Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:

Zum Generalstreik in Spanien, der am 20.Juni 2002 gegen die weitere Deregulierung des Arbeitsmarktes und die Kürzungen der Arbeitslosenunterstützung stattfand und gut befolgt wurde, veröffentlichte die Tageszeitung der italienischen Rifondazione Comunista, “Liberazione”, am 20.6.2002 das folgende Interview mit dem Führungsmitglied der spanischen Linksallianz Izquierda Unida (Vereinigte Linke), Manolo Monereo, der - aufgrund seiner mehr bewegungsorientierten Sichtweise - noch einmal einen anderen Blickwinkel auf dieses Thema eröffnet und z.T. andere Aspekte beleuchtet als beispielsweise nebenstehend der PCE-Generalsekretär Frutos, der ebenfalls der IU-Führung angehört.


Streik in Spanien. Interview mit Manolo Monereo von Izquierda Unida (IU).

“Die Antiglobalisierer haben den Weg geebnet.”

Salvatore Cannavò

Die Bewegung ist der wahre Ausdruck des von der Globalisierung erzeugten Widerspruches.”

Madrid - Manolo Monereo ist ein alter Freund der Italiener. Er hat immer mit großem Interesse auf die Debatte der Linken unseres Landes geschaut, spricht unsere Sprache und ist innerhalb von Izquierda Unida (in der er Mitglied des föderalen Vorstandes ist)) eine intellektuell bedeutende und anerkannte Gestalt. Wir haben ihn auf der europäischen Konferenz der antikapitalistischen Linken getroffen, wo er als “Beobachter” der IU anwesend war und wir haben davon profitiert, um die Situation in Spanien, aber auch diejenige der Bewegung und - notwendigerweise der alternativen Linken auf den Punkt zu bringen.

Was stellt der heutige Generalstreik dar ?

“Der Streik ist eine unmittelbare und richtige Antwort auf eine Gesamtheit von Maßnahmen der Regierung Aznar und allgemeiner des Partido Popular (Volkspartei - PP). Diese Betonung ist nicht unnütz, weil das, was wir derzeit erleben, der Versuch des PP ist, das eigene Machtsystem sowohl auf Regierungsebene wie <auch> in der Gesellschaft zu konsolidieren. Wir erleben somit nicht nur eine klassische soziale Spannung zwischen Regierung und Gewerkschaften, sondern eine politische und soziale Wende seitens einer Partei, die den geeigneten Moment für gekommen hält, um ihr wahres Programm in die Praxis umzusetzen und ihre wahren Ziele zu verwirklichen.”

Welches sind die Punkte dieser Wende ?

“Der erste, auf dramatische Weise unvorhersehbare Entwicklungen ankündigende, Punkt ist eine sehr enge Allianz mit den Vereinigten Staaten, mit ihrer ganzen Kriegspolitik und ihren Einmischungen in Europa. Der zweite Punkt ist es, ein konsequent neoliberales Europa zu schaffen, es dabei jedoch mit Elementen von politischem Nationalismus und mit einigen Anteilen Euroskeptizismus zu kombinieren. Europa läßt man die wirtschaftliche Macht, aber die Staaten sollen sich ihre Vorrechte zurückholen. Dritter Punkt: die soziale Gegenreform vor allem im Bildungssystem, dann mittels der Reduzierung der sozialen Rechte (siehe das Dekret) auf der Grundlage des Prinzips, daß die Arbeitslosen schuldig sind und schließlich mittels einer Vorstellung von einem bei den Starken (dem Großkapital) schwachen und bei den Schwachen (den Immigranten) starken Staat, im Rahmen einer Konzeption von “strafendem Staat”, der auf der Repression basiert und von dem das Parteiengesetz <mit dem geplanten Verbot der linksnationalistischen baskischen Partei Batasuna> ein gutes Beispiel ist.”

Warum ist es gerade jetzt zu dieser Wende gekommen ?

“Weil sie eine sehr günstige Konjunktur ausnutzt: die politische Opposition ist schwach. Der PSOE ist unfähig, die eigene Identität und die eigene politische Perspektive zu bestimmen, so fasziniert wie er vom Dritten Weg ist. Die alternative Linke (Izquierda Unida), die dagegen in bezug auf die <eigene Rolle als> Opposition keine Zweifel hat, ist strukturell schwach. Und schließlich nimmt Aznar die neue Tatsache wahr, daß man sich mit dem Sieg der Rechten auf europäischer Ebene bestätigen lassen und bestrebt sein muß sich als Führer dieser neuen Welle zu legitimieren. Im Übrigen ist er der Erste gewesen, der die Tendenz umkehrte, indem er in einem von den sozialistischen Parteien beherrschten Europa rechts regierte. Und dann sollten wir nicht vergessen, daß er am Ende dieser Legislaturperiode nicht wieder kandidieren wird und daß sich - nicht zufällig - die spanische EU-Ratspräsidentschaft die Last einer Reform des Europäischen Rates auferlegt hat, der eine starke Ratspräsidentschaft vorsieht.”

Auch in Spanien haben wir eine Explosion der Anti-Globalisierungs-Bewegung erlebt, auf die derzeit eine erneuerte zentrale Rolle der sozialen Frage folgt. Wie siehst Du diese beiden Elemente ?

“Die Anti-Globalisierungs-Bewegung stellt die absolute politische Neuheit dar. Von den Leuten, die (am 16.März 2002; Anm.d.Red.) in Barcelona gewesen sind, wissen wir zum Großteil noch nicht, wer sie sind. Aber sie haben eine Bereitschaft zum Kampf und zum Engagement gezeigt, das wir seit Jahren nicht gesehen haben. Und es ist diese Bewegung, die der Gewerkschaft den Weg gezeigt hat, indem sie ihr diese Bereitschaft demonstriert und in gewisser Weise das soziale Terrain ‚rodet‘. Die Bewegung ist der wahre Ausdruck des von der modernen Globalisierung erzeugten Widerspruches und es ist interessant zu notieren wie der Widerspruch wiedereinmal sein Subjekt erzeugt. Ein Subjekt, das meines Erachtens stark politisch und mit einer eigenen Persönlichkeit versehen ist. Ihre Entwicklung ist die bedeutendste Tatsache dieser Phase. Mehr als an 1968 erinnert sie mich an eine sehr viel ältere Phase, die wir nur aus den Büchern kennen - an jene der 1.Internationale. Dies ist eine Bewegung, die eine neue, plurale politische Subjektivität begründet. Deshalb ist sie schwierig zu repräsentieren und deshalb hat sie viel mit den Perspektiven der alternativen Linken zu tun.”

Du hast als Beobachter an der Konferenz der antikapitalistischen Linken teilgenommen. Zu welchem Urteil bist Du dabei gekommen ?

“Die Debatte ist sehr interessant. Persönlich glaube ich, daß die historische Erfahrung von Izquierda Unida, die sehr wichtig und in bestimmter Hinsicht unwiederholbar ist, abgeschlossen ist. Die Debatte, die wir in diesen Tagen (über die Rolle der Partei und der Bewegung, die Modalitäten des Aufbaus der alternativen Linken und das europäische politische Subjekt) mit den gebührenden Differenzen und der gebührenden Vorsicht geführt haben, ist die Debatte, die wir in der kommenden Periode weiterführen müssen. Das was wir hier in Madrid am Werk gesehen haben, ist nur ein Teil. Aber dies ist die Arbeit, die auf uns wartet.”

Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover