Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Die Schwitzbuden der “maquilladora”-Industrie in Nord-Mexiko in unmittelbarer Nähe zur US-Grenze waren der Inbegriff für die Jagd des internationalen Kapitals nach der billigsten Arbeitskraft und insgesamt den besten Verwertungsbedingungen in den Zeiten der sogenannten “Globalisierung”. So wie diese Globalisierung in Wahrheit den Kapitalismus bereits seit mehr als 150 Jahren auszeichnet und das, was heute unter diesem Modebegriff verstanden wird “nur” eine weitere Ausweitung und Intensivierung desselben darstellt, sind mittlerweile auch die “maquilladoras” dabei durch einen neuen, noch attraktiveren Standort abgelöst zu werden: China. Die unabhängige linke italienische Tageszeitung “il manifesto” brachte zu diesem neuen Globalisierungsschritt am 19.7.2002 die Übersetzung eines sehr interessanten Artikels aus der linken mexikanischen Zeitung “La Jornada”, die wir ins Deutsche übersetzt haben. Da Spanisch und Italienisch eng miteinander verwandte Sprachen sind und es sich hier um einen relativ einfachen ökonomischen Text handelt, sind sprachliche Verzerrungen durch das zweimalige Übersetzen weitgehend auszuschließen.



Die maquilladoras verlassen Mexiko in Richtung China


Jagd nach immer niedrigeren Arbeitskosten und Anreizen für die ausländischen Unternehmen. So verliert Mittelamerika die Arbeit.


Juan Antonio Zuniga und Roberto Gonzales Amador


Seit Juni vergangenen Jahres sind es mindestens 545 Montageunternehmen (bekannt als maquilladoras), die ihre Investitionen aus Mexiko abgezogen haben. Sie haben sich in andere Länder verlagert - vor allem nach China, wo “unfaire” Konkurrenzvorteile, vermutlich über Regierungshilfen, offeriert werden. Die Zahlen stammen vom <mexikanischen> Wirtschaftsministerium, von der Bank von Mexiko und dem Nationalen Institut für Statistik, Geographie und Informatik (INEGI). Seit einem Jahr und in wechselnden Phasen haben ganze Werke - vor allem für die Produktion von elektrischen und elektronischen Materialien und Zubehör - das mexikanische Territorium verlassen. Es scheint paradox, daß eine noch unbestimmte Anzahl von Unternehmen, die entlang des, dem amerikanischen Markt nächstgelegensten, Grenzstreifens aktiv sind, es vorgezogen hat nach China und nach Südostasien zu migrieren. 232 Werke in den ersten vier Monaten diesen Jahres, d.h. zwei pro Tag. Praktisch <sind das> 42,5% derjenigen, die sich seit Juni 2001 <aus Mexiko> zurückgezogen haben. Seit damals hat Mexiko im Kontext der Globalisierung aufgehört für die maqulladoras-Unternehmen attraktiv zu sein. Eines von sieben Unternehmen, das auf dem nationalen Territorium operierte, hat geschlossen, um dorthin zu migrieren, wo die Erleichterungen derart stark sind, daß sie es - trotz der, durch die Entfernung verursachten, Erhöhung der Mietkosten <von Transportmitteln> - erlauben zu niedrigeren Preisen als in Mexiko zu produzieren. Zu den von den Regierungen anderer Länder offerierten Vorteilen gehört der Lohnvorteil, der mehr als 20 Jahre lang den größten Reiz dargestellt hat und in grundlegender Weise durch die fortwährenden Abwertungen des Peso während der letzten 28 Jahre stimuliert wurde. Die durch die brutalen Abwertungen entfesselten Inflationsprozesse haben die Kaufkraft der Löhne ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen, während sie die Kosten der mexikanischen Arbeitskräfte in Dollar attraktiv machten.


Laut INEGI “lag die durchschnittliche Entlohnung pro Beschäftigtem in den in Mexiko aktiven maquillas” im April diesen Jahres “bei 1 837 Pesos (ca. 170 Euro)”. In realen Werten ist dieser Lohn um 6,2% niedriger gewesen als der im März 1980. Der von den maquilladoras-Unternehmen bezahlte Maximallohn wurde im April 1983 erreicht als es, laut INEGI, in realen Werten 2 416 Pesos waren. Dieser höchste jemals von denjenigen, die hier arbeiten, erreichte Wert liegt um 31,5% höher als der Lohn 20 Jahre später, im April 2002.


In Mexiko wurden aufgrund der Migration der Montagewerke über 149 300 Leute arbeitslos. Angesichts dieser Situation hat das Wirtschaftsministerium eine Equipe gebildet, um die Ursachen zu untersuchen, die zur Flucht der maquillas geführt haben. Von Lourdes Dieck geführt, hat die Gruppe bereits begonnen Daten in einem Universum von 5 000 Unternehmen zu sammeln und wird bestimmen müssen, “welches die Anreize sind, die die große Menge von Unternehmen gereizt haben, Mexiko in Richtung China zu verlassen”. Die Arbeit, deren Schlußfolgerungen Mitte August vorgelegt werden sollen, geht von der Hypothese aus, daß “solche Anreize in Wirklichkeit von der chinesischen Regierung gewährte getarnte Hilfen sind, um die Unternehmen auf das eigene Territorium zu locken und von dort aus das auf dritte Märkte zu exportieren, was bei den mexikanischen Unternehmen wegfällt.


Die mexikanischen Behörden kalkulieren, daß “China” vor dem Beitritt zur WTO (Welthandelsorganisation) “mit den Spielregeln spielte, die ihm am besten gefielen. Das heißt es hat ein sehr klares Programm an Stimulanzen über eine große Menge an Hilfen, weil sie nicht den Regeln unterlag, die alle Angehörigen der WTO respektieren müssen”. Der Effekt des chinesischen Spiels mit eigenen Regeln hat sich für die mexikanische Wirtschaft bereits als schädlich erwiesen.


Laut der <mexikanischen> Zentralbank hat sich die Zahl der in diesem Sektor Beschäftigten zwischen dem Juni des vergangenen Jahres und dem Februar 2002 um 158 898 Einheiten reduziert. Die am stärksten betroffenen Montagewerke sind die Produzenten von elektrischem und elektronischem Material und Zubehör, wo 63 110 Leute die Arbeit verloren haben. Im Textilsektor sind bis Februar 52 518 Arbeitsplätze verloren gegangen. Im Bereich des Maschinenbaus und der elektrischen und elektronischen Vorrichtungen lag die Reduzierung dagegen bei 8 910 Beschäftigten. In den Spielzeug- und Sportartikel-Fabriken haben 3 223 Personen den Arbeitsplatz verloren und in einem nicht näher identifizierten Sektor (“andere Fertigungsindustrien”) hat die Arbeitslosigkeit 18 234 Arbeiter getroffen.


DAS INEGI hat seinerseits ermittelt, daß zwischen Juni 2001 und dem April diesen Jahres über 149 300 Beschäftigte der maquillas arbeitslos geworden sind. Von diesen waren ca. 121 000 Arbeiter. Wenn wir allerdings vom Geschlecht sprechen, waren die am stärksten Betroffenen die Arbeiterinnen. In diesem Zeitraum haben 73 000 weibliche Beschäftigte die Arbeit verloren. Diese 60% der Entlassungen wurden durch die Verlagerung der Anlagen, in denen sie arbeiteten, ins Ausland verursacht. Bei den restlichen 40% (gleich 48 000 Personen) handelt es sich um männliche Arbeiter.


Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover