Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Am weitreichendsten ist die überall in der EU zu beobachtende Spaltung des gewerkschaftlichen Spektrums in "Traditionalisten"/"Bremser" und "Modernisierer"/"Einsichtige" - auf eine Branche bezogen - sicherlich unter den italienischen Metallarbeitergewerkschaften. Seit dem Herbst 2001 haben dort die beiden kleineren etablierten Branchengewerkschaften FIM-CISL und UIL-M zusammen mit der gelben FISMIC mindestens vier bedeutende Separatabkommen ohne und sogar explizit gegen die bei weitem größte Metallergewerkschaft (die zur CGIL gehörende FIOM) abgeschlossen: zwei Lohntarifverträge in der Industrie, einen im Handwerk und ein zentrales Abkommen über Personalabbau und Flexibilisierung bei FIAT. Dementsprechend war die FIOM auch am stärksten gefordert die real noch vorhandenen sozialpartnerschaftlichen Relikte im eigenen Denken und Handeln zu überwinden und der neuen Situation gerecht zu werden. Tatsächlich hatte sie damit große Probleme, obwohl sie unter den etablierten Gewerkschaften Italiens eindeutig die kämpferischste und am weitesten links stehendste ist. Nachdem sie allein mehrere branchenweite Generalstreiks und Großdemos durchgeführt hat (der nächste ist bereits geplant) und mit einer Welle von "Häuserkämpfen" versuchte über das Erreichen betrieblicher Vorverträge erneut einen nationalen Tarifvertrag nach ihren Vorstellungen und die Wiederbeteiligung auf der nationalen Ebene zu erzwingen, hat sie sich weitgehend festgefahren und denkt bereits an den erneuten Ablauf des Lohntarifvertrages Ende 2004. Das FIOM-Zentralkomitee hat daher Ende Januar 2004 auf Vorschlag des Generalsekretärs Rinaldini in einer Kampfabstimmung mit 70%iger Mehrheit (inklusive des linken Flügels) einen vorgezogenen Gewerkschaftskongress beschlossen.


Obwohl die Erfahrungen der FIOM für die Einschätzung von Linkstendenzen in den etablierten europäischen Gewerkschaften enorm interessant sind und auch in Italien dringend ohne Tabus öffentlich erörtert werden müssten, übt sich der Großteil der Gewerkschaftslinken hier in übertriebener Zurückhaltung. Die Gewerkschaftslinke zeigt damit einmal mehr (wie bereits die TDU in der US-amerikanischen Teamstergewerkschaft nach dem Amtsantritt des nicht-mafiösen und konfliktbereiteren Sekretärs Carey) ihre großen Schwierigkeiten beim Umgang mit solchen Situation. Glücklicherweise gibt es Ausnahmen: Zum Beispiel die Anfang der 80er Jahre gegründete Zeitschrift "Falce Martello" (Hammer & Sichel), die zum trotzkistischen Spektrum zählt, sich auf Ted Grant bezieht und auch einen Teil des linken Flügels von Rifondazione Comunista stellt. Die folgende Analyse entstammt der Nr.171 vom 12.11.2003 und hat nichts an Aktualität eingebüßt, da sich die Situation seit der Veröffentlichung nicht grundlegend verändert hat. Die Zahl der Vorverträge beträgt jetzt genau 500 (davon entfällt die Hälfte auf die Emilia Romagna) und die Kämpfe darum in den Großkonzernen haben (bis auf Fincantieri, wo er ergebnislos blieb) noch immer nicht begonnen.


Tarifvertrag der Metallarbeiter:

Eine erste Bilanz nach sechs Monaten Kampf


Der Streik der Metallarbeiter vom 7.November markierte nicht nur deshalb eine wichtige Passage, weil die Arbeiter auf die Straße gegangen sind, um gegen den von den Unternehmern, FIM-CISL und UILM unterzeichneten, schändlichen Tarifvertrag zu protestieren, sondern auch weil damit der sechste Mobilisierungsmonat der FIOM zu Ende ging und sich uns die Gelegenheit bietet, eine erste Bilanz der Auseinandersetzung zu ziehen.

Eine ernsthafte Bilanz, in der alle Aspekte dieses Kampfes betrachtet werden, um die zukünftigen Mobilisierungen auf die bestmögliche Weise vorzubereiten. Es ist möglich, diesen Kampf zu gewinnen. Unter der Bedingung allerdings, dass man in der Lage ist die richtigen Lehren aus der Erfahrung der vergangenen Monate zu ziehen.


Die Entscheidung, nicht mit FIM und UILM zusammen zu unterschreiben, war sakrosant <d.h. unantastbar>. Man kann der FIOM-Führung viele Dinge vorwerfen, dies allerdings nicht. Verschiedene Leitungsmitglieder der CGIL fühlten sich hingegen dazu verpflichtet, dies zu tun. Funktionäre, die darüberhinaus, dass sie die FIOM des Abenteurertums beschuldigten, daran gegangen sind Branchentarifverträge zu unterzeichnen, die jene Verschlechterungen vorsehen, deren Ablehnung die FIOM beschlossen hat.


Dies vorausgeschickt, muss man jedoch hinzufügen, dass auf eine richtige Entscheidung keine adäquate Reaktion folgte wie der Separat-Tarifvertrag wieder in Frage gestellt werden kann. Bis heute wurde keine einzige Antwort auf die Frage gegeben, warum auf den am 7.Mai <2003> eingetretene Bruch, dessen unvermeidliche Konsequenz man seit Wochen kannte, anfangs keine angemessenen Gegenmaßnahmen folgten. Vor dem Bruch und in den Wochen danach, wurde nicht jene notwendige Initiative ergriffen, um sofort eine umfangreiche Oppositionsfront zu schaffen. Die Unsicherheit zog sich über diverse Wochen hin bis Anfang Juni vom Zentralkomitee der FIOM die Strategie des differenzierten Vorgehens und der bislang angestrebten Vorverträge vorgeschlagen wurde. Dieser Vorschlag, sagten sie uns, würde die padroni aus den Angeln heben, sie spalten, die Einen gegen die Anderen stellen und dadurch jene Dynamik schaffen, durch die in einem Unternehmen nach dem anderen die Unternehmerfront zerbröckeln und unser Tarifvertrag am Ende anerkannt werden würde.


Vielleicht sind 6 Monate für die Führungsgruppe eine zu kurze Zeitspanne, um festzustellen, ob das wirklich geschehen ist – für uns nicht. Im Gegenteil, zu dem was die Funktionäre den Aktiven oder in den Zeitungsinterviews erklären, können wir sagen, dass sie davon überzeugt sind, dass genau das geschieht. Als Arbeiter und RSU-Delegierte der FIOM, die wir uns in den letzten Monaten in den Auseinandersetzungen in unseren Fabriken engagiert und alle möglichen Mobilisierungen unterstützt haben, lautet die erste Bilanz, die wir ziehen können, dass genau dies nicht eintritt. Wir meinen, dass der Augenblick gekommen ist, um die Strategie zu ändern bevor es zu spät ist.


Ohne den Delegierten und den Arbeitern, denen es in diesen Monaten (oftmals durch harte Kämpfe und ungeheure Opfer) gelungen ist, in ihren Unternehmen den Vorvertrag zu erreichen, irgendetwas zu nehmen, können wir doch nicht so tun als sähen wir nicht, dass für jeden Betrieb, in dem es gelungen ist, das Ergebnis einzufahren, in 5 oder 10 anderen die Beschäftigten – oftmals nachdem sie haufenweise Streiks aller Art (differenzierte, schachbrettartige, Warenblockaden etc.) durchgeführt haben, dessen müde wurden und aufgeben mussten.


Die offiziellen von der FIOM verbreiteten und am 4.November aktualisierten Zahlen besagen, dass in 1 868 Unternehmen (für 405 000 Beschäftigte) der Arbeitskampf begonnen wurde. Von diesen haben 294 (mit 50 000 Beschäftigten) das Abkommen unterzeichnet. Man sagt auch, dass die großen Fabriken dabei seien, in die Auseinandersetzung einzugreifen: Zanussi, Agusta, ABB, Whirlpool, Candy und Merloni und es folgt eine Liste mit anderen Großunternehmen.


Auf den ersten Blick alles bemerkenswerte Zahlen und Fakten, die unserer Ansicht nach allerdings nicht der realen Situation entsprechen. Hier behauptet um Gottes Willen niemand, dass die Zahl von 1 868 Betrieben, in denen der Arbeitskampf um den Vorvertrag begonnen hat, falsch sei und genauso wenig, dass die lange Liste der Großbetriebe, die dabei sind in die Auseinandersetzung einzugreifen oder dies demnächst tun werden, erfunden sei. Die Frage lautet: Wieviele von diesen 1 868 Unternehmen führen den Kampf wirklich weiter ? In wievielen davon gibt es tatsächlich noch eine geschlossene Streikbeteiligung ? Und vor allem: Warum wird die Auseinandersetzung weiter einzeln geführt ? Anstatt eine Front zu haben, die nach und nach geschlossener wird, haben wir eine Situation, in der es einen Übergang von den Unternehmen, die beginnen deutliche Ermüdungserscheinungen zu zeigen, bis hin zu solchen gibt, die gerade erst mit großen Erwartungen beginnen – allerdings mit der Gefahr, dasselbe Schicksal zu erleiden.


Um von den famosen Widerstandskassen <= Streikfonds> gar nicht zu reden, die von einer Tagung des Zentralkomitees der FIOM beschlossen wurden und weiterhin nur ein guter Vorsatz auf dem Papier bleiben.


In vielen Betrieben wurden bedeutende Kämpfe geführt, mit radikalen Kampfmethoden, wie man sie seit Jahren nicht erlebt hat, aber trotzdem ist die Unternehmerfront noch nicht auseinander gebrochen. Im Gegenteil, es sind gerade die Betriebe, in denen man seit Monaten versucht, den Arbeitskampf voranzubringen, wo man nicht von der Stelle kommt.


Einige Beispiele: In Mailand, im Bezirk Paderno Dugnano waren es im Juli vier Betriebe, die mit dieser Art von Mobilisierung beginnen sollten. In dreien davon ist die Situation nach einigen Wochen Streik festgefahren und heute streikt dort niemand mehr. Dem vierten (der Amisco), der Mitte Oktober aufgrund des Besuches eines vom Unternehmer herbeigerufenen Carabiniere durch verschiedene Zeitungen geisterte,der die Abteilungen in dem Versuch abgeklappert hat, sie einzuschüchtern, ist es trotzdem dort fünf aufeinander folgende Wochen lang (mit über 40 Stunden Streik <für die es in Italien keinerlei Ausfallgeld gibt !> jede Kampfform ausprobiert wurde (mit überraschenden und wechselnden Streiks bis hin zur, mehrere Tage dauernden, Blockade der Werkstore rund um die Uhr) nicht gelungen, den Unternehmerwiderstand zu brechen.


In der Emilia Romagna hat die Belegschaft des Unternehmens Anovi & Reverberi (in Modena) mehr als 60 Stunden differenzierten Streiks angehäuft, nur um den padrone zu zwingen sich an den Verhandlungstisch zu setzen und bei allen Themen Nein zu sagen. Das zwang die Delegierten dazu, zu den Arbeitern zurückzukehren und sie zu neuen Anstrengungen aufzurufen.


Dasselbe bei OMCE in Parma, wo sie durch über 60 Stunden Streik ein Treffen mit dem padrone erreicht haben, der auf arrogante Art mitteilte, dass das Einzige, worüber er zu verhandeln bereit sei, eine Einmalzahlung wäre. Bei Bonfiglioli in Bologna haben die Beschäftigten nach einer Woche differenzierter Streiks beschlossen, der Sache durch eine das ganze Wochenende über dauernde Belagerung der Werkstore auf die Sprünge zu helfen (bei miserabelstem Wetter, das die Stadt gerade in jenen Tagen heimsuchte). Um sich dann, angesichts einer fortgesetzten Aussperrung durch den padrone, für eine zeitweilige Aussetzung der Mobilisierungen aussprechen zu müssen.


Das sind nur einige Beispiele aus einer langen Liste von Betrieben, die versucht haben oder weiter versuchen den Kampf zu gewinnen. In Süditalien wurde, laut den von der FIOM vorgelegten Tabellen, nur ein einziger Vertrag unterzeichnet. In Mittelitalien ist die Situation nicht viel besser. Die Toskana ausgenommen (die nach der Emilia Romagna und der Lombardei die Region mit den meisten unterzeichneten Vorverträgen ist) gibt es dort nur neun besiegelte Abkommen. Und in diesem ganzen Wirbel von Namen und Zahlen ist der einzige Arbeitskampf in einem Großunternehmen, der bislang wirklich begonnen hat, der bei Fincantieri, wo die Mobilisierung allerdings nur schwer fortgesetzt werden kann, wenn wir nicht beschließen, in diesem Kampf einen qualitativen Sprung zu machen.


Zu all dem muss hinzugefügt werden, dass die Unternehmerarroganz sich in den letzten Wochen ständig erhöht. Von der parlamentarischen Anfrage des Ministers Giovanardi vor einigen Wochen zur Illegalität des Kampfes der FIOM über die Hausdurchsuchungen bei Funktionären und RSU-Delegierten bis hin zu den immer nachdrücklicher werdenden Forderungen der padroni, die Ordnungskräfte einzusetzen, um die Fortsetzung von Streikpostenketten und Blockaden der Werkstore zu verhindern. Das ist die Art, wie die padroni die Angelegenheit erledigen wollen.


<Der wichigste italienische Kapitalistenverband>Confindustria zeigt sich, auch wenn es über die Frage, wie mit dem Konflikt umgegangen werden sollte, einige interne Differenzen gibt (und die deshalb einigen ihrer angeschlossenen Unternehmen, die im Begriff waren nachzugeben, Ultimaten gesetzt hat), im Allgemeinen geschlossen, koordiniert und kompakt und in der Lage, den padroni, die in Schwierigkeiten sind, Hilfe zukommen zu lassen.


Und wir ? Können wir aufrichtig sagen, dass auf dieser Seite der Barrikade dieselben Maßnahmen ergriffen wurden ? Oder müssen wir leider feststellen, dass – wenn der Kampf um die Vorverträge ersteinmal begonnen hat – jeder allein dasteht und ausschließlich auf die eigenen Kräfte vertrauen darf ? Das ist es, was wir in der großen Mehrheit der Fälle sehen. Wozu aber dient ein Gewerkschaftsbund, wenn die Werktätigen verstreut kämpfen müssen – ohne Koordinationen, ohne Strategie und ohne Perspektive ?


Die Mobilisierung langfristig Unternehmen für Unternehmen zu betreiben, wenn die Werktätigen anfangen, eine beträchtliche Anzahl von Streikstunden anzuhäufen und kein Ausweg in Sicht ist, führt unvermeidlich dazu, dass die Müdigkeit überhand nehmen kann. Worauf vor allem dann das Nachgeben folgt, wenn das Unternehmen <die Sache> durchgerechnet und beschlossen hat, Widerstand zu leisten. Es ist das Gefühl der Isolation, das sich in den kämpferischsten Betrieben zu verbreiten beginnt. Betrieben, die gekämpft haben und es trotz des Fehlens einer Perspektive weiterhin tun.


In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass dort, wo es Koordinationen der Arbeiter (wie in Modena) gegeben hat, diese den Arbeitern Mittel und Energien verliehen haben und verleihen, um hart zu bleiben, auch nachdem verschiedene Betriebe einen beachtlichen Berg an Streikstunden angehäuft haben.


Die von der Koordination der Delegierten organisierten gemeinsamen Aktionen helfen dem Kampf. Alle zusammen bei der Organisation von Straßenblockaden, Demonstrationen und Streikposten sind bedeutsamere Kräfte als jedes einzelne Unternehmen allein aufbieten kann. Zweitens erlaubt die umfangreichere Beteiligung an diesen Mobilisierungen den Arbeitern, eine größere Vorstellung von der eigenen Kraft zu bekommen und erlaubt es, die Informationen über die Erfahrungen, die sie während der Kämpfe in den unterschiedlichen Betrieben machen, ständig in Umlauf zu halten. Schließlich – und das ist sicherlich einer der bedeutendsten Aspekte – können die Arbeiter unterschiedlicher Unternehmen miteinander diskutieren und sich auseinandersetzen. Dadurch kann dafür gesorgt werden, dass die fortgeschrittensten und kämpferischsten, die motiviertesten Arbeiter eines Unternehmens die Arbeiter eines anderen, in dem das Klima anfängt zu kippen, überzeugen und motivieren.


Die Einheit schafft die Kraft. Das ist ein altes Gesetz der Arbeiterbewegung. Diese gemeinsame Durchführung des nationalen Arbeitskampfes (weil es um einen nationalen Tarifvertrag geht) hat aber – sagen wir es offen – aufgrund der Unentschlossenheit, der Zwiespältigkeit und letztendlich des unverantwortlichen Verhaltens der FIOM-Führung abgenommen. Einer Führung, die sich intern einer Rechten gegenüber sieht, die zu den schönen Zeiten der Konzertierten Aktion zurückkehren will und einer schwankenden Linken, die Widerstand leistet, aber nicht bereit ist, sich vollständig auf die organisatorische Kraft der Arbeiter zu stützen, die keine Koordination der RSU-Delegierten initiiert, die nicht versucht die Front zu vereinen – so als ob sie die Arbeiter und ihre Organisierung fast mehr fürchten würde als die padroni. Es ist Zeit für eine Wende !


Lässt die CGIL der Emilia Romagna die FIOM im Stich ?


Die Wende ist nach der Episode vom 5.November <2003> noch notwendiger geworden. Während Tausende Arbeiter sich anschickten, zur landesweiten Demonstration nach Rom zu fahren, unterzeichneten der CGIL-Regionalsekretär der Emilia Romagna, Danilo Barbi, und sein Gegenüber von der Confindustria eine gemeinsame Verpflichtungserklärung, um die Streiks für die Vorverträge in der Region so schnell wie möglich zu beenden.


Der Text ist widersprüchlich und – wie es Tradition ist – für unterschiedliche Interpretationen geeignet. In einer Hinsicht lässt er allerdings keine Zweifel. Dort wo er sagt: „Mit Blick darauf, dass jeder Ebene die ihr eigenen Angelegenheiten übertragen werden, kann die auf den nationalen Tarifvertrag bezogene Situation beigelegt werden, wenn sie in weitere Entwicklungsphasen der Branchentarifverhandlungen einmündet und man in der besten Weise sowie entsprechend den jeweiligen Fristen und den präsentablen Themen die Phase der unternehmensbezogenen Tarifverhandlung einleitet.“ (aus der Tageszeitung „Il Resto del Carlino“ vom 6.11.2003)


Der Sinn ist klar. Die Unternehmer beabsichtigen nicht, sich den betrieblichen Arbeitskämpfen mit allen Mittel zu widersetzen. Im Gegenzug verpflichtet sich die CGIL dazu in den Grenzen der unternehmensbezogenen Tarifverhandlungen zu bleiben. Das bedeutet: Verhandlungen nur über die Entlohnung. Womit faktisch der von FIM-CISL und UILM unterzeichnete nationale Betrugstarifvertrag akzeptiert wird.


Während wir die doppeldeutigen Erklärungen des CGIL-Regionalsekretärs lesen, der verkündet, dass weder Modalitäten noch Wege beschlossen worden seien, um die Phase zu beenden und er bekräftigt, die Autonomie der FIOM nicht verletzen zu wollen, sagt, wiederum im „Resto del Carlino“, der Confindustria-Verantwortliche genau das Gegenteil. Mit dem Wind im Rücken verkündet er, dass man geklärt habe, dass der mit CISL und UIL unterzeichnete Tarifvertrag nicht neu aufgeschnürt wird und dass der Weg nun der der betrieblichen Tarifverträge sei. Und zwar so, dass jeder seinen Job macht, ohne nationale Abkommen oder gar vom Parlament verabschiedete Gesetze wie das <der weiteren Prekarisierung dienende> Gesetz Nr.30 durcheinander zu bringen.


Welche Rechtfertigung uns der Regionalsekretär der CGIL dafür auch immer geben wird, Aktionen wie diese können auf die Arbeiter, die diese Kämpfe seit Monaten unter großen Opfern führen, nur eine demotivierende und schwächende Wirkung haben.


Mit welchem Recht hat der Regionalsekretär diesen Weg beschritten ? Das Mandat dazu hat ihm der CGIL-Apparat erteilt, der will, dass alle in Reih und Glied zurückkehren, weil dieser Arbeitskampf die Politik der Sozialpartnerschaft mit den padroni und die Einheit der CGIL-Spitze mit den Spitzen von CISL und UIL kompromittiert.


Wiedereinmal stellt sich die Frage: Können wir jemals auch nur einen einzigen Kampf mit derartigen Führern gewinnen ?


Wie in der kommenden Periode vorgehen ?


Die Kämpfe der letzten Wochen haben gezeigt, dass die Arbeiter bereit sind, einen fortgeschritteneren Tarifvertrag als den von FIM und UILM unterzeichneten zu verteidigen. Wir können noch mehr sagen: Wenn die Partie noch nicht zu Ende ist und viele an der <landesweiten> Demonstration teilgenommen haben (es waren mehr als 100 000 Leute da), dann liegt das an den Arbeitern jener Betriebe, die weiter versuchen zu siegen und dank denen der Arbeitskampf heute noch am Leben ist. Mit Sicherheit ist er das nicht aufgrund der Strategie der FIOM als solcher, sondern trotz der Strategie der Vorverträge.


Die Partie ist noch nicht beendet, aber es ist dringend notwendig, die Linie zu ändern, um keine Niederlage zu erleiden. Heute glauben die Arbeiter noch, dass man einen nationalen Tarifvertrag zurückerobern kann. Langfristig besteht allerdings die Gefahr, dass – wenn sich weiterhin keine Ergebnisse einstellen – ein Vorschlag der Unternehmerseite, die Verhandlungen herunterzufahren und sie (unter Mithilfe von FIM und UILM) in eine Diskussion über einen ergänzenden Vertrag zu verwandeln, für diejenigen, die mittlerweile 80 oder 90 Stunden Streik auf dem Buckel haben, zu einem unvermeidlichen Notbehelf wird.


Die allgemeine Situation hilft uns. Der Angriff auf die Werktätigen in puncto Renten und prekäre Beschäftigung sagt uns, dass die Front, um Unternehmer und Regierung zu bekämpfen, entschieden ausgeweitet werden kann. Daher geht es darum, aus dem Kampf in den einzelnen Unternehmen herauszukommen, sich nach außen zu öffnen und dadurch eine immer größere Zahl von Werktätigen in die Mobilisierungen einzubeziehen.


Es ist vorrangig, einen Weg zu ebnen, um nach dem Streik vom 7.November eine Serie von lokalen, regionalen und dann wiederum nationalen Aktionen zu planen, um auf diese Weise den Kampf an allen Fronten zu generalisieren: vom Tarifvertrag über die Renten bis hin zur prekären Beschäftigung.


Es ist möglich zu siegen, allerdings unter einer Bedingung: Dass es die RSU-Delegierten und die Werktätigen sind, die sich den Arbeitskampf wieder aneignen, dafür sorgen, dass er einen qualitativen Sprung macht und sie die Front wieder schließen. Die differenzierten Streiks der letzten Monate haben gezeigt, dass die Werktätigen die Kämpfe sehr viel besser organisieren können als es die Gewerkschaftsspitzen in den letzten Jahren vermocht haben. Es geht darum zu begreifen, dass wir genauso wie wir die Kämpfe in den Betrieben besser führen können, wir auch auf nationaler Ebene führen können und müssen.


Deshalb lautet unser Vorschlag, eine nationale Versammlung der FIOM-Delegierten zu schaffen, die sich mit den Vorverträgen beschäftigt. Eine Versammlung, die eine nationale Kampfkoordination wählt, die für die gesamte Dauer des Arbeitskampfes an die Seite des Zentralkomitees der FIOM tritt.


Man muss die Koordinationen auf alle lokalen Bereiche ausdehnen, so wie in Modena. Koordinationen müssen vereinte Mobilisierungen organisieren und die Gliederung der Streiks in den Fabriken leiten, Straßenblockaden koordinieren und alle Kampfaktionen, die für das Erreichen unserer Ziele als notwendig erachtet werden.


Die nationale Koordination muss sich dafür einsetzen, Aktionen und Mobilisierungen für eine Generalkampagne in Sachen Tarifverträge sowie gegen das Gesetz Nr.30 und den Angriff auf die Renten zu starten.


Mit dem Ziel, zu einem 24stündigen Generalstreik zu gelangen.


Mit einem Forderungskatalog, in dessen Mittelpunkt über die Erneuerung der Tarifverträge für die Metallarbeiter hinaus die Forderung nach einer Anpassung der Löhne an das teure Leben <= die spürbare Erhöhung der Lebenshaltungskosten>, der Rückzug des Gesetzes Nr.30, der Rückzug der Gegenreform bei den Renten, der Rücktritt von <Lega Nord-Arbeitsminister> Maroni und der gesamten Regierung Berlusconi steht. Indem sich ein- oder mehrtägige Generalstreiks in einem Klima von Insubordination in den Arbeitsstätten mit einschneidenden Streiks abwechseln, die weh tun, können wir sie in die Knie zwingen.


Nur so kann man siegen !


Paolo Brini(Zentralkomitee der FIOM-CGIL und RSU-Delegierter bei Smalti in Modena), Orlando Maviglia (FIOM-CGIL Regionalkomitee Emilia Romagna und RSU-Delegierter bei Minarelli in Bologna, Davide Bacchelli (FIOM-CGIL Provinzkomitee Bologna und RSU-Delegierter bei IMA), Giampietro Montanari (RSU-Delegierter der FIOM-CGIL bei Cesap in Bologna), Ivan Serra (FIOM-CGIL-Delegierter in der RSU von RCM Bologna), Fabrizio Parlagreco (FIOM-CGIL-Delegierter in der RSU vom Amisco in Mailand), Nunzio Vurchio (FIOM-CGIL-Delegierter in der RSU von D’Andrea in Mailand).


Für Beteiligungen oder Unterschriften e-mail an:

nostravoce@yahoo.inostravoce@yahoo.i oder anrufen unter Tel. 0039/339/210 79 42.


<Alle Hervorhebungen wie im Original.>


Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover