Antifa-AG der Uni Hannover:
Der über 70jährige Valentino Parlato,
der Ende 1969 wegen Linksabweichung aus der italienischen KP ausgeschlossen
wurde und dann u.a. zu den führenden Köpfen der politischen Gruppe „il
manifesto“ und der Partei für Proletarische Einheit (PdUP) gehörte, ist ein
Veteran der linken Bewegungen in Italien. Parteipolitisch nicht mehr
organisiert, ist er heute Direktor des Verwaltungsrates der von ihm mit
gegründeten, unabhängigen linken Tageszeitung „il manifesto“. Redaktionsintern
gehört er zur linken Minderheit, die u.a. die Vorwahlen (Primaries) zur Kür
eines Spitzenkandidaten ablehnt, mit denen sich die italienische
Mitte-Links-Union derzeit vor allem beschäftigt. In einem Leitartikel für die
Ausgabe vom 6.9.2005 liefert er eine kritische Bestandsaufnahme des
Zustands der italienischen Mitte-Linken, deren offizielles Ziel es ist, bei den
Parlamentswahlen im Frühjahr 2006 die schwer angeschlagene Berlusconi-Regierung
abzulösen.
Editorial:
Linke Angst
VALENTINO PARLATO
Es erscheint paradox, ja
sogar reichlich unsinnig, aber wenn man heute das Hin- und Herschwanken der <italienischen> Mitte-Linken betrachtet, ist die Versuchung sehr
groß, zu sagen, dass sie „Angst“ hat, „zu gewinnen“. Forza Italias Heer ist in
Auflösung begriffen. Die Chefs der verschiedenen Strömungen suchen nach einem
Notausgang, etwas ähnliches wie die Flucht von Napoleons Generälen und das Exil
auf Elba (nur noch ein bisschen übler). Er, Silvio <Berlusconi>, der Oberkommandierende, lobt sich selbst in den
höchsten Tönen, scheißt auf das Schicksal des Landes und erklärt sich bereit
nach Tahiti zu gehen. Nicht Gefangener auf Elba, sondern Multimilliardär auf
Tahiti. Das Gesamtbild besteht aus völliger Auflösung und (so wie fast immer)
aus einer ziemlich niederträchtigen Auflösung.
Was sagt und tut die
Mitte-Linke oder besser die verschiedenen (mittleren und linken) Bestandteile
der Mitte-Linken, angesichts dieses Standes der Dinge und Personen ? Ich will
hier nicht die Polemik über die Vorwahlen <eines Spitzenkandidaten nach US-Vorbild> – seien sie nun nützlich oder schädlich – neu
beginnen, aber es ist sicher, dass das primäre Engagement Aller heute bei den
Vorwahlen liegt, d.h. (wie ein Verfechter des Marktes sagen würde) in der
Konkurrenz zwischen den Kräften der Mitte-Linken. Und auch diese Konkurrenz
dreht sich nicht so sehr um die Güte des Produktes, sondern um die
Werbekampagne für das Produkt: Wieviele Werbespots schalten wir, um diesen oder
jenen Konkurrenten gut zu verkaufen ?
Man hatte gesagt, dass man
realistischerweise auf das Programm und nicht auf die Personen schauen sollte,
aber es wird sehr viel über Personen gesprochen und sehr viel vom Programm
erzählt. Einstmals (vergangene Zeiten!) gab es auch die Tageslosungen, die die
Kraft besaßen, die Inhalte des Programms zusammenzufassen. Heute fehlen jedoch
nicht nur die Tageslosungen, sondern auch die Programme und was einst die
Tageslosungen waren, präsentiert sich heute als ziemlich konfuse und dubiose
Wunschträume.
Der demokratische Kompromiss
des Wohlfahrtsstaates war ein Produkt des 2.Weltkrieges (und auch des
Vorhandenseins der Sowjetunion). Heute sind wir bei der Privatisierung des
Wohlfahrtstaates <angelangt>, mitunter auch bemäntelt durch die edlen Prinzipien
eines Universalismus, der die Arbeiter / Werktätigen (lavoratori)
beseitigt, indem er sie zu Bürgern veredelt. Und bei dieser großen
universalistischen Reform wagt es – insbesondere auf der Linken – niemand von
Steuern und ihrer Erhöhung (auch im Sinne der Progressivität) zu sprechen. Man
redet viel von Schweden, zieht es allerdings vor, über das hohe Steuerniveau in
diesem Land zu schweigen. Kurz, das was gesucht wird, ist weniger der Konsens
der „Volksmassen“, über die wenig gesprochen wird. In den bipolaren <Parteien-> Systemen – sagen sie uns – entscheidet die
Wählerschaft der Mitte, aber auch dieser Wählerschaft machen sie überzeugende
und verführerische Versprechungen.
Kurz – um zum Schluss zu
kommen – die institutionelle und wirtschaftliche Krise Italiens ist gravierend
(auch <die
italienische Zentralbank> Banca
d’Italia geht zu Bruch) und es herrscht große Angst an die Regierung zu kommen
und diese harte Nuss knacken zu müssen. Zu gewinnen ist eine große Gefahr und
erzeugt berechtigte Angst. Die Politikerschicht – auch die der Mitte-Linken –
kann sich konservieren, indem sie in der Opposition bleibt. Umso mehr, wenn
diejenigen, die an der Regierung bleiben, mehr als abgestanden sind. Aber ist
die Politik zu Beginn dieses Jahrhunderts wirklich derart reduziert ?
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen
Klammern:
Antifa-AG der Uni Hannover