Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:


Im Folgenden ein zusammenfassender Bericht über den Verlauf des branchenweiten Generalstreiks und der zentralen Demonstration der größten italienischen Metallarbeitergewerkschaft FIOM-CGIL gegen das unternehmerfreundliche Separatabkommen ihrer kleineren Pendants aus der CISL und der UIL. Die Quelle ist, was die Gefahr von Parteilichkeit zugunsten der FIOM anbelangt, gänzlich unverdächtig, denn die italienische Tageszeitung “La Stampa” vom 8.11.2003, der wir diesen Artikel entnahmen, befindet sich zu 100% im Besitz des FIAT-Konzerns. Auch wenn die Eigentümerfamilie Agnelli den Redakteuren einen gewissen Spielraum läßt, ist doch klar, daß gewerkschaftliche Hofberichterstattung hier eher nicht stattfindet.


Am Schluß des Artikels faßt der “La Stampa”-Autor übrigens in fünf Punkten kurz die Vorgeschichte und den aktuellen Stand der Auseinandersetzung zusammen.


Auch Fassino (DS) und Bertinotti (PRC) demonstrieren mit.

<Der Metallindustriellenverband> Federmeccanica: Das ist ein politischer Streik.


Die FIOM fällt in Rom ein, um zum Tarifvertrag “Nein” zu sagen


Krieg um die Zahlen: 200 000 laut der CGIL. Die Polizei sagt 30 000.


ROM

Gestern waren wirklich sehr viele Metallarbeiter aus der FIOM-CGIL auf den Straßen der Hauptstadt. Sie waren aus ganz Italien gekommen, um gegen das von ihrer Organisation nicht unterzeichnete Tarifabkommen vom Juli 2002 zu demonstrieren. Für viele eine Überraschung: Die Medien hatten über den 8stündigen Generalstreik der FIOM und die Gewerkschaftsdemonstration überhaupt nicht berichtet. Dies um so mehr als die Metalltarifrunde durch das von FIM, UILM, FISMIC und Federmeccanica besiegelte Abkommen seit vielen Monaten abgeschlossen ist. Gestern jedoch wurde die Hauptstadt seit den frühen Morgenstunden von den Blaumännern überflutet. Auf der Bühne auf der Piazza San Giovanni sprach man von 200 000 Menschen, die auf der Straße seien. Vielleicht waren es nicht ganz soviele, aber sicherlich waren es <auch> nicht die vom Polizeipräsidium genannten 30 000. Zur Bestätigung frage man die vielen Römer, die in einem buchstäblich lahmgelegten Verkehr stundenlang in ihren Fahrzeugen festgenagelt blieben.


Derselbe Krieg der Zahlen fand um die prozentuale Beteiligung am Streik in den Unternehmen der Branche statt. Die FIOM spricht von ungefähr 70%, die gestreikt hätten, die Federmeccanica von nur 15% Beteiligung. Als Indikator für den wirklichen Verlauf des Streiks verwenden die Gewerkschafter und die zuständigen Stellen die von FIAT Auto für die Konzernbetriebe verbreitete Beteiligungszahl. <Die Konzernzentrale am Turiner> Corso Marconi nannte eine Beteiligung von 16,5 – 18% in ihren Werken. Für die Gewerkschafter entspricht das einer effektiven Streikbeteiligung von 40 – 45%. Eine Zahl, die als niedriger als beim einheitlichen Generalstreik <von CGIL, CISL und UIL> am 24.Oktober bezeichnet wird, aber sicherlich als bedeutsam.


Wenn man den Führer der FIOM, Gianni Rinaldini, hört, dann beabsichtigt die Organisation ihren Kampf für die Neueröffnung der Tarifrunde mit einem weiteren 8stündigen Streik fortzusetzen, der auf die bereits durchgeführten 36 Streikstunden folgen wird. Streiken kostet in Form von <eingebüßtem> Lohn. Aber wie es aussieht, scheint die Anhängerschaft der FIOM diese Aussicht nicht sonderlich zu schrecken. Der erste Blick ist der auf eine “rote” piazza, gerammelt voll mit Arbeitern und deutlich geprägt durch die dunkelrote Farbe der vielen geschwenkten Fahnen. Daher hinterläßt es einen gewissen Eindruck, daß man auch einen alles andere als extremistischen politischen Führer, wie den Sekretär der Linksdemokraten (DS), Piero Fassino, auf der piazza findet. Einen Mann, der in seiner langen politischen Erfahrung in Turin gelernt hat, ein waches Auge auf die Metallarbeiter zu haben. Einen Fassino, der sich in Gesellschaft des Sekretärs von Rifondazione (PRC), Fausto Bertinotti, und demjenigen der <rechts vom PRC angesiedelten> Comunisti Italiani (PdCI), Oliviero Diliberto, sowie dem Sekretär der Grünen, Alfonso Pecoraro Scanio, aber auch des Sprechers der Cobas, Piero Bernocchi, und des Führers des Sozialforums, Vittorio Agnoletto, befindet. Unter den Anwesenden ist auch <der langjährige PCI-Chefideologe und heute parteilose> Pietro Ingrao (der sehr viel Applaus bekam als er auf die Bühne stieg) und im Rahmen einer Schaltung nach Kabul Gino Strada von <der NGO> Emergency. Der DS-Sekretär begründet seine Teilnahme so: “Ich will die Solidarität mit den Arbeitern demonstrieren, die für ihre Rechte kämpfen. Unser Engagement ist aber gleichzeitig auf die Wiederherstellung der Gewerkschaftseinheit gerichtet.”


Es waren nicht wir, die den sozialen Konflikt begonnen haben”, behauptet Rinaldini. “Die Federmeccanica ist für den Konflikt, der ausgelöst wurde, verantwortlich. Die Dinge, die sie unterzeichnet haben, sind nicht umsetzbar. Wenn sie uns sagen, daß die FIOM isoliert ist, fragen wir uns: Isoliert von wem ? Wenn sie nicht von den Arbeitern isoliert ist, befinden wir uns in guter Gesellschaft.” Die Gewerkschaft brandmarkt den Terrorismus, fordert ein Gesetz über die Repräsentanz, um zu verhindern, daß Minderheitsgewerkschaften Abkommen abschließen, ohne die Beschäftigten anzuhören, und verlangt von der Mitte-Linken, sich für die Abschaffung des “Biagi-Gesetzes” einzusetzen, das “eine Massenprekarisierung” hervorrufen wird. Auf die Bühne steigt auch der Führer der CGIL, Guglielmo Epifani: “Die CGIL ist da, wo die Arbeiter sind”, sagt er. “Das ist keine Demonstration gegen die anderen Gewerkschaften.” Epifani sendet allerdings ein Signal an CISL und UIL, um ein einheitliches Auftreten in dieser Auseinandersetzung zu suchen: “Warum”, fragt er, “setzen wir uns nicht zusammen, um nachzudenken und warum versuchen wir nicht diesen Arbeitern eine Antwort zu geben ?”


Vom Führer der UIL, Luigi Angeletti, kam postwendend die Antwort: “Wir warten seit zwei Jahren darauf, daß die FIOM nachdenkt. Dies ist ein sinnloser Streik, der die Distanz zwischen den Metallarbeitern vergrößert.” Weniger polemisch, aber ebenfalls deutlich <äußerte sich> Savino Pezzotta (CISL). Die Industriellen von der Federmeccanica sprechen in Gestalt ihres Generaldirektors Roberto Biglieri von “politischem Streik”: “Die FIOM weiß sehr gut, daß es den Tarifvertrag gibt und es keinen anderen geben wird.” Auf derselben Linie liegt der Sekretär der <UIL-Metallgewerkschaft> UILM, Tonino Regazzi: “Das war ein politischer Streik. Ich habe nicht viele Arbeiter auf der Straße gesehen und der Streik ist schlecht gelaufen.” Von “bescheidener und abnehmender Beteiligung” spricht auch der Führer der FIM-CISL, Giorgio Caprioli, der jedoch immerhin die von Epifani ausgesprochene Aufforderung zur Wiederbelebung der Einheit würdigt: “Die Beteiligung”, hob Caprioli hervor, “bestätigt die Sterilität des von der FIOM eingeschlagenen Weges und die sich daraus ergebende und wachsende Entfremdung von den Arbeitern.” Der Staatssekretär im Arbeitsministerium, Maurizio Sacconi, schließlich sprach von einem “offensichtlichen Mißerfolg” des Streiks und der Demonstration. (r.gi)


DER ARBEITSKAMPF:


1. Ausgelaufenes Abkommen


Der vorherige Tarifvertrag der Metallarbeiter, der ca. 1,3 Millionen Beschäftigte betrifft, war am 31. Dezember 2002 ausgelaufen. Von diesen Beschäftigten sind – auf der Grundlage der Zahlen für 2002 – 368 000 Mitglied der FIOM, 190 000 der FIM-CISL und 97 000 der UILM.


2. Die Verhandlungen


Beginnen am 17.Januar 2003. Am 2.Mai erzielen FIM und UILM eine Übereinkunft mit der Federmeccanica. Es ist das erste normative Separatabkommen seit dem 2.Weltkrieg.


3. Das Abkommen


Das von FIM und UILM unterzeichnete Abkommen sieht eine Lohnerhöhung um 90 Euro, eine Einmalzahlung von 220 Euro und weitere 10 Euro Zulage für den Tarifurlaub vor.


4. Neue Proteste


Am 16. Mai <2003> gehen die Blaumänner der CGIL zum ersten Mal auf die Straße, um die Erneuerung des Tarifvertrages auf der Grundlage einer anderen Plattform als der von Federmeccanica unterzeichneten zu fordern.


5. Die Vorverträge


Die Mobilisierung der letzten Monate hat es der FIOM erlaubt auf Unternehmensebene mehr als 300 Vorverträge mit einer Reihe kleiner und mittlerer Unternehmen abzuschließen, die darüberhinaus, daß sie die Forderungen der eigenen Plattform aufgreifen, die Nicht-Anwendung des Biagi-Gesetzes vorsehen.


Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover