Gewerkschaftsforum Hannover:
Der Dissens in der CGIL:
Die Geschichte wiederholt sich, dieses Mal in der CGIL
Es ist
nicht das erste Mal in der Geschichte der Arbeiterbewegung (nicht nur in
Italien), dass wenn die auf verschiedene Weise reformistische (zentristische,
stalinistische, sozialdemokratische) Linke in den Regierungen und den
Regierungsmehrheiten mit den Kräften und Parteien der liberalen Bourgeoisie
zusammenarbeitet, das Recht auf organisierten Dissens in den großen
Massenorganisationen, wie der Gewerkschaft, in gravierender Weise beschränkt,
wenn nicht unterdrückt wird.
Das
passierte in unserem Land im Laufe der Volksfrontregierungen während der Jahre
1943-1947, wiederholte sich während der Regierungen der Nationalen Einheit in
der zweiten Hälfte der 70er Jahre und findet heute bei der Regierung der
Mitte-Links-Union erneut statt. Dieses Mal war es an der Nationalen Leitung der
CGIL, die sich am 21.November 2006 versammelte, das Drama in zwei Akten einer
bereits verfassten Prosa aufzuführen.
Der erste
Akt fand im Zuge der Vorbereitung und dann der Durchführung der Demonstration
gegen die Prekarität der Lohnarbeit am 4.November in
Roma statt.
Einer
Demonstration, die den Intentionen der Organisatoren zufolge reiner Druck auf
die Regierung sein sollte. Gerade aufgrund der von der Exekutive praktizierten
arbeiterfeindlichen Wirtschaftspolitik (angefangen beim Umgang mit den prekär
Beschäftigten bei Atesia, dem bekannten römischen Call Center) bekam die Demonstration
allerdings – unabhängig von den Intentionen des Organisationskomitees – immer
mehr einen oppositionellen Charakter.
Das
Sekretariat der CGIL forderte den sofortigen Rückzug der Branchengewerkschaften
der CGIL aus dem Organisationskomitee der Demonstration und die Nichtteilnahme
derselben. Sie profitierte dabei von der Denunzierung der Rolle, die der <ehemalige rechte CGIL-Funktionär und heutige
Linksdemokrat Damiano als> Arbeitsminister in einer
bürgerlichen Regierung spielt, durch die Confederazione
Cobas. Ein Urteil, das allerdings vertretbar ist. Die
Sekretäre der <Branchengewerkschaft
für den Öffentlichen Dienst> Funzione Pubblica
(FP) und der Bildungsgewerkschaft (FLC), Carlo Podda
und Enrico Panini, zogen sofort ihre Beteiligung an der Manifestation zurück,
während die <Metallergewerkschaft> FIOM und zwei <gewerkschaftslinke> Komponenten der CGIL, Lavoro e Società und
Rete 28 Aprile, von denen die Erste in
der Nationalen Leitung der Mehrheit angehört und die Zweite der Minderheit, ihre
Beteiligung bestätigten. Einfluss auf die Entscheidungen übte zweifellos die
unterschiedliche Positionierung der Gewerkschaftsbürokratien dieser Bereiche im
Trennungs- und Neuzusammensetzungsprozess der Linken aus, die mit dem
Gründungsprozess der Demokratischen Partei verbunden ist. Die Ersteren sind für
den Gründungsprozess der Demokratischen Partei empfänglich – die Letzteren <dagegen> am Gründungsprozess der Linkspartei mit
sozialdemokratischer Orientierung interessiert. Es steht außer Frage, dass die
Funktion der CGIL in den Intentionen der Leitungsgruppen dieser kritischen
Bereiche nicht über die Rolle einer regierungskritischen Pressure
Group hinaus gehen soll und das war der Sinn ihrer Beteiligung an der
Manifestation vom 4.November. Zur Krise kam es ab dem Moment, in dem – entgegen
dem Willen der Organisatoren – die Kontraposition zur
Wirtschaftspolitik der Regierung in die Demonstration eindrang. Eine Kontraposition, die gerade aufgrund eines Haushaltes für
2007, der für die Werktätigen und die Volksmassen ein Blut &
Tränen-Haushalt ist, und aufgrund der offenkundigen Absicht der Regierung, die prekarisierenden Gesetze nicht abzuschaffen, im Laufe der
Monate zunahm.
Der zweite
Akt des Dramas vollzog sich vor dem Hintergrund des von der <Industriellenvereinigung> Confindustria
vorgeschlagenen Produktivitätspaktes, der von der Banca
d’Italia und den mit wirtschaftlichen Fragen betrauten Ministern der Regierung
unterstützt wird und das Ziel verfolgt, mit dem sozialpartnerschaftlichen
Tarifmodell Schluss zu machen, wie es mit den berüchtigten Abkommen vom Juli
1992 und 1993 aus der Taufe gehoben wurde. Das geht soweit selbst den
nationalen Tarifvertrag in Frage zu stellen und die Arbeitszeit einseitig
festzulegen. Das ist der Weg, den die Unternehmen gewählt haben, um die Profite
zu erhöhen: längere Arbeitszeit bei weniger Lohn. Dieser neue Sozialpakt ist
auf das Engste mit dem von CGIL, CISL und UIL vorgeschlagenen Pakt für die
öffentliche Beschäftigung verbunden, der darauf abzielt die vom
Haushaltsmanöver vorgesehenen Kürzungen für 2007 zulasten des Öffentlichen
Dienstes, des Schul- und Gesundheitswesens sowie der lokalen Verwaltungen zu
gestalten und auch den öffentlichen Sektor für die privaten Rentenfonds zu
öffnen.
Darüber
hinaus wird der Prozess des Abbaus des öffentlichen Vorsorgesystems, der mit
der Dini-Reform von 1995 begonnen wurde, aufgrund des jüngst von Regierung,
CGIL, CISL und UIL sowie der Confindustria
unterzeichneten Übereinkommens ab Januar eine Beschleunigung erfahren. Das
Renteneintrittsalter wird weiter angehoben und die Veränderung der
Koeffizienten wird die öffentliche Rente weiter zusammenkürzen. Zugleich haben
die starken Mächte, die Regierung und die Gewerkschaftsbürokratien die Kampagne
für die Schaffung der Rentenfonds zur Ergänzung einer öffentlichen Rente
gestartet, die mittlerweile (vor allem für die prekär Beschäftigten) eine
Hungerrente ist, und zwingen die Werktätigen dazu ihre Abfindungszahlungen
dafür zu verwenden. Das ist ein weiterer Nepp, denn die Rentenfonds werden
langfristig eine geringere Rendite abwerfen als die Rente der Nationalen
Sozialversicherungsanstalt (INPS). Und wie in Großbritannien und den USA
geschehen sind sie Gegenstand von Finanzbankrotten mit dem daraus folgenden
Verlust der eingezahlten Gelder und der Zinsen der Werktätigen.
Der
Einsatz, um den es geht, erklärt die repressive Wendung gegen den internen
Dissens innerhalb der CGIL. Wobei auch berücksichtigt werden muss, dass die
Gewerkschaftsbürokratie sich darum bemüht die Rentenfonds zusammen mit anderen
Subjekten zu verwalten und so ihren elefantenhaften,
parasitären und bürokratischen Apparat aufrecht zu erhalten.
Im Bericht
des Generalsekretärs der CGIL, Guglielmo Epifani,
wird daher die Dringlichkeit deutlich, jeder Mobilisierung vonseiten der
Werktätigen vorzubeugen, die “negative Konsequenzen” haben könnte, die
darin beständen den “gegenwärtigen politischen Rahmen” in die Krise zu
stürzen. Eine CGIL, die sich um die Verteidigung der Regierung und ihrer
Wirtschaftspolitik bemüht.
In der
Nationalen Leitung standen sich zwei Anträge gegenüber, die beide aus derselben
Mehrheit des Gewerkschaftsbundes stammen – einer von Epifani
und der andere von Lavoro e Società. Der Antrag der Letzteren verteidigte die
Teilnahme an der Demonstration vom 4.November, hütete sich aber sehr davor die
Mehrheit des Gewerkschaftsbundes verlassen. Trotz des Angriffs auf sie und
angesichts der politischen und sozialen Situation, mit der die
Gewerkschaftslinke konfrontiert ist, beschränkte sich das von Giorgio Cremaschi repräsentierte Rete
28 Aprile (Netzwerk 28.April) auf Redebeiträge, in denen die Gründe für die
Teilnahme an der Demonstration und das Recht auf Dissens bekräftigt wurden.
Dann aber enthielt man sich zusammen mit dem Sekretär der FIOM, Rinaldini, in der Nationalen Leitung. Keine Gegenstimme
also und nicht einmal die Vorlage eines zur Mehrheit alternativen Antrages.
Wir halten
die Verteidigung des Rechts auf eine programmatische Tendenz in der CGIL für
wichtig. Diese Verteidigung muss allerdings mit einer auf die Phase bezogenen
programmatischen gewerkschaftlichen Plattform verbunden sein, die auf der Höhe
der bevorstehenden Auseinandersetzung ist. Eine Plattform, die die gesamte
Lohnarbeit und die Arbeitslosen vereint und in der Lage ist eine allgemeine
Auseinandersetzung mit der Regierung und der Unternehmerschaft
ins Leben zu rufen. Wichtige Instrumente der Mobilisierung sind die Bildung von
“Komitees zur Verteidigung der öffentlichen Rente, der Abfindung (TFR) und
gegen die Prekarität” in den Arbeitsstätten und
den Arbeitervierteln, um den Kampf für die öffentliche Rente nach dem
Ausschüttungsprinzip und angemessener Anpassung an die Lebenshaltungskosten neu
zu lancieren und die Mindestrenten auf ein würdevolles Niveau anzuheben. Nur so
ist es möglich die eigene Abfindung (TFR) zu retten. Gleichzeitig muss der
Kampf für die Abschaffung der prekarisierenden
Gesetze fortgesetzt werden.
Es ist
nicht möglich (in Form von Zeitungsinterviews des nationalen Sprechers) nur eine
kritische Haltung gegenüber der Mehrheit des Gewerkschaftsbundes einzunehmen
noch weiterhin den Weg des kritischen Drucks auf die Regierung zu beschreiten.
Notwendig ist eine Antwort, die sich auf der Höhe der Situation bewegt: der
Generalstreik. Nur durch den gemeinsamen Generalstreik aller
nicht-sozialpartnerschaftlichen gewerkschaftlichen und linken Kräfte kann eine
Barriere gegen das Vorgehen der Regierung und der Unternehmerschaft
errichtet werden.
Vorbemerkung, Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen
Klammern:
Gewerkschaftsforum Hannover