Antifa-AG
der Uni Hannover:
Die Entsendung des italienischen “Schutztruppen”-Kontingents
in den Libanon und die Übernahme des Kommandos über diesen imperialistischen
Militäreinsatz, der wieder für “geordnete
Verhältnisse” im Zedernland (und perspektivisch im ganzen Mittleren Osten)
sorgen soll, spaltet nicht nur die italienische Anti-Kriegs-Bewegung, sondern
auch das was sich in Italien “radikale Linke” nennt. Man könnte auch
sagen: Sie klärt die Fronten. In jedem Fall ist die tatsächlich antagonistische
Linke auch in diesem politischen Lager eher in der Minderheit, so vielfältig
ihre Bestandteile auch sind (die von Teilen der Disobbedienti
über die COBAS, linke Trotzkisten und die Bordigisten
bis hin zu den traditionell und hauptsächlich antiimperialistischen Gruppen
reichen).
Während Rifondazione Comunista (inklusive großer Teile des linken Flügels), aber
auch die großen Alten von “il manifesto”, wie Rossana Rossanda und Valentino Parlato (wie wir noch dokumentieren werden) mit Leib und
Seele die “Interpositions”-Streitkräfte unterstützen, spricht
sich der Mitte Mai 2006 aus Rifondazione ausgetretene
Marco Ferrando (51) entschieden dagegen aus. Ferrando war bis zum Frühjahr 2006 prominentester Vertreter
des Progetto Comunista
(Kommunistisches Projekt), der im Vorfeld des letzten PRC-Parteitages
als entschiedenste Strömung der Parteilinken von gut
3.000 Mitgliedern unterstützt wurde (= 5,5% der abgegebenen Stimmen). Diese
Strömung spaltete sich seit Jahresbeginn in drei Teile. Die beiden größeren
Teile verließen die Partei nach deren Eintritt in die neue
Mitte-Links-Regierung. Eine kleine Gruppe setzt den Entrismuskurs
hingegen fort. Bei den beiden größeren handelt es sich einerseits um die von Marco
Ferrando und Franco Grisolia
geführte, in Gründung befindliche, Kommunistische Arbeiterpartei (PCL; http://www.pclavoratori.it/files/index.php)
sowie um den etwas größeren Progetto Comunista – Rifondare l’Opposizione dei Lavoratori (Kommunistisches Projekt – die
Arbeiteropposition neu begründen; PC-ROL) unter der Leitung von Francesco
Ricci und Fabiana Stefanoni.
Ferrando und
Genossen versuchen mit dem PCL offenkundig eine Art lockere Neuauflage
der 1991 in Rifondazione aufgegangenen Democrazia Proletaria (DP), die von Mitte der 70er bis Ende der
80er Jahre das politische Sammelbecken der radikalen Linken und ihr
parlamentarischer Ausdruck war und 1991 dann zusammen mit dem linken Flügel der
aufgelösten KP Rifondazione gründete. Dabei halten
sich zugleich ein Hintertürchen für eine teilweise Fortsetzung des Entrismuskurses offen. Dafür spricht die sehr unverbindliche
organisatorische und zum Teil auch politische Konzeption des PCL (Möglichkeit
von Doppelmitgliedschaften in Rifondazione und dem
PCL, kein Unterschied zwischen Mitgliedern und Sympathisanten, keine
Verpflichtung zur Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen; starke Medienfixierung,
Ablehnung der Regierungsbeteiligung nur auf nationaler Ebene…). Der PC-ROL
(http://www.progettocomunista.org),
der u.a. die komplette Jugendorganisation des alten Progetto Comunista umfasst, tritt
hingegen für eine betont leninistische Parteikonzeption und eine
Fundamentalopposition ein und konzentriert sich auf Basis- und Theoriearbeit.
Marco Ferrandos
Stellungnahme zum Libanon-Einsatz erschien am 21.8.2006 auf der
umfangreichen kommunistischen Website “Pane e Rose” (Brot
und Rosen – www.pane-rose.it),
die mit dem PCL sympathisiert, sich aber nichtsdestotrotz zunehmend zum
gruppenübergreifenden und recht anspruchsvollen Internetportal der
antagonistischen Linken Italiens entwickelt.
Nach dem
geschlossenen Vertrauensvotum für die Regierung in Sachen Kriegsmission in
Afghanistan applaudiert die gesamte Regierungslinke der neuen Militärmission im
Libanon. Und der Beifall für diese Mission scheint sogar den Großteil der
wechselnden Bauchschmerzen absorbiert zu haben, die die Weiterfinanzierung der
Afghanistan-Mission hervorgerufen hatte. Die Frage ist einfach: Warum? Keines
der benutzten Argumente hält nämlich den offensichtlichen Tatsachen stand. Und
zusammen mit den gebrauchten Argumenten scheint sich mir – offen gestanden –
sogar der Eindruck einer Aufsehen erregenden Kapitulation der Linken verstärkt
zu haben.
Die neue
Truppenentsendung als „Friedensmission“? Schauen wir uns das mal näher
an. Sogar aus einem engen pazifistischen und „gewaltfreien“ Blickwinkel
heraus ist schwer nachzuvollziehen, dass ein riesiges militärisches Aufgebot
mit Kriegsschiffen, gepanzerten Fahrzeugen, Kampfeinheiten und
Kampfhubschraubern eine Friedensmission sein soll. Es sei denn, man will genau
der Heuchelei jener militärisch-humanitären Politik im Nachhinein Recht geben,
gegen die die italienische Friedensbewegung entstanden ist. Vor allem aber ist
es unmöglich die konkrete politische Zielsetzung dieser Mission nicht wahrzunehmen:
Nicht nur die Unterstützung jenes schrecklichen israelischen Krieges, der ihr
vorausging, mit allen seinen Verbrechen, Verwüstungen, chemischen Bomben und
Bombenangriffen auf Trauerzüge (was alles durch die UNO-Resolution
gerechtfertigt wird), sondern auch die Vervollständigung dessen, was Israels
Krieg auf dem Schlachtfeld zu erreichen nicht gelungen ist:
-
die
Kapitulation und Entwaffnung des libanesischen Widerstandes <durchzusetzen>, der nicht nur aus der Hisbollah besteht und
fundamentalistisch ist, sondern auch laizistisch, links und kommunistisch;
-
die
Reduzierung des Libanon auf eine Art westliches Protektorat, mit der faktischen
kommissarischen Verwaltung seiner Armee und der militärischen Besetzung eines
Teils seines Territoriums;
-
der
weiteren Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse im Mittleren Osten
zugunsten Israels und zulasten des palästinensischen Widerstandes.
Im Übrigen
ist dies die Trophäe, die Olmert heute in Israel,
nach den heftigen Schwierigkeiten, die er im Krieg erlebte, präsentieren kann.
Das ist der Grund für den öffentlichen Dank für die wertvolle westliche
Intervention. Ist es möglich, das nicht zu sehen? Das ist alles andere als eine
technische Lesart der „Regeln des Einsatzes“, der von der UNO-Resolution
im Übrigen bereits als „Kampfeinsatz“ vorbereitet wurde! Die Wahrheit
ist, dass der „Friede“, den die Mission einfordert und an dem sie
arbeitet, einzig und allein der Friede Israels, die Stärke und Sicherheit seines
Staates ist. Es ist dieser „Friede“, der seit mehr als einem halben
Jahrhundert den permanenten, offenen oder schleichenden Krieg im Mittleren
Osten gegen die arabischen Völker und gegen das palästinensische Volk
erfordert. Eine Linke, die sich vor diesem Frieden verneigt, wird am Ende vor jenem
Krieg kapitulieren.
Es wird
eingewendet, dass die Mission „die UNO gegen Bushs Unilateralismus
rehabilitiert“ und „Europa wieder als Protagonist ins Spiel bringt“.
Die ungenierte Anpassung des politischen Vokabulars der Linken an die verlogene
Rhetorik der internationalen Diplomatie haut mich um. Aber wieso? Genau diese
UNO ist verantwortlich für ein Genozid-Embargo gegen das irakische Volk und hat
– früher oder später, auf die eine oder andere Weise – ihren Stempel unter alle
Kolonialkriege der letzten 15 Jahre gesetzt und wird heute von der „radikalen“
Linken als Maßstab für die Garantie pazifistischer Politik genommen? In
Wirklichkeit ist die Rolle der UNO direkt abhängig von den wechselhaften
Beziehungen zwischen den Großmächten. In dem Moment, wo sich Bush, um den
Schwierigkeiten seines Unilateralismus zu entgehen,
erneut der Einbeziehung Europas in die internationale Polizeipolitik öffnet,
und in dem Moment, in dem – parallel dazu – einige Dutzend europäische Mitte-Rechts-
und Mitte-Links-Regierungen die Gelegenheit erblicken die heilige Allianz mit
den USA neu zu bilden, segnet die UNO mit vielen Fanfarenstößen den wieder
gefundenen Multilateralismus ab. Eine Erpressung der
UNO? Im Gegenteil: Eine Unterordnung der Linken unter die Machtpolitik und ihre
diplomatische Maskerade. Was die Lyrik vom „europäischen Protagonismus“
anbelangt wäre es gut festzustellen, dass die Führungsrolle Frankreichs und
Italiens bei der Vermittlung nicht nur mit ihrer kolonialen Vergangenheit
(Frankreich) oder der Militärhilfe (Italiens für den Libanon) in Verbindung
steht, sondern auch der maximalen Wirksamkeit der imperialistischen Aktion dieser
Mission dient. Die Regierung Prodi-D’Alema bringt als
Mitgift für Israel und die USA die besonderen (sowohl ökonomischen wie
militärischen) Zugangsmöglichkeiten Italiens im Libanon mit, um sich um die
Rolle als Garant und Kontrolleur der Unterwerfung des Libanon unter die
UNO-Resolution zu bewerben. Woher rühren die öffentlichen Glückwünsche Bushs an
Prodi für „den von Italien gezeigten Mut und seine
Stärke“, wenn nicht daher?
Es ist
schließlich kein Zufall, dass sich die heilige Allianz zwischen Europa und den
USA in Sachen Libanon in der innenpolitischen nationalen Einheit zwischen
Mitte-Linker und Mitte-Rechter <in
Italien>
widerspiegelt. Das war bei allen multilateralen Militäreinsätzen nach 1989 der
Fall (Kosovo, Afghanistan…). Das ist heute auch beim Libanon der Fall. Und das
ist natürlich: Das Allgemeininteresse des italienischen Kapitalismus weltweit überschreitet
– den besten Traditionen des nationalen Patriotismus entsprechend – die
fragilen politischen Grenzen des innenpolitischen Bipolarismus.
Aber war die nationale Einheit nicht das Schreckgespenst, vor dem man auf der
Linken auf der Hut war? Und meinen die führenden Leute der italienischen Linken
von Bertinotti bis <PdCI-Chef> Diliberto
wirklich, dass sie ein gemeinsames Votum für die Libanon-Mission mit <Alleanza Nazionale-Chef> Fini und <dem
Führer der rechtpopulistischen Lega Nord> Calderoli als pazifistische und
Linkswende der italienischen Außenpolitik präsentieren können?
Die
Bewegung für die Kommunistische Arbeiterpartei erklärt, dass sie außerhalb
dieser um sich greifenden Vereinheitlichung steht. Wir sind nicht daran gewöhnt
die Prinzipien den Regierungsanordnungen zu opfern. Das werden wir auch diesmal
nicht tun. Deshalb schlagen wir ab sofort allen dazu bereiten Kräften der
italienischen Linken, der Anti-Kriegs-Bewegungen sowie der
antiimperialistischen und Friedensverbände die Bildung eines gemeinsamen
landesweiten Komitees gegen die Truppenentsendung in den Libanon als Instrument
der Gegeninformation und Mobilisierung vor. Mit Sicherheit wird die immer
dringendere Wiederbelebung einer antikapitalistischen, oppositionellen Linken
in der Libanonfrage einen wichtigen Prüfstein finden.
Marco Ferrando
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen
Klammern:
Antifa-AG der
Uni Hannover