Antifa-AG der Uni
Hannover:
Der
Anfang dieses Jahres ist in der italienischen Linken bzw. Mitte-Linken die
Phase der Parteitage und der Bildung von Wahlbündnissen. Zunächst mit Blick auf
die 2005 stattfindenden Regionalwahlen und danach auf die im April 2006
fälligen Parlamentswahlen. Noch vor Rifondazione Comunista (PRC), deren
Parteikongress für März angesetzt ist, schreiten die Democratici di Sinistra (Linksdemokraten
– DS) vom 3. bis 6.2.2005 zur Tat. Sie, die aus dem rechten Mehrheitsflügel der
1990 aufgelösten KP (PCI) hervorgegangen sind, bilden nach wie vor die stärkste
Organisation des mitte-linken Lagers, auch wenn ihr Wähleranteil bei den
Parlamentswahlen im Mai 2001 auf nationaler Ebene nur noch 16,6% betrug und die
Mitgliederzahl sich seit 1990 auf offiziell noch 560.000 halbiert hat. Die
internen Kräfteverhältnisse standen bereits vor dem Parteitag fest, da sie an
die Abstimmungen auf den Mitgliederversammlungen und Kreisparteitagen gebunden
sind. Vier verschiedene Leitanträge standen sich dort diesmal gegenüber: der
der Parteiführung unter Generalsekretär Fassino und die drei Anträge der (nach
einer Phase mehrjährigen gemeinsamen Vorgehens im sog. „Correntone“) nun wieder
zersplitterten Parteilinken. Neben der größten Fraktion der DS-Linken um Mussi
und Berlinguer, die auch von einem Großteil der Führung des größten
Gewerkschaftsbundes CGIL unterstützt wird, sind dies der radikalere Teil der DS-Linken
um den ehemaligen Arbeitsminister Salvi und die ökologisch ausgerichteten DS’ler
um Fulvia Bandoli. Genaueres dazu und zu den Ängsten und Ränkespielen hinter
den Kulissen der Parteimehrheit verrät der folgende Artikel aus der
unabhängigen linken Tageszeitung „il manifesto“ vom 26.1.2005.
DS-Parteitag:
Fassino bei 79,1%
GIULIA BIANCHI – ROM
Der Führer der
Linksdemokraten (DS) blickt auf eine ganz neue prozentuale Zustimmung. Neun
Tage vor Beginn des nationalen Parteitages, der im Palalottomatica in Rom
stattfinden wird, teilt die in der römischen Via Nazionale beheimatete
Parteizentrale die offiziellen Zahlen über den Verlauf der Basiskongresse
(anders gesagt der Kongresse der Sektionen) mit, die aufgerufen waren, sich zu
4 konkurrierenden Leitanträgen zu äußern und den <Antrag von> Generalsekretär Piero Fassino mit 79,1% der Stimmen wählten. Ein
deutlicher Sieg über die Herausforderer. Der Antrag Mussi-Berlinguer, der den
Großteil derjenigen versammelt, die dem Experiment des Correntone <= der „breiten Strömung“
der unterschiedlichen DS-Linken>
Kontinuität verliehen, erhielt 28.897 Stimmen (= 14,56%). Der Antrag von Cesare
Salvi bekam 7.912 Stimmen (= 3,98%). Der ökologistische Antrag von Fulvia
Bandoli erreichte hingegen 4.683 Stimmen (=2,36%). Es waren 6.891
Sektionsparteitage, die in ganz Italien stattfanden und auf denen 198.507
Stimmberechtigte abstimmten, was 35,4% der <offiziell behaupteten> DS-Mitglieder entspricht. 2,9% mehr als beim vorangegangenen Parteitag
von Pesaro, auf dem Fassino als Nachfolger von Walter Veltroni <dem heutigen Bürgermeister von
Rom> Giovanni Berlinguer <einen Neffen von Enrico
Berlinguer> besiegte, der damals in
erster Linie von Sergio Cofferati unterstützt wurde (welcher damals noch
Generalsekretär der CGIL war). Die Kräfteverhältnisse verändern sich nun –
verglichen mit damals – allerdings in bemerkenswerter Weise. Von einem Drittel
reduziert sich die Minderheit der parteiinternen Linken auf wenig mehr als ein
Fünftel der DS.
Cofferati hat sich, wie man
weiß, in den Schatten der beiden Türme zurückgezogen und als Bürgermeister von
Bologna erklärt, dass er außerhalb des Parteitagsdisputes stände. Zuerst sprach
er sich für die Konkurrenz mehrerer Leitanträge aus und war dann auch an dem
Versuch beteiligt, <Rifondazione
Comunista-Parteichef> Bertinotti von
einer Kandidatur gegen Prodi bei den Vorwahlen <für einen Spitzenkandidaten der Mitte-Linken bei
den Parlamentswahlen 2006>
abzubringen, bei denen die DS Gefahr laufen, aus dem Rampenlicht zu geraten.
Auch die Äquidistanz von
Walter Veltroni hat für seine Annäherung an den Generalstab der DS gesorgt.
Obgleich die Entspannung gegenüber dem ewigen Feind <Parteipräsident und
Ex-Ministerpräsident> Massimo D’Alema
sowohl von den Fassino-Anhängern als auch von der Entourage (dem Gefolge)
Romano Prodis z.T. gefürchtet wird, weil sie die Wiederherstellung eines
Solidaritätspaktes bedeuten könnte, die Fassinos Führerschaft in gewisser Weise
unter Verwaltungskontrolle stellt. Die erzielte Zustimmung, die die (lange Zeit
vom Dualismus D’Alema / Veltroni in Mitleidenschaft gezogenen) parteiinternen
Establishments befriedigt, wird von D’Alemas Entourage für „etwas zu breit“
gehalten.
Nachrichten vom Parteitag
Die Sorge und das Gejammer
des DS-Präsidenten betrifft vor allem ein Übermaß an Zögerlichkeiten auf dem
Weg, der zu dem reformistischen Subjekt führt, das für den letzten Akt gehalten
wird, um wieder eine Regierungsperspektive zu schaffen, in der die DS endlich
ihre Kultur zum Ausdruck bringen. Veltroni sei – dem zufolge, was seine getreuesten
Anhänger bei ihm heraushören – mehr allgemein über die Aussicht auf einen Sieg
der Koalition und der DS alarmiert, „ohne bisher genau zu wissen, welche Ziele
sie verfolgen wollten“.
Tatsache bleibt, dass der
Schatten der Wiederauferstehung der Diarchien <Doppelherrschaften zweier Personen oder
Fraktionen>, der hinter Fassinos
Rücken länger wird, die bedeutsamste Nachricht der Tagung des höchsten
nationalen Gremiums darstellt, die am 3.Februar beginnen wird. Und von der in
jedem Fall eine Wiederbelebung des föderativen Prozesses <der Mitte-„Linken“> zu erwarten ist, der zum reformistischen Subjekt führen
soll. Das dann das Thema ist, an dem sich die mögliche korrigierende
Intervention Veltronis wie auch der Versuch messen muss (der seitens der
Fassino-Mehrheit bereits in Arbeit ist), zu einer gemeinsamen Führung der
Partei zu gelangen, die auch die Minderheiten im neuen Sekretariat einbezieht.
Das allerdings erscheint nicht wirklich wahrscheinlich.
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG der Uni
Hannover