Antifa-AG
der Uni Hannover:
Nachdem sich Fausto Bertinotti den
Wahlsieg der Mitte-Links-Union Ende April 2006 auf seine Weise nutzte und sich
nach 10 Jahren an der Spitze des Partito della Rifondazione Comunista (PRC – Partei der Kommunistischen Neu/be/gründung) zum Präsidenten der
Abgeordnetenkammer, d.h. ins dritthöchste Staatsamt Italiens, wählen ließ, war
die Wahl eines neuen Sekretärs von Rifondazione
notwendig geworden. Nachfolger wurde der farblose Franco Giordano, der
allgemein als Statthalter Bertinottis gilt, welcher
aus der Chefetage des Palazzo Montecitorio heraus weiterhin die Linie der Partei
vorgibt und dafür sorgt, dass sie immer weiter zu einer sozialdemokratischen
08/15-Partei degeneriert. Dabei kann er leider auf die passive Zustimmung der
überwiegenden Mehrheit der PRC-Mitglieder und
–Anhänger bauen, die nach einem halben Jahrzehnt Berlusconi-Regierung so
ziemlich mit allem zufrieden sind, was nicht nach dem Cavaliere
und seiner Kamarilla aussieht. Außerdem – das sollte nicht in Vergessenheit
geraten – hat die Neo-Biedermeier-Ära auch um Italien keinen Bogen gemacht. Die
übergroße Masse der Italiener bewegt sich im selben Mainstream,
den wir auch in der BRD “genießen”
können (Resignation, Lethargie, Depression, Desinteresse, Rückzug ins Private
und Klein-Kleine etc.). Von den noch vor zwei, drei Jahren starken
außerparlamentarischen Bewegungen ist so gut wie nichts übrig geblieben, die
Gewerkschaftslinke ist zersplittert und zum Teil versumpft und auch die meisten
der führenden Köpfe der ehemaligen Disobbedienti
(Ungehorsamen, d.h. die italienischen Autonomen) machen mittlerweile vor allem
in Parlamentarismus – vorzugsweise auf dem Ticket von Rifondazione.
Das angesichts dessen die Wahl des neuen Nationalen Sekretariats im Nationalen
Politischen Komitee des PRC mit nur 55% Zustimmung äußerst knapp ausfiel und
der 49jährige Berufsfunktionär Franco Giordano mit 59% auch nicht alle Stimmen
seines Parteiflügels erhielt, war da schon etwas überraschend, sollte aber –
auch angesichts der Gefolgschaftstreue fast der kompletten verbliebenen PRC-Linken z.B. beim italienischen “Schutztruppen”-Einsatz im Libanon – inhaltlich nicht
überbewertet werden.
Der aus dem süditalienischen Bari stammende Giordano kam über
den linken Flügel der 1990 aufgelösten Italienischen Kommunistischen Partei
(PCI) zu Rifondazione. PCI-Mitglied
seit 1974, war er von 1985-87 Mitglied des Nationalen Sekretariats der PCI-Jugendorganisation FGCI. Von 1987-90 lokales PCI-Führungsmitglied in Bari, seit 1992 Mitglied der
Nationalen Leitung von Rifondazione und seit 1994
auch ihres Sekretariats, von 1996 bis heute darüber hinaus Mitglied der
italienischen Abgeordnetenkammer.
Auch wenn man das schlechte Ergebnis für Giordano und den
Rest der neuen PRC-Führung zurückhaltend bewertet,
sind gewisse Krisenerscheinungen unverkennbar und ist
interessant was die unabhängige linke Tageszeitung “il manifesto” in zwei Artikeln am 18.6.2006
und 20.6.2006 über die Hintergründe der Wahl des neuen PRC-Sekretärs zu berichten weiß. Deshalb hier die deutsche
Übersetzung:
“il manifesto” 18. Juni 2006
PRC-Sekretariat:
Giordano setzt sich ganz knapp durch
Rifondazione: Nur 55% Ja-Stimmen zur neuen Exekutive. Nein der <linken> Minderheiten und vom ehemaligen DP‘ler
Da Vinci.
Am ersten
Sitzungstag reduziert sich Franco Giordanos Mehrheit bei der Abstimmung
über das neue Sekretariat, d.h. über die Vorstandsmitglieder, die <die neu gewählten> Minister und Staatssekretäre
ersetzen, nachdem Giordano den Posten von Fausto Bertinotti
übernommen hat, im Nationalen Politischen Komitee, dem “kleinen Parlament”
<d.h. dem höchsten Gremium zwischen
den Parteitagen> des
PRC. Das neue Spitzengremium setzt sich mit 98 Ja-Stimmen durch, d.h.
mit gerade mal 55%. Giordano wählten 139 Mitglieder des Nationalen
Politischen Komitees (CPN) zum Sekretär. Nein-Stimmen
gab es 73 (41%) und damit mindestens 15 mehr als die organisierten (und immer
geeinter auftretenden) Minderheiten von “Essere Comunisti” (“Kommunisten Sein” <die traditionalistische Strömung>) um Alberto Burgio
und Claudio Grassi sowie die “Sinistra Critica” (“Kritische
Linke” <faktisch die italienische
Sektion der offiziellen IV.Internationale>) um Salvatore Cannavò und Gigi Malabarba
im CPN haben und die bei ihrem Antrag, der die Abgeordneten und Senatoren des
PRC zu einem Votum gegen die Verlängerung der Militärmission in Afghanistan
verpflichtet hätte, nur auf 57 Stimmen kommen. Ein Antrag, der nichts desto
trotz bei der Mehrheit einen Heidenkrach auslöste (wie wir auch auf Seite 11
berichten). Eine angespannte Debatte mit vielen Bezügen auf die Ethik sowie auf
die Kohärenz bei den 8 Stimmen, die im Parlament aus den Reihen des PRC gegen
die Entsendung <von Truppen> nach Kabul abgegeben wurden. “Wir
können nicht für einen Kriegseinsatz stimmen. In Afghanistan gibt es keine
Bedingungen für ein Peacekeeping”, sagte Cannavò. Keiner kann ihnen Unrecht geben. Das war
vorher klar und die Lage verschlechtert sich noch. “Wäre es nicht besser
gewesen das Thema Afghanistan – genau wie den Irak – mit Beginn der
Programmdiskussion in Angriff zu nehmen?”, fragt Grassi.
“Hier wird die Schwäche nicht nur des Sekretariats, sondern ihrer gesamten
politischen Linie deutlich”, beobachtet Burgio.
Das gelte für Afghanistan genauso wie für das Haushaltsmanöver, das
Wirtschaftsminister <und
Ex-EZB-Direktoriums-Mitglied> Tommaso Padoa-Schioppa
vorbereitet sowie für die Frage der Kürzung des Steuerkeils. Themen, auf denen
ein ehemaliger Getreuer Bertinottis wie Alfonso
Gianni <einer der führenden
Alt-68er>, der nun
Staatssekretär für Entwicklung ist, seit Wochen immer wieder herumreitet.
Giordano erwiderte, dass “die
Schwierigkeiten vorab klar waren” und kritisierte “diejenigen, die jetzt
ihre Besorgnis äußern” und Anderen – in erster Linie ihm – den Part “der
Verantwortung” überlassen. “Es kann kein Auseinanderklaffen geben”,
sagte er an die Minderheiten gewandt. “Auch ich bin wegen unserer
Mitgliedschaft in der Regierung besorgt und sehe die Gefahr einer reformistischen
Kommandobrücke. Aber ich verstehe es nicht. Die Linie ist klar: Einfluß auf das Programm <der Regierung> nehmen, ohne über eine
Verhaltensnische zu verfügen”, was die Politik des PdCI <Anm.1> sei. Das Schlußwort zum Thema
Afghanistan hielt Ramon Mantovani, der
(zusammen mit dem Jugendverband Giovani Comunisti <Junge
Kommunisten>)
innerhalb der Mehrheit notorisch zu den kritischsten Vertretern gehört. Ein
Zeichen der Öffnung.
Die neuen
Mitglieder der Exekutive sind Maurizio Zipponi
(ein Funktionär der <linken
Metallarbeitergewerkschaft> FIOM und künftiger Verantwortlicher für den Bereich Arbeit); Walter
De Cesaris, der Koordinator des Sekretariats
wird, Michele De Palma (Jugend) und Roberta Fantozzi
(Migranten). Ihnen zur Seite stehen werden Francesco
Ferrara (Organisation), Imma Barbarossa (Institutionen), <die ehemalige COBAS-Aktivistin> Loredana Fraleone
(Schule) und Daniela Santroni (Kommunikation).
Sergio Boccadutri ist der neue Schatzmeister,
nachdem Franco Bonato Staatssekretär im
Innenministerium wurde.
Gegen das
neue Sekretariat sprach sich auch der <prominente
Alt-68er und>
ehemalige Führer von Democrazia Proletaria (DP) <Anm.1> und ehemalige Fraktionschef von Rifondazione
im Straßburger Europaparlament, Luigi Vinci, aus (von daher
wahrscheinlich die 15 oder 16 zusätzlichen “Nein”-Stimmen. Er denunzierte die “zentralistische
und vertikalistische” Vorgehensweise der Leitung und forderte eine
Verschiebung der Abstimmung über das Sekretariat. Ein Antrag, der mit nur 45 Ja-Stimmen
abgelehnt wurde. Von hier kamen wahrscheinlich die 15 oder 16 zusätzlichen “Nein”-Stimmen
zur neuen Exekutive. Paolo Ferrero und Giovanni Russo
Spena, ehemalige DP’ler
und heute Minister für soziale Solidarität bzw. Fraktionsvorsitzender im Senat,
gingen zu Vincis Kritik an Giordano auf Distanz. “Die Öffnung des
Sekretariats gegenüber den Minderheiten” – erkennt Russo
Spena an – “war allerdings nicht unmöglich.”
Diese
Bauchschmerzen betrachtet Marco Ferrando <der ehemalige Kopf der radikalsten linken
Minderheitsströmung “Progetto Comunista”,
die inzwischen in drei Teile zerfallen ist>, der heute morgen – nachdem er den PRC verlassen
hat, im Barberini-Kino in Rom die Gründungsbewegung
für den Partito Comunista
dei Lavoratori
(Kommunistische Arbeiterpartei) ins Leben ruft. Wichtigster Punkt: “Die
kommunistische Opposition gegen die bürgerliche Regierung Prodi-Padoa-Schioppa.”
Anmerkungen:
1)
PdCI (Partei der Italienischen Kommunisten), Im Oktober
1998 zwecks weiterer Unterstützung der Mitte-Links-Regierung (und Eintritt in
dieselbe) von Armando Cossutta, Oliviero Diliberto und Marco Rizzo
gegründete Rechtsabspaltung von Rifondazione, die
jede Schweinerei der Regierungen D’Alema und Amato
bis zum Ende im April 2001 mitgetragen hat (darunter die Beteiligung am
NATO-Krieg gegen Jugoslawien, den Sozialabbau und die innenpolitische
Repression) zugleich aber – wie auch heute – zwischendurch gern mal auf
Verbalradikalismus und Komödienstadl machte. Der ehemalige Kopf des stalinistischen Flügels im PCI, langjährige PRC-Parteipräsident und Hauptinitiator der PdCI-Gründung, Armando Cossutta,
wurde vor einigen Monaten von seinen Schülern abserviert und aus der Partei
gedrängt, die nun vom ehemaligen Justizminister Diliberto
geführt wird. Bei Wahlen ist der PdCI landesweit
knapp halb so stark wie Rifondazione und kommt auf
2,5-3,5% der Stimmen.
2) Democrazia Proletaria (DP -
Proletarische Demokratie) wurde von verschiedenen maoistischen, trotzkistischen
und spontaneistischen Gruppen als Wahlkartell
der “Neuen Linken” zu den
Parlamentswahlen von 1976 gegründet. Konkret beteiligt waren die Partei der
Proletarischen Einheit (PdUP; inklusive der “il manifesto”-Gruppe
um Rossana Rossanda,
Valentino Parlato, Magri,
Pintor, die Castellina u.a.),
Avanguardia Operaia
(Arbeiteravantgarde), Lotta Continua
(Kontinuierlicher Kampf), die Gruppe um die Zeitschrift “Bandiera
Rossa” (“Rote Fahne”; italienische Sektion der
offiziellen IV.Internationale) und die
Arbeiterbewegung für den Sozialismus (MLS). Das Wahlergebnis blieb mit 1,5% und
6 Abgeordneten weit hinter den Erwartungen zurück. Entsprechend zerfiel das
Bündnis wieder.
Ein Teil des PdUP gründete daraufhin mit der Mehrheit der moderat
maoistischen Avanguardia Operaia
(AO) die Partei Democrazia Proletaria (DP),
die bei den folgenden Wahlen auf Landesebene konstant zwischen 1,5 und 1,8% der
Stimmen erhielt und bis zu 8 Abgeordnete stellte. In den 80er Jahren
präsentierte sie sich als institutionelle Erbin der 68er Bewegung und
parlamentarischer Arm der übrig gebliebenen außerparlamentarischen Linken. DP stellte eine Art italienische Version des
KB bzw. der Alternativen Listen in der BRD dar, allerdings mit einer sehr viel
größeren Verankerung in der Arbeiterbewegung als die vergleichbaren Phänomene
hierzulande. 1991 vereinigte sich Democrazia Proletaria
mit dem linken Minderheitsflügels der im Februar 1990 aufgelösten Italienischen
Kommunistischen Partei (PCI) zum Partito della Rifondazione Comunista (PRC). Kurz zuvor waren noch die beiden kleinen
trotzkistischen Gruppen LCR / “Bandiera Rossa” und “Proposta” (Vorschlag), aus der später “Progetto Comunista” wurde, in
die DP eingetreten, um auf diesem Weg in den PRC zu gelangen und dort Entrismus betreiben zu können, der den “Bandiera Rossa” –Genossen (jetzt
“ERRE” bzw. Sinistra Critica)
zahlreiche Parteiämter und Abgeordnetensitze aber wenig inhaltlichen Einfluss
und nur eine Gefolgschaft von gut 5% der Parteimitglieder einbrachte und den
größten Teil von “Progetto
Comunista” nach der Regierungsbeteiligung im
April bzw. Mai 2006 zum Austritt veranlasste, wo sie nun den RC-ROL bzw. den
PCL ins Leben riefen.
Der
zweite Artikel zum Thema erschien in “il manifesto” vom 20.6.2006:
Die Regierung des Kampfes innerhalb Rifondaziones
Zu den “traditionellen”
Meinungsverschiedenheiten mit den <linken> Minderheiten kommen noch die internen Konflikte in der “Nach-Bertinotti”-Mehrheit
hinzu. Das Sekretariat beschleunigt jedoch die Entwicklung in Richtung
Europäische Linkspartei und fordert die gesamte Partei auf die Manöver der
Neuen Mitte gegen die Regierung zurückzuweisen.
Es war erst
am 8.Mai, aber für Rifondazione scheinen Jahrhunderte
vergangen zu sein. In seiner letzten Rede vor dem Politischen Komitee der Partei
hatte Fausto Bertinotti, von Tränen und Umarmungen
begleitet, versucht die Seinen am Tag des Abschieds zu überzeugen. „Schaut“,
- sagte er damals – „alle werden merken, dass der PRC nicht die Partei Bertinottis ist. Man wird sehen, über wie viele Ressourcen
sie verfügt.“ 40 Tage später, existiert die „bertinottianische“
Führungsgruppe de facto nicht mehr. Es bleibt eine „flüssige“ Mehrheit,
aufgrund persönlicher Streitereien zersplittert und sogar desorientiert,
zwischen balkanisierten Strömungen und Anflügen von Großmut. Es sind nicht nur
die größeren internen Minderheiten, die alles anfechten. Zweifel sind –
lagerübergreifend – überall vorhanden.
„Wir
haben den Fehler gemacht unser Gewicht der Regierung zu opfern und alles auf
den Vorsitz der Abgeordnetenkammer zu setzen“, sagt Luigi Vinci ohne ein Blatt vor den Mund zu
nehmen. Der Mailänder, Ex-DP’ler und ehemalige
Europaabgeordnete Vinci sitzt heute nur in der Nationalen Leitung. Der „Bereich“,
aus dem er kommt und der einst Democrazia Proletaria
war, hat den Chef der PRC-Abordnung im <italienischen Regierungssitz> Palazzo
Chigi, Paolo Ferrero und den
Fraktionsvorsitzenden im Senat, Giovanni Russo Spena, in seinen Reihen. „Vinci spricht nur für sich persönlich“, gehen Viele auf Distanz zu
ihm, die mit ihm zusammen auf dem Parteitag Bertinottis
Leitantrag unterstützt haben. „Es ist alles im grünen Bereich. Das ist das
übliche Parteigezänk“, spielt auch ein gewöhnlich wenig zurückhaltender
Mann wie Ramon Mantovani die Sache herunter. Vinci
ist allerdings schwer verdaulich und auch wenn er den von Franco Giordano
abgegebenen Bericht als „aufmerksam, konkret und schließlich realistisch“
lobt, erzählt er, dass „die Partei sich mittlerweile im Zustand der
Balkanisierung der Leitungsgremien befindet und – vor allem an der Peripherie –
von einer fast nicht mehr zu bewältigenden Unzahl schleichender Konflikte
durchzogen ist“.
Von
mehreren Seiten (aus dem Zentrum genau wie von der Basis) hört man Gerüchte
über Unbehagen und Unzufriedenheit. Und diejenigen, die mit den Parteiangelegenheiten besser vertraut sind, weisen darauf
hin, dass die zentralen Gremien wirklich fast geographisch monopolisiert sind:
Die beiden Fraktionsvorsitzenden seien Neapolitaner und das gesamte neue
Sekretariat, mit Ausnahme des „new entry“ (Neueinsteigers) Maurizio Zipponi,
der aus der lombardischen <Regionalorganisation der linken
Metallarbeitergewerkschaft> FIOM kommt, stammten alle aus Mittel- und Süditalien. Ein indirekter
Beleg für die Unzufriedenheit ist vielleicht die Tatsache, dass am Samstag im
Politischen Komitee (dass das neue Sekretariat u.a.
mit 55% Ja-Stimmen wählte) nicht das Publikum für die großen Gelegenheiten gab.
Es kommen erneut Gerüchte über eine Auseinandersetzung um die Nachfolge Bertinottis auf, die im Winter innerhalb der Mehrheit
stattgefunden habe und rigoros hinter den Kulissen gehalten worden sei. Wobei
man bei der Wahl zwischen den beiden Kandidaten Migliore
und Ferrero in einer echten Sackgasse gesteckt habe und das Problem dann
dadurch gelöst habe, dass man sich auf Franco Giordano einigte.
Auch
seinerzeit kamen die Missstimmungen, durch das Votum Ramon Mantovanis
und eines extremen Bertinotti-Getreuen wie Alfonso
Gianni gegen Giordano, allerdings teilweise ans Licht. Der Parteitag von
Venedig erscheint Vielen inzwischen wie eine andere geologische Ära. „Aus
mehr oder weniger ehrenwerten Gründen sind bei uns Alle gegen Alle“, erklären
die Minderheiten hinter vorgehaltener Hand.
Das
Sekretariat dementiert jedoch Gegensätze und hält die Stange, indem sie die
Entscheidung hervorhebt, die Schaffung der Europäischen Linkspartei zu
beschleunigen, einem pluralen Behälter, der die aus
der Auflösung des PCI entstandene Rifondazione
endgültig überwinden wird. Das Interesse von Verbänden, Gewerkschaften und dem
linken Flügel der Linksdemokraten (DS) ist hoch, allerdings merken die
Mitglieder der Parteimehrheit mit Sorge an und rufen damit zu
verantwortungsbewusstem Verhalten auf: „Wenn wir als Partei nicht
funktionieren, wie können wir dann meinen, dass Andere einbezogen werden
können?“ Das politische Kalkül, vor allem was die sofortige Einbeziehung
des ehemaligen DS-Correntone <d.h. der „breiten Strömung“ der
verschiedenen linken DS-Klüngel> anbelangt, ist
zweifellos riskant. Die DS-Linke hat es mit einem raschen Kräftemessen
bezüglich der Gründung der Demokratischen Partei <durch die aus dem PCI hervorgegangenen DS und die
christdemokratisch-liberale „Margerite“> zu tun und kann kurzfristig mit
Sack und Pack in die europäische Partei überwechseln, deren Vorsitzender immer
noch Bertinotti und deren Gestalt und Inhalt noch
überhaupt nicht klar ist.
Der von
diesem internen Klima fast betäubte Zipponi ist
nichtsdestotrotz zuversichtlich: „Die Partei muss eine kollektive
Anstrengung unternehmen. Es ist obligatorisch, dass sie das tut. Wir befinden
uns in einer unwiederholbaren Situation.“ Die Regierung, „das konsolidierte Verhältnis zu den
Subjekten der Transformation und zu den Bewegungen“ sowie die umfangreiche
Erneuerung der Leitungsklasse stellen „für uns alle
eine Chance“ dar, „die wir nicht auslassen sollten“, warnt er. Der
PRC fühlt sich jedoch (und ist es auch) seit dem Tag nach der Wahl im Visier
der sogenannten „starken Mächte“. Eine
erdrückende Belagerung, die tagtäglich ihren Ausdruck auf den Seiten des „Corriere
della Sera“ und von „Il Sole-24 Ore“ findet. „Die Neoliberalen wollen uns
ausgrenzen“, bestätigt der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer <Fausto Bertinotti> in einem wirklich nicht den
Ritualen entsprechenden Interview in <der
linksliberalen Tageszeitung> „la Repubblica“ und verscheucht damit
die Illusion derjenigen, die die Linken als eine nützliche Intendanz betrachten,
um das Ungeheuer Berlusconi zu vertreiben, aber sowie es hart auf hart geht, in
die Ecke gestellt werden sollen.
Die
Parteiführung ist damit selbstverständlich nicht einverstanden. Im Gegenteil,
aus der Parteizentrale in der römischen Via del Policlinico
kommen eindeutige interne Signale: „Es ist unverständlich, warum die Kritik,
die wir alle zum Beispiel in Sachen Afghanistan geübt haben, nur auf Kosten der
Parteimehrheit gehen soll und nicht auf den Rest der Regierung oder auf die
Gefahren bezogen wird, die von den Operationen der Neuen Mitte ausgehen, die
wir mittlerweile jeden Tag erleben.“ Der Feind scheint diesmal nicht links,
sondern in der Mitte zu stehen.
Vorbemerkung, Übersetzung, Anmerkungen und Einfügungen in
eckigen Klammern:
Antifa-AG der
Uni Hannover