Antifa-AG der Uni Hannover:
Im März
2005 findet der 6.Parteitag des Partito della Rifondazione Comunista (Partei der Kommunistischen Neu/be/gründung – PRC) statt, der
1992 aus der Fusion des linken Flügels der 1990 aufgelösten italienischen KP
(PCI), der linksradikalen Democrazia Proletaria (DP)
sowie zweier trotzkistischer Gruppen (der italienischen Sektion der
4.Internationale um die Zeitung „Bandiera Rossa“ / heute „ERRE“ und der linkstrotzkistischen „Proposta“- / heute „Progetto Comunista“-Gruppe) hervorging. Es wird ein sehr umkämpfter
Parteitag werden, da Parteichef Fausto Bertinotti im
letzten Jahr einen massiven Rechtsschwenk vollzog und nicht zuletzt durch sein
zunehmend autokratisches Verhalten die offene Bildung von vier oppositionellen
Fraktionen geradezu provozierte, die jede einen eigenen alternativen Leitantrag
vorgelegt haben. Es wird aber auch ein sehr spannender Parteitag werden, da Bertinotti nur über eine Unterstützung von 54% in der
erweiterten Leitung verfügt und die ersten Abstimmungen in Parteizirkeln (den
Grundorganisationen des PRC) im Schnitt 60% Unterstützung für die 4
Oppositionsfraktionen ergab. Bertinotti selbst hat
Anfang Januar bereits verkündet, 51% der Delegiertenstimmen auf dem Parteikongress
würden ihm schon genügen. Vor diesem Hintergrund sorgen
bei der parteiinternen Opposition eine bisher noch nie erlebte Steigerung der
Mitgliederzahlen im letzten Quartal von 2004 für berechtigte Unruhe. Man fühlt
sich unvermeidlich an die Praktiken erinnert, mit denen die KPÖ-Führung auf dem
umstrittenen Parteitag Anfang Dezember 2004 ihre Macht sicherte.
Die vier
oppositionellen Strömungen innerhalb von Rifondazione
reagierten mit einer gemeinsamen öffentlichen Erklärung, deren Übersetzung wir
im Folgenden präsentieren:
PRC-Mitgliedschaft 2005
Erklärung auf der Sitzung der
nationalen Parteitagskommission
Die Unterzeichnenden,
Vertreter der alternativen Leitanträge 2,3,4, und 5 auf dem 6.Parteitag des PRC
haben die Absicht die Aufmerksamkeit der gesamten Partei auf die Situation zu
lenken, die in der Mitgliederentwicklung der Partei eingetreten ist.
Aus den in der Kommission
bekannt gegebenen und heute ohne Vergleich zu den Zahlen von 2003 in der <parteieigenen Tageszeitung> „Liberazione“
veröffentlichten Zahlen ergibt sich ein Mitgliederzuwachs in einem Umfang, der
unseres Erachtens nicht einzig und allein einer positiven Ausweitung des
Einflusses der Partei zugeschrieben werden kann, sondern eher einem Run auf die
Mitgliedsausweise, aufgrund des Parteitages – einem Run, der in einigen Fällen
abnorme Ausmaße erreicht hat.
Noch im August wurde über
eine Partei diskutiert, die sich gerade in bezug auf
die Mitgliederentwicklung in Schwierigkeiten befand. Schwierigkeiten, die durch
die bei der landesweiten Demonstration <des PRC> am
25.September 2004 gezeigte bescheidene Mobilisierungsfähigkeit bestätigt wurden.
Heute sehen wir einen regelrechten Sprung nach vorn, der die Gesamtzahl der
Mitglieder für das Jahr 2004 auf über 97.000 anhebt – einer seit Jahren nicht
mehr erreichten Zahl und einer sehr viel höheren als die 85.770 von 2003. Eine
derartige Steigerung (um 13,5%) ist mit dem begrenzten Zuwachs (ca. + 1.500
Mitglieder), den es anlässlich des letzten Parteitages gab, nicht einmal
entfernt vergleichbar.
Die Überprüfung der Zahlen
zeigt, dass sich dieses Phänomen besonders in einigen Föderationen <= Kreisverbänden> und Zirkeln mit negativen Spitzen eines Verhaltens
konzentriert, das jedoch weit verbreitet ist und – anstatt, dass man es
bekämpft – von der nationalen Führungsgruppe der <Partei->Mehrheit legitimiert, ja geradezu gefördert wird. Einer Führung, die durch die
Tatsache, dass die vom Nationalen Sekretariat verfolgte Linie bereits in dieser
ersten Parteitagsphase <d.h.
den Diskussionen und Abstimmungen in den Zirkeln> auf starke Verblüffung und eine immer weiter
verbreitete Opposition trifft, stark beunruhigt ist.
Im Lichte dieser
Überlegungen haben wir vorgeschlagen, dass die Nationale Parteitagskommission
spezifische Interventionsinstrumente aktiviert, um, in Übereinstimmung mit den
Provinzkommissionen und den örtlichen Leitungsgremien, jene Situationen zu
überwachen, in denen die Mitgliederzahlen die durchschnittlichen Werte weit
übersteigen. Wir haben ebenfalls gefordert, dass uns die Mittel an die Hand
gegeben werden, um zu verifizieren, dass der Prozess der Überprüfung und
Ausgabe der Mitgliedsausweise der Föderationen den Regeln entsprechend erfolgt.
Diese Forderungen hat die
Mehrheit der Kommission mit einer Weigerung beantwortet, die uns wie eine
Erklärung der Bereitschaft erscheint, „jedes Mittel“ einzusetzen, um den
Parteitag <bzw. die
entscheidenden Abstimmungen dort> zu
gewinnen und zwar ohne an die Konsequenzen zu denken, die ein solches Vorgehen
für das Innenleben der Partei haben wird (und bereits hat). Unserer
Einschätzung nach handelt es sich um die schlechtestmögliche
Art, auf die kritischen Bemerkungen und die verbreitete Ablehnung zu reagieren,
die von den Parteimitgliedern in Bezug auf die von der Mehrheit vorgeschlagene
Linie geäußert werden.
Wir bringen unsere
entschiedene Missbilligung gegenüber einem Vorgehen zum Ausdruck, das unseren
Parteitag beeinträchtigt und die Leidenschaft herabwürdigt, mit der sich
Tausende von Genossen anschicken, im Verlaufe der kommenden Wochen zu
diskutieren. Wir erneuern unsere Verpflichtung auf dem Parteitag und darüber
hinaus mit allen politischen Mitteln zu kämpfen, die dem Ziel, diesen Kurs
umzukehren, angemessen sind.
Um zu verhindern, dass sich
die Mitgliederversammlungen in den Zirkeln aus Momenten der <inhaltlichen> Auseinandersetzung in Zählungen von
Mitgliedausweisen verwandeln, die von einer Debatte absehen, fordern wir die
Leitungsgremien der Zirkel – in Interpretation des Reglements (ohne es zu
verletzen) – auf, den für die Diskussion bestimmten Teil der Versammlungen
soweit wie möglich auszuweiten und bei den Einladungen zu diesen Versammlungen
vorzusehen, dass die Abstimmungen über die Dokumente in der vorgesehenen Zeit
mit einem einzigen Aufruf an die am Ende der Debatte anwesenden Genossen
durchgeführt werden und so die Modalität des „Zeitfensters“ zu verhindern, das
– um so mehr in diesem Rahmen – Gefahr läuft, den politischen Sinn des
Parteitages zu entstellen.
Wir sind uns sicher, dass
dieser Appell von allen Genossen ernsthaft in Betracht gezogen wird (egal
welchem Lager sie bei diesem Parteitag angehören), denen die Qualität der
Beziehungen unter den Genossen, die Wahrung des Anstands innerhalb der Partei
und die Entwicklung einer echten innerparteilichen Demokratie am Herzen liegt,
die auf der Debatte, auf der Auseinandersetzung und auf der aktiven und
kämpferischen Beteiligung basiert und von der minderwertigen Praxis der
Mitgliedsausweis- oder Stimmen-“Pakete“ weit entfernt
ist.
Beatrice Giavazzi und Alessandro Valentini
(Antrag 2)
Franco Grisolia und Francesco Ricci (Antrag 3)
Salvatore Cannavò und Flavia D’Angeli (Antrag 4)
Claudio Bellotti und Alessandro Giardiello
(Antrag 5)
Rom, 7. Januar 2005
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover