellen. Heute gehen wir mit den 3
Punkten in diese Wahlen.“
Das Problem des um sich
greifenden Prekariats bewältigt man jedoch nicht mit Parolen.
„Die Umkehrung der Tendenz
zur prekären Beschäftigung kann nur durch eine klare tarifpolitische Plattform
und durch eine reale Opposition gegen die Ausgliederungsprozesse entwickelt
werden. Bis heute haben sich die CGIL, die CISL und die UIL dem nicht
widersetzt. Sie sagen es, aber das was sie sagen, findet in den Plattformen /
Forderungskatalogen keine Entsprechung.“
Wird es bei diesen Wahlen
eine stärkere Beteiligung geben ?
„Es gibt eine Nachfrage nach
Gewerkschaft, aber ob die Situation, die die öffentlich Bediensteten heute
erleben, zu einer stärkeren Beteiligung führt, ist unsicher. Was sicher ist,
ist, dass die Unzufriedenheit zunimmt.“
Wie siehst Du die Sache
mit dem Tarifvertrag… ?
„Der nationale Tarifvertrag
ist seit ewigen Monaten blockiert. Der Vorschlag der Regierung ist – vorsichtig
ausgedrückt – provokatorisch, weil er es nicht einmal erlauben würde, das
zurückzubekommen, was man verloren hat. Die Forderungskataloge sind schwach und
obendrein gibt es das Fallbeil des Haushaltsgesetzes. Eine Auseinandersetzung,
die das sozialpartnerschaftliche System in Frage stellt und wieder einen echten
Forderungskatalog mit mehr Lohn und einer wirklichen Umkehr der Tendenz bezogen
auf die Prekarisierung erfordert, die die prekär Beschäftigten in unbefristet
Angestellte verwandelt.“
Anmerkung
1:
ARAN steht
für Agenzia per la RAppresentanza Negoziale delle
pubbliche amministrazioni (Agentur für die Vertretung der öffentlichen
Verwaltungen bei den Tarifverhandlungen) und gibt es in jedem Ort.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Anmerkung:
Antifa-AG der Uni
Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover