Antifa-AG der Uni Hannover:
Während der israelische
Besatzungsterror, unter dem die palästinensische Bevölkerung in den 1967
besetzten Gebieten leidet, in den bürgerlichen Medien zumindest gelegentlich
noch Erwähnung findet, wird über die Diskriminierung und die Repression
gegenüber den Palästinensern, die im Kernstaat Israel leben, diskret
geschwiegen. Insofern ist das folgende Interview mit dem Generalsekretär der
Kommunistischen Partei Israels (CPI – Maki), Issam Makhoul, und
Knesset-Abgeordneten des linken Wahlbündnisses Hadash interessant, das genau
darauf eingeht. Die israelische KP verfügt zwar einen hohen Anteil jüdischer
Mitglieder (wenngleich die Mehrheit arabischer Herkunft ist), besitzt ihre
Basis bei Wahlen allerdings vor allem in der arabischen Bevölkerungsminderheit.
Bei den Knesset-Wahlen vom 28.März 2006 erreichte die Hadash (Demokratische
Front für Frieden und Gleichheit) 86.092 Stimmen (2,74%) und 3 Sitze. Gegenüber
den vorangegangenen Wahlen am 27.1.2003 hielt sie ihren Stimmenanteil
weitgehend (-0,26%), während die originär linkssozialdemokratische Meretz weitere
Verluste verzeichnete und nun nur noch auf 3,77% (-1,43%) kam. Die Ausrichtung
der CPI / Maki (www.maki.org.il/) ist bei
Licht betrachtet allerdings eher linksreformistisch denn revolutionär, wie auch
an Makhouls Positionierung zum Staate Israel oder zur wachsenden Unzufriedenheit
der Hadash-Wähler mit deren Politik deutlich wird. Dennoch wird ihre politische
Arbeit als derart „störend“ empfunden, dass Issam Makhoul am 24. Oktober 2003
Ziel eines Bombenanschlages rechtsextremer Zionisten war, bei dem er nur durch
Glück mit dem Leben davonkam. Neben solchen terroristischen Gruppen ist der
noch weiter nach rechtsaußen abgedriftete Rest-Likud unter Netanjayhu und die
offen rechtsradikale Partei Yisrael Beteinu (Unser Haus Israel) ein erhebliches Problem für die in Israel lebenden
Palästinenser. Die von Netanyahus
ehemaligem Büroleiter (1996-99) Avigdor Lieberman geführte und vor allem von
russischen Einwanderern gewählte Partei Yisrael Beteinu war der
Überraschungssieger der jüngsten Wahlen. Sie erhielt 281.880 Stimmen (9,0%) und
11 Sitze (+ 8), womit sie ganz knapp hinter der ultra-orthodoxen Shas-Partei
und dem Likud fünftstärkste Kraft wurde. Ihr Programm wird von liberalen und
linken Israelis je nach politischem Standpunkt als „rassistisch“ oder gar „faschistisch“
bezeichnet. Kernpunkt ist aktuell, neben Kriegshetze, vor allem die Vertreibung
möglichst vieler der noch in Israel lebenden Araber.
Das Interview erschien in der von
Rifondazione Comunista herausgegebenen Tageszeitung „Liberazione“
vom 22.3.2006.
Interview
mit Issam Makhoul, arabischer Abgeordneter der Hadash und Sekretär der
Kommunistischen Partei Israels.
Angriff
auf die Rechte: „Sie will uns deportieren“ und auf Ministerpräsident Olmert:
„Der Sharonismus ohne Sharon ist auch schlecht.“
„Wir wollen echte
politische und soziale Gleichheit!“
Jerusalem – Unsere
Korrespondentin
„Diese Wahlen sind nicht der
Ausweg aus der Krise, die Israel durchmacht, sondern deren Ergebnis. Kadima ist
nicht die Alternative zur Krise, sondern ihr stärkster Ausdruck.“ Issam
Makhoul, Hadash-Abgeordneter und Generalsekretär der Kommunistischen Partei
Israels, gebraucht starke Worte, um Liebermans Ausfälle und das Klima dieser
Tage im Allgemeinen zu kommentieren: „Lieberman spricht von einer faktischen
Deportation der arabisch-israelischen Bevölkerung und niemand nimmt daran
Anstoß. Er hält Reden, die ich im vollen Sinne des Begriffes als faschistisch
bezeichnen würde und die Politiker verleihen diesen Argumenten in der
politischen Debatte Legitimität. Seine Ideen stehen in diesen Tagen im Zentrum
der israelischen Politik. Das ist kein gutes Zeichen.“
Lieberman wirft
ausdrücklich ein Loyalitätsproblem gegenüber dem Staat Israel auf. Was
antworten Sie ihm?
„Dass das eine absurde Frage
ist. Unsere Staatsbürgerschaft in diesem Staat ist das Ergebnis eines
historischen Prozesses, den wir selbstverständlich nicht gewollt haben, den wir
aber für einen Tatbestand halten und das nicht erst seit heute. Wir erkennen
nicht nur die Existenz Israels an, sondern wir erkennen seine volle Legitimität
an. Das Problem ist, dass wir wollen, dass unsere Rechte garantiert werden.
Innerhalb dieses Staates sind wir eine Minderheit und doch wird uns dieser
Status nicht zuerkannt. Wir wollen eine echte Gleichheit: in der Politik, in
der Wirtschaft, in der Arbeitswelt, im Bildungswesen, in der Verwaltung und…
ich könnte endlos fortfahren.“
Glauben Sie, dass eine
Anerkennung des Status einer nationalen Minderheit diese Rechts- und
Chancengleichheit sichern kann?
„Der Punkt ist, dahin zu kommen,
kollektive und nicht nur individuelle Rechte zu haben.“
Das Votum der Araber
bleibt bei diesen Wahlen eine Unbekannte. Die prozentuale Wahlbeteiligung und
die Ausrichtungen befinden sich noch im Fluss. Teilen Sie die Einschätzung von
Professor Rekhess, der von einem weiteren Rückgang der Wählerzahlen und von
einer konkreten Gefahr des Verschwindens Eurer Parteien aus der Knesset
spricht?
„Ich glaube, dass die
Wahlforscher sich im Allgemeinen wünschen, dass ihre Studienmodelle Realität
werden. Ich bin nicht so pessimistisch.“
Das Gefühl der
Frustration und Enttäuschung unter Euren Wählern ist allerdings nicht zu
leugnen. Sie werfen Euch vor, nichts getan zu haben, um die Bedingungen zu
verbessern, obwohl Ihr doch in der Knesset saßet.
„Ich verstehe ihre
Verzweifelung. Die Situation ist mittlerweile an der Grenze angelangt. Ich
hoffe allerdings, dass diese Wut konstruktiv sein und sie dazu bewegen wird,
zur Wahl zu gehen. Und für uns zu stimmen.“
Der Chef der
Arbeitspartei (Avoda), Amir Peretz, versucht in Eurer Wählerschaft auf
Fischfang zu gehen. Er hat auch versprochen, einen arabischen Minister zu
ernennen und Euch schließlich vorgeschlagen, in eine eventuelle Koalition
einzutreten. Werdet Ihr das Angebot annehmen oder ablehnen?
„Was uns anbelangt, sind wir
niemals in eine Koalition eingetreten. Wir haben uns auf eine parlamentarische
Unterstützung von außen beschränkt. Das haben wir bei Rabin 1992 gemacht.
Könnten wir es jetzt wieder tun? Ich weiß nicht. Das hängt von der Politik ab,
die die Regierung betreibt. Wenn es dieselbe ist wie immer, wenn man zu
unilateralen Aktionen greift, wenn man den Bau der Mauer fortsetzt oder wenn
keine Maßnahmen gegen die Armut ergriffen werden, dann sehe ich nicht, wie wir
die neue Regierung unterstützen könnten.“
Wie hat sich die
israelische Politik nach dem Abtritt Sharons von der Bühne verändert?
„Sie hat sich nicht
verändert. Sharon gibt es nicht mehr, aber der ‚Sharonismus’ überlebt. Und der
‚Sharonismus’ ohne Sharon ist sogar noch schlimmer, weil Sharon zumindest die
Macht besaß, um das militaristische Abdriften seiner Regierung bei Bedarf zu
bremsen. Olmert besitzt die nicht. Und dann ist Kadima eine Partei ohne Logik.
Da drin finden sich alle Verantwortlichen für die politische, soziale und
ökonomische Verwesung der letzten Jahre. Ihr Programm spricht von einseitigen
Aktionen, von Mauer und Privatisierungen. Wie vorher und schlimmer als vorher.“
Stefania Podda
Vorbemerkung und Übersetzung: Antifa-AG der Uni Hannover