Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


In der deutschen und österreichischen Linken nach wie vor heftig diskutiert ist die Positionierung zur Palästina-Frage, d.h. zum Kampf der Palästinenser gegen die israelische Besatzung und für einen eigenen unabhängigen Staat. Zu dieser Frage hat sich auch der linksradikale italienische Basisgewerkschaftsbund Confederazione Cobas anläßlich des Europäischen Sozialforums in Florenz geäußert. Wir bringen im Folgenden die Übersetzung dieser vom Leitungsmitglied der Organisation, Vincenzo Miliucci, verfaßten Stellungnahme aus der Nullnummer der Zeitung “COBAS” von November 2002, weil wir sie für einen interessanten Beitrag halten, der in die richtige Richtung weist. Zugleich halten wir die Aufforderung an die EU zur aktiveren Intervention (über die - begrüßenswerte - Forderung nach Einstellung der Zusammenarbeit mit Israel und bedingungsloser Finanzhilfe für die palästinensischen Basisorganisationen hinaus) und damit verbundene Illusionen in einen möglichen “gutmütigen” EU-Imperialismus für äußerst problematisch. Ebenso lehnen wir die Zementierung der 2-Staaten-Lösung als Perspektive ab. (Weil Erstere mit einer antiimperialistischen Politik unvereinbar ist und Letztere einen reaktionären Nationalismus sowie - aufgrund der ungleichen und nicht-lebensfähigen Aufteilung - den US- und EU-Imperialismus begünstigen wird.)


Was den zweiten Punkt anbelangt, teilen wir die von der PFLP vertretene Position, daß 2 Staaten nur eine Übergangslösung auf dem Weg zu einem einheitlichen “Demokratischen Laizistischen Staat Palästina” darstellen können, in dem der Zionismus zugunsten eines gleichberechtigten Zusammenlebens der Angehörigen aller Religionen (nebst den Atheisten) beseitigt ist und die Konzentration auf den gemeinsamen Klassenkampf aller Lohnabhängigen mit der längerfristigen Perspektive der Schaffung einer sozialistischen Republik Palästina möglich wird.



Land, Leben und Freiheit für das gemarterte Palästina


Vincenzo Miliucci


Die ungelöste “Palästinensische Frage” - die fehlende Anwendung der Dutzenden von UNO-Resolutionen - läuft Gefahr zu einem bloßen Anhängsel der Doktrin des unendlichen - präventiven - Krieges zu werden, die von den USA nach dem 11.September offiziell verkündet wurde.


Die Distanzierung von den Osloer Abkommen (mit dem blutigen Epilog der Ermorderung Rabins) und die Inbesitznahme von 80% der besetzten Gebiete waren in den Plänen der israelischen Rechten, die den Krieg mit dem provokativen Spaziergang des Henkers Sharon auf der Esplanade der Moscheen <dem hierzulande sog. “Tempelberg> bewußt ausgelöst hat, bereits vorhanden.


Der Übergang von der politischen Losung “Land im Austausch für Frieden” zu jener militärischen “Zerschlagung der palästinensischen Intifada, Delegitimierung von Arafat und der <Palästinensichen Autonomiebehörde> ANP sowie die Reduzierung Palästinas auf ein Bantustan” wurde vor dem 11.September 2001 geplant. Danach hat der Henker Sharon von den USA grünes Licht bekommen, um das Massaker (in vielen Fällen, wie in Dschenin, regelrechte Vernichtungsakte) im Rahmen des unendlichen Krieges gegen den “internationalen Terrorismus” zu entfesseln.


Selbstverständlich wissen alle, daß auch die verzweifelte Antwort der sogenannten Selbstmordattentäter nichts mit dem “internationalen Terrorismus” zu tun hat. (Die durch den schmutzigen Krieg dezimierte palästinensische Linke lehnt diese Kampfmethoden ab, betrachtet sie allerdings als Märtyrer.) Sie wird vom Henker Sharon allerdings brutal benutzt, um für die Pogrome an den Palästinensern einzutreten: “Sie sind alle Terroristen und müssen vernichtet werden.”


Innerhalb der Vorbereitungen für die US-Aggression gegen den Irak treibt der Henker Sharon den Militarismus bis zu der Übersteigerung sich an dem Angriff zu beteiligen und auch den Gebrauch atomarer Waffen anzudrohen. Womit er die ganze Bestialität, Kriminalität und den Wahnsinn desjenigen demonstriert, dem nichteinmal die Interessen und das Leben der eigenen Leute am Herzen liegen !


Die USA und der militärisch-industrielle und erdöl-industrielle Komplex, der Bush und den Krieg unterstützt, werden dem Mittleren Osten niemals Frieden bringen und Palästina kein Land geben können. Wenn die Aggression gegen den Irak die direkte Eroberung des Erdöls bedeutet, um damit das OPEC-Kartell sowie die Bündnisse in dem Gebiet über den Haufen zu werfen, indem mit dem Ziel direkt interveniert wird, “auf destabilisierende Weise zu demokratisieren”, um im Mittleren Osten eine westliche Ordnung durchzusetzen, dann kann sich die “Palästinensische Frage” von den USA nichts anderes als noch mehr “Blut und Tränen” erwarten. Jenen USA, die jede Befreiungsbewegung insofern als Rauch in den Augen betrachten als sie ihrer Vorstellung der Planung von Gesellschaftssystemen und Führungen überall dort entgegenstehen, wo sie vitale Interessen haben. So wie es derzeit in Palästina stattfindet, wo sie nachdrücklich intervenieren, um Arafat (der in der jüngeren Vergangenheit doch vom US-Establishment lang und breit beweihräuchert und unterstützt wurde) und die Palästinensische Führung zu beseitigen, die sich - wie auch immer - am Befreiungsepos beteiligt haben, um dort Subjekte einzusetzen, die den US-Interessen in dem Gebiet nahestehen.


Europa behält - jenseits von etwas Sozialhilfe für das Palästinensische Volk, das wie ein Flüchtling betrachtet wird - gegenüber den USA ein untergeordnetes Verhalten bei und hat jüngst die Aufnahme der Befreiungsbewegungen (angefangen bei der Volksfront für die Befreiung Palästinas - PFLP) in die “Schwarze Liste” gebilligt. Dieses nachgiebige Verhalten macht es für die Verhandlungspartner in dem Konflikt wenig glaubwürdig. Die Regierung Sharon erlaubt sich, es überhaupt nicht zu beachten. Die Palästinenser werfen ihm vor angesichts des Massakers nichteinmal zusammengezuckt zu sein (Rückzug der Botschafter, Abbruch der kulturellen, wissenschaftlichen und Handelsbeziehungen <wären möglich gewesen>).


In Italien hat ein Teil der Bewegung in der letzten Zeit verwerflicherweise “die Äquidistanz” gewählt und damit der Unterstützung der Rechte des Palästinensischen Volkes in dem Augenblick wertvolle Kräfte entzogen, in dem die Stimme des Protestes gegen den Krieg, der Gefahr läuft den gesamten Mittleren Osten mit Blut zu beflecken und die politische Lösung der “Palästinensischen Frage” in noch weitere Ferne rückt, lauter sein muß.


Einer “Palästinensischen Frage”, die im Mittelpunkt des Europäischen Sozialforums in Florenz stehen wird und deren unverzichtbare Punkte lauten:


Ende der militärischen Besetzung und Rückzug der Israelis (die illegalen Siedlungen inbegriffen) aus den 1967 besetzten Gebieten;

Internationale Anerkennung eines Palästinenischen Daseins (es wird an ihnen liegen über die Formen zu entscheiden) mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem; Unterstützung für den Wiederaufbau und das In-Gang-Bringen der vom israelischen Besatzer zerstörten Wirtschaft;

Befreiung der Gefangenen und Rückkehrrecht für die Flüchtlinge.


Die Erfüllung dieses Forderungskataloges (der den Staat Israel nicht zur Diskussion stellt und im Gegenteil sogar die Voraussetzungen für die gemeinsame Sicherheit schafft) ist der substantielle Akt, um dauerhaften Frieden in der Region Mittlerer Osten zu erreichen.


Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover