Die mit dem Zeitgeist gehen
oder: Die Abwicklung von
Antiimperialismus und Aufklärung verpackt als Kampf gegen den Antisemitismus
Zweieinhalb Jahre nach
Herausgabe unseres Flugblattes „’Solidarität mit Israel’ bedeutet das Ende
linker Politik“ (im Juni 2002) veröffentlichten die Kooperative
Flüchtlingssolidarität (KFS) und die Ortsgruppe Hannover der Freien ArbeiterInnen-Union (FAU) in der Ende Dezember 2004
erschienenen hannoverschen Szene-Zeitung „vers beaux temps“ Nr.11 je einen
Artikel. Darin versuchen sie de facto uns zum Hort des Bösen zu erklären und
einmal mehr mit Hilfe der moralischen Keule des Antisemitismus-Vorwurfs eine
Distanzierung von uns sowie von jeder ernsthaften, eindeutigen und konkreten
Kritik am Kolonialstaat Israel und der Besatzungspolitik der Regierung Sharon
zu erzwingen. Die KFS tritt sogar ganz offen für die Abwicklung des
Antiimperialismus ein. Dass dabei auch mit den Errungenschaften der Aufklärung
gebrochen und Obskurantismus <Anm. 1> betrieben wird,
ist nur folgerichtig.
Da es leider noch immer eine
ganze Reihe Leute gibt, die sich von diesem Vorgehen beeindrucken lassen und
die Auseinandersetzung für Einige neu oder (aufgrund der zeitlichen Distanz)
nicht mehr so präsent ist, wollen wir im Folgenden noch einmal detailliert darauf
eingehen. Dass wir die Autoren selbst mit noch so vielen Richtigstellungen und
Argumenten nicht erreichen werden, ist uns klar. Die glauben was sie glauben
wollen und üben sich, was die Tatsachen anbelangt, in militanter Ignoranz.
(Eine heutzutage sehr beliebte Methode, um seinen Frieden mit den herrschenden
Verhältnissen zu machen.). Allerdings haben sie mit ihren Statements und der Ausweitung
ihrer „Anklagen“ genug Material geliefert, aus dem sich erkennen lässt, was sie
eigentlich wollen und vertreten. Das ist in der Tat geeignet, die Fronten zu
klären.
Zur KFS
„Frage: Wie unterscheiden Sie Antisemitismus und Antizionismus? Hier
zu Lande oft in einen Topf geworfen.“ Antwort:
“Was ist der Unterschied zwischen einem Antikommunisten und einem Vegetarier?
Das ist doch nicht vergleichbar. Antisemitismus ist ein Ausdruck von Rassismus,
negiert das Recht des Anderen auf Leben, ob Jude, Roma oder Schwarzer.
Antizionismus ist eine Philosophie, die man unterstützen oder ablehnen kann.
Die meisten europäischen Juden waren vor Hitler Antizionisten. Ein Antizionist
muss kein Antisemit sein. Da kann man auch sagen: Ich esse kein Fleisch, weil
ich gegen Schwarze bin.“
(Michael
Warschawski, Mitglied des Friedensblocks Gush Shalom und Direktor des
Jerusalemer Alternative Information Center in einem Interview für „Neues
Deutschland“ vom 12.10.2004)
Im Grunde genommen müssen
wir der KFS dankbar sein. Wir haben uns in der Diskussion um die politische
Bewertung der Situation im Nahen Osten stets bemüht, den ideologischen Kern und
die Funktion antideutscher und äquidistanter Positionen herauszuarbeiten. Dabei
mussten wir die Argumente der anderen Seite oft interpretieren, konnten aber
bereits vor über zwei Jahren ganz klar sagen: „Solidarität mit Israel bedeutet
das Ende linker Politik“. Die Rote Aktion Kornstrasse (RAK) schreibt, es sei überzogen, der Anti-Expo-AG vorzuwerfen, sie bereite Positionen der Neuen Mitte den Boden. Das neueste Papier der KFS zeigt nun in dankenswerter Offenheit, wie recht wir mit dieser
Analyse hatten.
Die KFS schreibt: „Ein
Antifaschismus, der allein auf einer ökonomistisch
reduzierten Analyse des Kapitalismus fußt, hat kein Instrumentarium, um
Antisemitismus zu erkennen“. Der Mythos, wir würden eine ökonomistisch
verkürzte Faschismustheorie à la Dimitroff betreiben,
gewinnt auch in der stereotypen Wiederholung nicht an Wahrheitsgehalt. Wie wir
Faschismus analysieren lässt sich nachlesen – wenn man sich auf etwas anderes
konzentriert als auf die Bilder:
„Faschismus ist, was
seinen gesellschaftlichen Inhalt anbelangt, eine der Formen der offen
terroristischen Diktatur des Kapitals. Andere Formen sind beispielsweise die
Militär- oder die Präsidialdiktatur. Im Gegensatz zu diesen verfügt der Faschismus
über konterrevolutionäre Massen- und Kampforganisationen, die das Gegenstück zu
entwickelten, revolutionären Massenorganisationen der Arbeiterbewegung und der
revolutionären Intelligenz bilden. In seiner politischen Erscheinungsform ist
er aber zugleich auch die Diktatur der faschistischen Führungsclique und ihrer
Agenten über die Bourgeoisie und ihre Parteien (die liberalen, konservativen,
nationalistischen etc.). Vorraussetzung für die unerläßliche
Zustimmung der Bourgeoise zur faschistischen Machtergreifung ist, daß sie selbst bereits nicht mehr, die Arbeiterklasse und
mit ihr verbündete Klassen und Schichten aber noch nicht, in der Lage ist zu
herrschen.
Der Faschismus
verselbstständigt nach erfolgtem Staatsstreich die Exekutive und verschmilzt sie
mit der faschistischen Partei und ihren paramilitärischen Kampforganisationen.
Er bedeutet Konterrevolution auf allen Ebenen: Zerschlagung der bürgerlichen
Demokratie, des Parlamentarismus, der bürgerlichen Rede-, Presse- und
Organisationsfreiheit, Beseitigung des Streikrechtes, der unabhängigen
Gewerkschaften, diverser sozialer und kultureller Errungenschaften sowie aller
anderen Parteien.“
(aus unserem
Grundsatzpapier: "Gibt
es ein Leben nach dem Tod für die AntiFa-Bewegung
-- Diskussionspapier zum AntiFa-Perspektivkongress,
April 2001")
Wenn es ökonomistisch sein soll, bei dieser Analyse auf dem
unversöhnlichen Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital und dem Klassencharakter
des Faschismus zu beharren, akzeptieren wir dieses Etikett mit Freuden. Denn
wir teilen diese Positionen mit einer ganzen Reihe internationaler
linksradikaler Gruppen und Organisationen, die den Kampf gegen den Kapitalismus
noch nicht ad acta gelegt haben. Die Grenze zwischen revolutionärem
Antifaschismus und staatstragender bürgerlicher Ideologie nach Art von Fischer
und Schröder verläuft für uns genau da, wo Faschismus und der kapitalistische
Normalfall nicht mehr als Varianten begriffen, sondern als Alternativen
dargestellt werden. Der Klassiker ist dabei Adornos Totalitarismustheorie und
die Gleichsetzung des Faschismus mit seinem primären Angriffsziel: der
russischen Revolution.
Tatsächlich ist es genau
dieses Beharren auf linken Essentials, dem wir den unversöhnlichen Hass der KFS
verdanken, denn: „Was hilft es uns, breite Bündnisse gegen Rechts zu installieren,
wenn die Gruppen mit denen Bündnisse geschmiedet werden, Versatzstücke rechter
Ideologie in ihre eigene Ideologie eingebaut haben. Das einigende Band bildet
dabei der Antiimperialismus, mit seinen vereinfachenden Analysen und der
Aufteilung der Welt in Ausbeuter und unterdrückte Massen und Völker.“
Da ist nun also die Wurzel
des Übels freigelegt: Der Antiimperialismus und die „Aufteilung der Welt in
Ausbeuter und unterdrückte Massen“, die es laut KFS offenbar nicht wirklich
gibt. Mit einem solchen ideologischen Background fällt es doch gleich viel
leichter, sich der Verteidigung der westlichen Wertegemeinschaft im Kampf gegen
den globalen Terrorismus (positiver ausgedrückt, dem „Selbstverteidigungsrecht
gegen Terror“) zu verschreiben.
Wer an dieser Stelle noch
immer nicht von linksradikalen Jugendträumen Abschied nehmen mag, braucht es
anscheinend noch heftiger und die KFS lässt sich nicht lumpen: „Auch die
fehlende Distanzierung von antizionistischer Ideologie in der Politik eines
Teils der militanten Linken stellt eine Nähe zum eliminatorischen
Antisemitismus dar“. Muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Die
militante Linke, die sich mit dem Kampf der Palästinenser solidarisiert hat,
wollte im Grunde genommen die von den Nazis begonnene Judenvernichtung
fortsetzen. Besser hätte Franz Josef Strauß das auch nicht auf den Punkt
bringen können.
Sinn und Zweck dieser
Hetze ist also einmal mehr, mit schweren moralischen Geschützen eine
Distanzierung von uns, aber auch von linken Grundsatzpositionen wie der
Ablehnung von Kapitalismus und Imperialismus zu erpressen. Die FAU wünscht sich
dagegen eine Diskussion – die einmal mehr nicht stattfinden wird. Denn jeder
der sich traut, für früher einmal essentielle linke Positionen das Wort zu
ergreifen, wird auch weiterhin mit dem Etikett des Antisemitismus abgestempelt
werden. Auch wenn einigen das paranoid oder denunziatorisch
erscheinen mag: Wir nennen das weiterhin eine Hexenjagd.
Zur FAU Hannover
Der erste Widerspruch bei
der FAU Hannover liegt darin, dass sie in ihrem gemeinsam mit der KFS
herausgegebenen und auf dem Anti-NPD-Bündnistreffen am 30.9.2004 verteilten
Pamphlet kategorisch erklärt hatte, es gebe über diese Sache nichts mehr zu
diskutieren, die Debatte sei beendet und sie genau diese nun plötzlich will. Ja
ihr Artikel „Wenn ernsthafte Distanzierung ausbleibt“ endet gar „in froher
Erwartung der kommenden Diskussionen“. Entweder weiß die FAU Hannover nicht was
sie will oder sie ist – aufgrund mangelnder Unterstützung für ihre Position –
bereits ein Stück zurückgerudert…
Im Übrigen hat es auch den
behaupteten „Austritt“ der FAU aus besagtem Anti-NPD-Bündnis nie gegeben. Sie
hat sich von vornherein ganz einfach nicht daran beteiligt. Aber das klang wohl
nicht dramatisch genug.
Da der Artikel der FAU
ziemlich unübersichtlich ist und mit großer Geste Skandale und
Ungeheuerlichkeiten angekündigt werden, von denen dann zum Teil nicht klar ist,
worin die eigentlich bestehen, bei einem Teil der Leser allerdings gerade
deshalb den diffusen Eindruck hinterlassen, das sei wohl ‚schon irgendwie voll
schlimm’, was die Antifa Uni vertritt, werden wir
versuchen die Vorwürfe hier aufzulisten und Punkt für Punkt zu klären.
1.) Der erste und Standardvorwurf ist wie immer die
‚Schweizer Käse-Karikatur’ aus unserem Flugblatt „’Solidarität mit Israel’
bedeutet das Ende linker Politik“. Im Kern besteht der FAU-Vorwurf
darin, dass „israelische / jüdische Politiker“ zu „Tieren gemacht“ werden, „die
an einem historischen Land ihr Zersetzungswerk tun“ und: „Eine politische
Kritik“ würde „ihren Gegner ernst“ nehmen und sich „des Problems“ nicht dadurch
entledigen, dass „dieser entmenschlicht wird“.
Zum einen wird hier nach
bester antideutscher Art „israelisch“ und „jüdisch“ gleichgesetzt und damit
jede Kritik an Israel zu einem Angriff auf „die Juden“ erklärt. Zum anderen ist
– in punkto „Zersetzung“ Palästinas durch Sharon & Co. – international
völlig unumstritten, das eine kontinuierliche und massive Aneignung
palästinensischer Gebiete durch Israel, z.B. durch den forcierten Siedlungsbau,
die Errichtung und den Verlauf der Mauer weit innerhalb der Westbank,
stattfindet (siehe bspw. das Urteil des Internationalen Gerichtshofes von Aja vom 9.7.2004).
Was den Rest anbelangt,
fragen wir uns, ob die FAU’ler noch nie in ihrem
Leben Karikaturen gesehen haben. Sonst wüssten sie, dass Karikaturen
überspitzte Darstellungen sind und Politiker u.a.
Personen des Zeitgeschehens darin massenhaft als „Tiere“ dargestellt und damit
– nach FAU-Lesart – „entmenschlicht“ werden. Das
bedeutet in aller Regel weder, dass es sich dabei um rassistische Machwerke
handelt noch dass der Karikierte nicht ernst genommen wird. Und die FAU
Hannover darf sich sicher sein, dass wir Ariel Sharon, der in besagter
‚Schweizer Käse’-Karikatur die Hauptrolle spielt,
durchaus ernst nehmen. Nicht ernst genommen bzw. schlicht ignoriert hat die FAU
hingegen das, was „Ein Anarchist“ in der „vers beaux temps“ Nr.8 vom
Dezember 2003 (S.12-14) in dem sehr empfehlenswerten Artikel „Die Karikaturen,
die Völker und der Kulturkampf“ genau dazu gesagt hat.
Die FAU knüpft hier übrigens
an den „Biologismus“-Vorwurf der Anti-Expo-AG gegen
uns an (siehe „vers beaux
temps“ Nr.9, Mai 2004, S.21), ignoriert dabei nur
leider, dass die bekanntesten „Biologismen“ von FAU-Aufklebern und –Plakaten stammen. Zum Beispiel die
Parole: „Die Schweine von heute sind die Schinken von morgen !“
Würde man diese Anklagen ernst nehmen, dürfte ab sofort auch niemand mehr von
„Bullen“ oder gar „Bullenschweinen“ oder von „Schweinesystem“ sprechen. Da wird
schon ein bisschen deutlich, wohin die politische Reise der FAU Hannover geht…
2.) Was unsere heutige Sicht dieser Karikatur anbelangt,
wiederholen wir gern, was wir bereits diverse Male mündlich und schriftlich
erklärt haben: „Was die Karikatur von Khalil Bendib anbelangt haben wir bereits auf der FSR-VV am 3.
Dezember 2002 erklärt und in unserem Brief an die Fachschaftsräte vom 1.2.2003 nocheinmal bekräftigt, daß ihr
Abdruck im Nachhinein betrachtet ein Fehler war, weil sie (auch wenn wir sie
nach wie vor nicht als antisemitisch ansehen) mißverstanden
werden kann und daher von der dringend notwendigen Debatte um die inhaltlichen
Fragen (Wie ist die Politik des Staates Israel und der Sharon-Regierung zu
bewerten ? etc.) ablenkt.“ (aus unserer Stellungnahme vom 16.Mai 2003 zum
Ultimatum des SPD/PDS-AStA’s)
Die FAU gibt zu, dass sie diese unsere Stellungnahmen kennt. Da sie allerdings
nicht in ihr Antisemitismus-Konstrukt passen, erklärt sie kurzerhand, „dass es
sich bei dieser Distanzierung höchstwahrscheinlich um ein taktisches Manöver
handelte“. Zwei Gründe fallen ihr für diese „höchstwahrscheinlich(e)“ Bewertung
ein. Zum einen, dass die Karikatur noch immer auf unserer Website zu finden sei
und zum anderen, dass wir in einem Mitte 2002 veröffentlichten kurzen Hinweis
versichert hätten, es sei nicht unsere Absicht „Sharon und <die>
israelischen Militärs“ als Mäuse zu „verharmlosen“. Ja was denn nun ? Zuerst
wirft uns die FAU Hannover vor, wir würden Sharon & Co. nicht ernst nehmen
(siehe oben) und dann, dass wir uns gegen ihre Verharmlosung aussprechen.
Angesichts solcher Logik wundern wir uns, dass die FAU’ler
uns nicht auch noch die Kommasetzung vorgeworfen haben.
Dass die Karikatur noch
heute (nach längerem, zielgerichtetem Suchen) auf unserer Homepage zu finden
ist, liegt ganz einfach daran, dass wir allen, die auf diese Auseinandersetzung
stoßen, die Gelegenheit geben wollen, sich selbst ein Bild zu machen und nicht
auf die Horrorgemälde angewiesen zu sein, die davon gezeichnet werden. Daran
haben wir nie einen Zweifel gelassen. Im Gegensatz zu manch Anderem, setzen wir
auf Aufklärung statt Zensur und auf das kritische Urteilsvermögen der Leute, auch
wenn man da manchmal enttäuscht wird.
3.) Die FAU will erkannt haben, dass für uns Israel „der
Hort des Bösen“ ist. Da weiß sie mehr als wir. Im Gegensatz zu Ronald Reagan,
den Antideutschen, Verfechtern der Political Correctness und grün-alternativen Gutmenschen denken wir
nicht in solchen Kategorien. Deshalb kann die FAU auch keinen Beleg für ihre
Behauptung anführen (was sie aber nicht weiter stört !).
Aber erstaunt es nicht sogar die hannoverschen FAU’ler,
dass wir außer der Unterstützung eines bundesweiten Demoaufrufes gegen den
Apartheidwall, einer Informationsveranstaltung und einem Aufkleber noch nie
eine Aktion gegen Israel durchgeführt haben, aber schon zahlreiche gegen den
deutschen und den EU-Imperialismus, obwohl für uns doch angeblich „Israel der
Hort des Bösen“ ist ?
Tatsächlich haben wir die
Veranstaltung am 10.6.2004 im Freizeitheim Linden zusammen mit einem
palästinensischen Linken und einem Vertreter der European Jews
for a Just Peace (EJJP)
gemacht, einem europäischen Netzwerk, dem 18 verschiedene jüdische Gruppen
angehören. Ganz konkret mit dem Auschwitz-Überlebenden Hajo Meyer aus
Amsterdam. So ungern das Einige hören werden, sind wir die einzige linke Gruppe
in Hannover, die in den letzten Jahren mit einer jüdischen Organisation kooperiert
hat. Und es gibt bundesweit nur sehr wenige deutsche Gruppen, auf deren
Webseiten sich ähnlich viele Texte und Interviews linker und linksliberaler
jüdischer und israelischer Aktivisten und Intellektueller sowie Links zu ihren
Websites finden. Für angebliche Antisemiten wie wir doch irgendwie merkwürdig.
Aber in der Verschwörungslogik der FAU Hannover sicher alles nur ein neuer
hinterhältiger Trick.
4.) Tatsächlich ist unsere Parteilichkeit im
Nahost-Konflikt das, was die FAU Hannover am meisten stört. (Über 80% ihres
5seitigen Artikels widmet sie diesem Thema, nur knapp 20% der Karikatur !) Wir seien immer so „strikt und einseitig“,
hätten ein „Bedürfnis nach Eindeutigkeit“, wollten uns „um jeden Preis auf eine
Seite schlagen“, „nur um ein lieb gewonnenes Feindbild aufrechterhalten“ und
setzten uns damit „über bestehende Widersprüche hinweg“, denn in Wirklichkeit
sei die Welt doch so unklar und unübersichtlich und Alle irgendwie böse.
Es sagt viel aus über den
Zustand der sogenannten Linken, wenn man sich heute –
noch dazu in Zeiten des „permanenten präventiven Krieges gegen den Terror“ –
schon für seine „Parteilichkeit“, „Eindeutigkeit“ und die grundsätzliche
(und dabei selbstverständlich immer auch kritische) Solidarisierung mit
den Unterdrückten rechtfertigen und entschuldigen soll. Das macht uns
sprachlos. Deshalb schließen wir uns den Worten des bekannten israelischen
Schriftstellers, Journalisten und führenden Gush-Shalom-Aktivisten
Uri Avnery an, der in seinem Artikel „Zwölf konventionelle
Lügen“ unter „11.“ die Behauptung israelischer
Regierungsstellen zitiert: “ ‚Noch einmal wird bewiesen, dass die ganze Welt
gegen uns ist. Sie sind alle Antisemiten.’“ Und darauf antwortet:
“Die öffentliche Weltmeinung ist immer auf Seiten der Unterdrückten. In
diesem Kampf sind wir Goliath und sie sind David.
In den Augen der Welt kämpfen die Palästinenser einen Befreiungskampf
gegen eine feindliche Besatzung. Wir sind in ihrem Land – nicht sie in unserem.
Wir siedeln auf ihrem Land – nicht sie auf unserem. Wir sind die Besatzer, sie
sind die Opfer. Dies ist die objektive Situation und kein Propagandaminister
(wie Herr Nachman Shai)
kann dies ändern.“ (Uri
Avnery am 20.10.2000, siehe www.uri-avnery.de)
5.) Besondere Kapriolen schlägt die FAU als sie aus der
ersten unserer „18 Fragen zur Positionierung im Palästina-Konflikt“, ob „die
Palästinenser oder die Hamas für Auschwitz, Treblinka, Bergen-Belsen …
verantwortlich“ seien, konstruiert, wir würden behaupten, „dass sich in Israel
/ Palästina ähnliches abspielt, wie in den Konzentrationslagern des ‚Dritten
Reiches’ und dass der Holocaust in einer graden Linie mit ‚Faschismus,
Rassismus, imperialistische(n) Eroberungskriege(n) und Kolonialabenteuern
steht“. Dabei hatten wir nichts anderes gesagt, als dass:
„Gerade weil wir den
<Holocaust> verurteilen und gegen Faschismus, Rassismus,
imperialistische Eroberungskriege und Kolonialabenteuer und deren
gesellschaftliche Wurzeln kämpfen, sind wir der Ansicht, daß
man auch und gerade im Mittleren Osten parteilich sein kann und muß“. Nicht weil Sharon dort ein neues Ausschwitz
in Arbeit hat, sondern weil 1. der Kampf gegen Unterdrückung und Rassismus
unteilbar ist und 2. es nicht angehen kann, dass die Palästinenser die Zeche
für die Verbrechen Nazi-Deutschlands bezahlen sollen. So kann ernsthafte
„Vergangenheitsbewältigung“ unseres Erachtens nicht aussehen
!
Wir haben also nichts
anderes gesagt als der jüdische Dichter und bekannte Linke Erich Fried bereits lange
vor uns: „In Deutschland sollte man sich daran erinnern, daß
der Hitlerfaschismus sich nicht nur am Schicksal der Juden schuldig gemacht
hat, sondern auch an dem Schicksal der Palästinenser mitschuldig ist. Ohne
Hitlers Judenvertreibung und Judenmorde wären nie genug Einwanderer nach
Palästina gekommen, um die Palästinenser unterdrücken zu können. Darum haben
gerade Menschen in Deutschland die Pflicht, nicht den Blick abzuwenden von den
Verbrechen an den Palästinensern, sondern in Gewerkschaften, Bürgerinitiativen,
in allen linken Gruppen, am Arbeitsplatz, an Schule und Hochschule mit den
Palästinensern solidarisch zu sein, ob es sich um aufklärende Information
handelt, um Unterschriftensammlungen, Demonstrationen, Spenden oder auch nur um
die Diskussionen. Das alles gilt der Freiheit und dem Recht der Palästinenser
auf Selbstbestimmung und auf einen palästinensischen Staat.“ (Quelle:
Palästina-Bulletin, Bonn, Nr. 17/ 29.4.1988)
Im Gegensatz zur FAU sind
wir nicht der Ansicht, dass man sich erst bei einem, industriellen Massenmord
an den Palästinensern eindeutig auf deren Seite stellen kann und darf. Uns
reichen da schon die heutigen Tatsachen aus (inklusive der zahllosen „Kriegsverbrechen“
des Schlächters Sharon, wie sie die Kommunistische Partei Israels nennt; siehe www:maki.org.il/english/)
Ein notwendiger
Exkurs:
An dieser Stelle ist es
notwendig etwas zur „Imperialismustheorie“ der FAU Hannover zu sagen, die –
neben ihrem zeitgeistigen Moralismus – zu solchen geistigen Kapriolen führt:
Imperialismus ist für die FAU im Gegensatz zur KFS und den Antideutschen zwar
schon noch eine „Realität“, allerdings vordringlich eine Frage von „Gebärden“,
Gestik und schlechten Umgangsformen, da „der Staat Israel sich (wie alle
anderen Staaten auch, die versuchen, ihre Interessen in der internationalen
Konkurrenz durchzusetzen) imperialistisch gebärdet“. Und weiter: „Dass ein
Staat – noch dazu einer, der sich bei den angrenzenden Staaten nicht gerade
größter Beliebtheit erfreut – im Besitz von Waffen ist, ist beim derzeitigen
Zustand der Welt (…) nicht gerade überraschend. Und dass Staaten von anderen
Staaten finanzielle Unterstützung erhalten, da sich letztere davon einen Nutzen
versprechen, ist (…) eine Form ‚freundschaftliche Beziehungen’
aufrechtzuerhalten.“ Dummdreister könnte eine Verharmlosung des Imperialismus
wohl kaum sein. Was da von der FAU Hannover angeboten wird, ist eine Mischung
aus Zynismus und Pragmatismus, etwas entschärft durch eine Prise
Sonntagspredigt am Schluss. Es gleicht nicht nur aufs Haar der, jedes
Verbrechen der israelischen Besatzungstruppen rechtfertigenden,
Argumentationslinie in dem antideutschen Pamphlet „Warum die Uni-Antifa keine Antifa“ ist,
sondern es erinnert uns auch fatal an den sog. „strategischen Realismus“. Das
heißt an eine der führenden imperialistischen Denkschulen, deren bekanntester
Vertreter der ehem. US-Außenminister Henry Kissinger ist, dem diese Theorie als
ideologischer Überbau für die Unterstützung diverser Militärputsche und die
Flächenbombardements in Vietnam, Kambodscha und Laos diente. Bei Kissinger
gipfelte der „strategische Realismus“ in dem berühmten Ausspruch: „Der
Präsident kann bombardieren, wen er will!“
Aber nicht nur das. Die FAU
betreibt in punkto Imperialismus auch Begriffsverwirrung erster Güte, da für
sie Imperialismus über die „Gebärde“ hinaus der Versuch von Staaten ist, „ihre
Interessen in der internationalen Konkurrenz durchzusetzen“. Demzufolge ist
auch die Unterbietungskonkurrenz Bananen, Kaffee oder Kokosnüsse exportierender
Staaten auf dem Weltmarkt oder die Konkurrenz um Weltbankkredite ein Zeichen
für ihren imperialistischen Charakter. Wahrscheinlich sogar die Beteiligung am
Kungeln auf einer UNO-Konferenz. Damit sind Kuba oder Costa Rica genauso
imperialistische Staaten wie die USA oder die BRD. Na besten Dank für diese
Theorie!
Wir kennen da bessere, z.B. die
Definition, die Lenin zum Phänomen Imperialismus anzubieten hat. Ihm zufolge
weist der Imperialismus 5 grundlegende Merkmale auf: „1. Konzentration der
Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, daß sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die
entscheidende Rolle spielen; 2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital
und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses ‚Finanzkapitals’; 3.
der Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige
Bedeutung; 4. es bilden sich internationale monopolistische
Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und 5. die territoriale
Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet. Der
Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die
Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der
Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch
die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten
Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen
ist.“ Hinzu kommt bei Lenin die historische Stellung des Imperialismus als
höchstes Stadium kapitalistischer Entwicklung und die Herausbildung einer
Arbeiteraristokratie in den imperialistischen Ländern, die von diesem
wesentlich profitiert und ein gewisses Interesse an seiner Verteidigung hat.
Mit der Entkolonialisierungswelle
der 60er und 70er Jahre hat die direkte Kontrolle deutlich abgenommen und der
Kapitalexport quantitativ wie qualitativ (in der Bedeutung für das Phänomen
Imperialismus) einen weiteren Entwicklungssprung vollzogen. Nach der erreichten
Unabhängigkeit der meisten Kolonien fand dieser Kapitalexport in den End 60er und 70er Jahren in starkem Maße durch
Kreditvergabe statt. Nach Ausbruch der Schuldenkrise dominierte vor allem die
neokoloniale Einflussnahme durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die
Weltbank. Die damals aufgelegten Austerity-Programme
waren – insbesondere in Lateinamerika – die ökonomische Seite einer
konterrevolutionären Welle, die zur Zerschlagung linker Massenbewegungen
führte. Unter dem Schutz von Militär- und Präsidialdiktaturen und inspiriert
durch Milton Friedmans Monetarismus wurde nicht nur mit links-keynesianistischen
Programmen aufgeräumt, sondern (in Chile, Brasilien, Argentinien, der Türkei
etc.) erste neoliberale Experimente durchgeführt.
Bedingt durch den
Zusammenbruch des sozialistischen Staatensystems (RGW) und die Durchsetzung des
Neoliberalismus auf Weltebene als „Neue Weltordnung“ hat sich der Kapitalexport
ebenso wie der Welthandel seit 1989 / 90 weiter intensiviert, wobei er nun eher
die Züge einer „Global Production“ annimmt. Dies
führte allerdings auch zu einer begrenzten Neuauflage direkter kolonialer
Kontrolle (siehe die Protektorate in Bosnien und Kosovo und das
Besatzungsregime im Irak). Etwas, das auf die immanente politische Schwäche des
Neoliberalismus hindeutet.
6.) Das
Problem der FAU Hannover ist, dass wir nicht – nach Art einer alternativen
Sonntagspredigt – „Staaten überhaupt“ kritisieren, sondern „konkret Israel“,
„ausgerechnet Israel“, wohl weil das – wiederum eine Parallele zu den
Antideutschen – der am meisten verteidigenswerte aller Staaten ist. Konkretheit scheint in der „linksradikalen“
Restszene mittlerweile ein Problem und etwas Verdammenswürdiges zu sein, hatte
uns doch schon die Anti-EXPO-AG vorgeworfen, dass wir den Kapitalismus nicht „in
der Totalität seiner abstrakten Wertgesetze“, sondern vor allem und immer
wieder konkret kritisieren und bekämpfen würden. Etwas, dass sie als
„strukturell verkürzten Antikapitalismus“ geißelten und dabei vergaßen, dass
nicht wir, sondern sie selbst es gewesen waren, die in der Vergangenheit
den Kampf gegen einzelne Konzerne (siehe die Anti-Siemens-Kampagne)
betrieben und in den Mittelpunkt gestellt haben.
Konkrete Kritik an Israel
verträgt die FAU nicht, wenn es um die mindestens 200 Atomsprengköpfe,
Mittelstreckenraketen und die von der BRD gelieferten U-Boote als Trägersysteme
geht. Da kommt dann in überwunden geglaubter Spießermanier (‚Warum kritisiert
Ihr nicht das, was in der Ostzone passiert?!’) die Frage, warum wir uns nicht
„über das nord-koreanische oder deutsche Arsenal an Mittelstreckenraketen
beschweren“. Vielleicht, weil man sich über Dinge, die nicht existieren
(deutsche Mittelstreckenraketen gibt es sowenig wie einen deutschen Flugzeugträger,
das könnte man seit der Nachrüstungsdebatte durchaus wissen!) auch schlecht
beschweren kann. Und weil wir es – anders als die FAU – nicht so mit typisch antideutschen
Argumentationsmustern haben (Deutschland und Nordkorea als „Hort des Bösen“).
Vor allem aber „vergessen“ wir in fast jedem Anti-NPD-Flugblatt auch, uns
gleichzeitig über den Front National, den Vlaams
Block / Vlaams Belang oder Alleanza
Nazionale zu „beschweren“ und beim Kampf gegen
1-Euro-Jobs immer auch den norwegischen und japanischen Walfang und die
Abholzung der Amazonas-Wälder zu thematisieren. Verzeihung!
Wenn uns die FAU Hannover
darüber hinaus den Hinweis auf die damals 5.000 (mittlerweile 7.000)
palästinensischen Gefangenen in israelischen Knästen vorwirft, sollte sie
konsequenterweise auch gleich die Zusammenarbeit mit der französischen CNT-F
einstellen. Die unterhält nämlich eine eigene Palästina-Arbeitsgruppe, die vor
nicht allzu langer Zeit unter dem Titel „Le fait colonial. De la Nakba au mur de l’apartheid“ („Die kolonialen Tatsachen. Von der Nakba bis zum Apartheidwall“) eine Broschüre als
Sonderausgabe ihrer Zeitung „Le Combat Syndicaliste“ herausgegeben hat, in der sie sich
derselben „Verbrechen“ schuldig macht wie wir (siehe www.cnt-f.org/international)
und gleich zweimal die palästinensische Flagge zeigt. (Ein weiteres
„Verbrechen“, dessen uns die Anti-EXPO-AG in der „vers
beaux temps“ Nr.9
angeklagt hat !). Und sie sollte für den Ausschluss ihrer italienischen
Schwesterorganisation USI-AIT aus der IAA sorgen, denn die hat sich in der
November 2004-Ausgabe ihrer Zeitung „Lotta di classe“
in einem langen Artikel völlig „einseitig“ über die Hunderten minderjähriger
palästinensischer politischer Gefangener in Israel ausgelassen (www.lottadiclasse.it). Die USI-AIT beteiligte sich
übrigens, zusammen mit den anderen linksradikalen italienischen
Basisgewerkschaften (RdB, Confederazione
Cobas, Sin Cobas…) und der PFLP am 9.März 2002 an der großen,
landesweiten italienischen Palästina-Solidaritätsdemo in Rom. Einer
Demonstration, die erklärtermaßen „Ohne Wenn und Aber für das palästinensische
Volk“ eintrat (siehe z.B. „Liberazione“ vom
10.3.2002). Da kommt viel Arbeit auf die FAU Hannover zu…
Konkrete Kritik an Israel
verträgt die FAU Hannover aber auch dann nicht, wenn an die 220 während der
1.Intifada (1987 – 1993) von den israelischen Besatzungstruppen erschossenen
palästinensischen Jugendlichen erinnert wird. Deren einziges „Verbrechen“ war
das Werfen von Steinen auf behelmte und gut ausstaffierte Besatzungssoldaten
oder einfach nur die Teilnahme an einer militanten Demonstration.
Selbstmordattentate gab es damals ebenso wenig wie einen bewaffneten Arm der
Hamas, des Jihad oder die Al Aqsa
Brigaden. (Die waren erst die Frucht dieser jahrelangen Erfahrung.) Dennoch ist
für die FAU Hannover allein schon der Hinweis auf diese Toten und die Vielzahl
verwundeter, verkrüppelter und traumatisierter
palästinensischer Demonstranten Frevel. Und das von der Ortsgruppe einer
Organisation, die aus der direkten Aktion einen Kult macht und sogar ihre
Zeitung danach benennt. Vielleicht sollte die in Zukunft besser „Devote
Kollaboration“ heißen. Ihrem Artikel ist ja zu entnehmen, dass der FAU Hannover
zumindest in Palästina das Schicksal der Kollaborateure weitaus mehr am Herzen
liegt als das derjenigen, die gegen Besatzung, Enteignung und Apartheid
Widerstand leisten!
7.) Die FAU Hannover unterstellt uns, wir hätten „kein
Problem damit“, uns „mit religiösen ‚Märtyrerbomben’ zu solidarisieren“ und
würden Werbung für die Hamas betreiben. Einen Beweis für unsere angebliche
Solidarisierung mit Selbstmordattentaten kann die FAU natürlich nicht bringen.
Wie auch? Es gibt keine derartige Äußerung von uns, ganz einfach
deshalb, weil das nicht unsere Position ist. Es gibt im Gegenteil
in mindestens einer Vorbemerkung zu einer Übersetzung eine klare Kritik daran
(mehr dazu unter 9.), doch das wird von der FAU wiederum geflissentlich
ignoriert. Auch die Hamas haben wir in diversen Texten, die alle leicht auf
unserer Homepage zu finden sind, deutlich, aber eben auch differenziert,
kritisiert. Beispiel: „Eine Kritik der „Islamischen Widerstandsbewegung“
(Hamas) als einer kleinbürgerlich-antiimperialistischen
Bewegung mit linkspopulistischen Zügen ist notwendig, wird aber – neben der
Kenntnis ihrer tatsächlichen Positionen – auch ihre politische Entwicklung und
die Bedingungen, unter denen sie operiert, einbeziehen müssen.“ (aus der
Vorbemerkung des Rantisi-Interviews in „Palestine-Report“ 31.3.2004). Zu einer differenzierten
Einschätzung gehört eine genaue Kenntnis der Politik, die sie vertritt und der
Entwicklung, die sie vollzogen hat. Einer Entwicklung von ausgewiesenen
Antikommunisten zu einer Organisation, die sich seit Jahren durchgängig mit der
palästinensischen Linken solidarisiert und mit ihr zusammenarbeitet; von einer
Gruppe, die die PLO bekämpfte und deshalb anfangs von Israel gefördert wurde
hin zu einer, die Mitglied der PLO werden will und von Israel bis aufs Messer
bekämpft wird. (Siehe dazu u.a. den
ARD-Korrespondentenbericht „Der neue Weg der Hamas“ vom 6.1.2005 auf unserer
Homepage.) Zuallererst muss man allerdings Ursache und Wirkung auseinander
halten können. Denn die „Selbstmordattentäter“ / „Märtyrer“ sind nicht vom
Himmel gefallen und im Gegensatz zu den Ammenmärchen der FAU handelt es sich
nicht in erster Linie um religiös motivierte Aktionen mit Blick auf die
berühmten „7 Jungfrauen und den Logenplatz im Paradies“, die es zur Belohnung
gibt. Die zweitmeisten dieser Aktionen wurden von den
Al-Fatah-nahen, laizistischen Al Aqsa-Brigaden
durchgeführt (z.T. auch von Frauen)! Im übrigen ist auch Selbstmordattentat nicht gleich
Selbstmordattentat. Ein Teil dieser Aktionen richtete sich gegen israelische
Besatzungssoldaten und bewaffnete rechtsradikale Siedler, der andere gegen
Zivilisten in Israel. Das ist zumindest für uns nicht dasselbe. Nach der Genfer
Konvention ist bewaffneter Widerstand gegen Besatzer selbst im Rahmen des
bürgerlichen Systems legitim.
Der Grund für diese Aktionen
liegt dort, wo ihn z.B. Zvi Schuldiner (linker
Soziologie-Professor an der Jüdischen Universität von Jerusalem) ausgemacht
hat: in der „Blut- & Eisen-Politik“ und dem „fundamentalistischen“
„Kreuzzug“ der israelischen Regierung („parallel zum
imperialistischen Kreuzzug des Präsidenten Bush“). Denn:
„Die wahre Gewalt ist die
Besatzung. Und der Hass, den sie erzeugt, ist das von einer verbrecherischen
israelischen Führung diktierte Blutbad. Einer Führung, die drei Millionen
menschlichen Wesen die nationalen und Menschenrechte verwährt. Und eine Mauer
des Hasses errichtet. Und die, indem sie alle Dämonen wachruft, die
Degeneration versucht, um die Besatzung zu konsolidieren. Die Gewalt der
israelischen Regierung genießt vollständige Straffreiheit. Diejenigen, die
heute zur Ermordung von Rantisi schweigen, werden
sich sehr schnell fragen müssen, was zu tun ist, um einen Sharon zu stoppen,
der bereit ist, alle Türen zu einem Friedensabkommen mit den Palästinensern zu
schließen, um mit Leichtigkeit zur Massenvertreibung der Palästinenser
überzugehen.“ („il
manifesto“ 18.4.2004)
Zu denen, „die heute zur
Ermordung von Rantisi schweigen“, d.h. zum
israelischen Staatsterrorismus, gehört auch die FAU Hannover. Die ist um so
aktiver im Kampf gegen die Aufklärung, wenn es darum geht, sich für Zensur
stark zu machen, konkret für die Unterdrückung von Informationen über Hamas,
PFLP und andere Organisationen. Denn der eigentliche Vorwurf besteht darin,
dass sich auf unserer Homepage „mehrere Artikel und Übersetzungen (…) finden, (…)
die sich fast ausschließlich mit dem Konflikt um Israel / Palästina befassen“ –
darunter auch 6 (sechs) Interviews mit Führungsmitgliedern der Hamas. Wiederum
„vergessen“ zu erwähnen hat die FAU Hannover, dass dem 19 (neunzehn) Interviews
und Kommentare jüdischer Linker und Linksliberaler (Israelis und
Nicht-Israelis) gegenüberstehen – von Michel Warschawski
über Baruch Kimmerling, Zvi
Schuldiner, die EJJP, die KP Israels, Moshe Zimmermann, Moshe Zuckermann … bis hin
zur Redaktion der jüdisch-antizionistischen
Zeitschrift „Challenge“. Sieht so Werbung für
die Hamas aus?
Außerdem befinden sich auf
unserer Homepage – zwecks Information – auch Beiträge des führenden
italienischen Kapitalisten Carlo De Benedetti und des Analytikers Mouin Rabbani von der International Crisis
Group, einer der wichtigsten imperialistischen Denkfabriken (worauf wir auch
hinweisen). Glaubt die FAU im Ernst, dass wir mit denen sympathisieren? Und
tritt die FAU Hannover mittlerweile schon für das Verbot der „Süddeutschen
Zeitung“ ein? Aus deren Ausgabe vom 18.7.2002 stammte nämlich das von ihr
beanstandete Interview mit Mahmut Zahar.
8.) Aber auch was die FAU den Hamas-Leuten konkret
vorzuwerfen hat, spricht Bände: Dem im Frühjahr von Israel ermordeten
Hamas-Chef Abdel Aziz Rantisi
wirft sie vor, dass er seine Bewegung nicht mehr als (konterrevolutionäre)
Kampftruppe gegen die PLO verstand, sondern als „die vereinigende Kraft
aller nationalen und islamischen Kräfte“. Dieses Streben nach einer
langfristigen Einheit mit den laizistischen Widerstandsgruppen stört – aus
verständlichen Gründen – auch Sharon & Co.
Ein weiterer Anklagepunkt
der FAU gegen Rantisi ist seine Aussage: „Ich muss
mit Nachdruck betonen, dass wir keine Posten anstreben. Wir streben nach
Märtyrertum.“ Ein Karrierist nach Art von Fischer, Roth und Trittin wäre
unseren „Anarchisten“ offenbar angenehmer. Leute aber, die ihre Ziele
(Befreiung von Apartheid und Konialherrschaft) in den
Vordergrund stellen und dafür sogar bereit sind, ihr Leben zu lassen, sind
ihnen hingegen höchst suspekt. Wie lange wird es noch dauern bis die FAU
Hannover ihre erste Kampagne gegen Che Guevara-Plakate, -Buttons, -T-Shirts und
-Fahnen startet ? Oder ist Ernesto „Che“ Guevara nicht
so etwas wie der linke „Chefmärtyrer“ ? Und wann gibt
es die erste FAU-Gegendemo gegen die jährliche
Liebknecht/Luxemburg-Demonstration Anfang Januar in Berlin???
Die Kritik an Märtyrerkult
muss unseres Erachtens dahin gehen, die jeweiligen Personen in ihren
Widersprüchen und als Teil der jeweiligen Bewegung zu sehen, d.h. zuallererst einmal
wieder verstärkt für Wissen über sie zu sorgen. Eine Abwicklung oder
Totalverurteilung führt hingegen zu nichts anderem als zur Negation
revolutionärer Versuche, die ohne Opferbereitschaft gar nicht möglich wären und
führt – sehr zeitgemäß – in die „gute Stube“ des Parlamentarismus und des
Spießbürgertums. Im Falle Rantisis geht es ja nicht
darum, dass er propagieren würde, jeder Hamas-Aktivist solle sich möglichst
schnell irgendwo selbst in die Luft sprengen. Wenn dem so wäre, bräuchten
Sharon und Konsorten nicht ihre Todesschwadron loszuschicken, um selbst
gelähmte alte Männer in ihrem Rollstuhl mit Hilfe von Luft-Boden-Raketen zu
massakrieren.
Da die FAU immanente „Widersprüche“ und „Dialektik“
nur dann kennt, wenn sich daraus (zumeist sehr billige) Propaganda für den
Kolonialstaat Israel machen lässt, scheint uns der Hinweis auf die berühmte
Feststellung von Karl Marx zu solchen Phänomenen sinnvoll, wie sie bei Zahar und bei Rantisi bzw. der
Hamas insgesamt zu beobachten sind:
„Die Menschen machen ihre
eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen,
gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter
lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit
beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen
revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu
ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser
altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neue
Weltgeschichtsszene aufzuführen. So maskierte sich Luther als Apostel Paulus,
die Revolution von 1789-1814 drapierte sich abwechselnd als römische Republik
und als römisches Kaisertum, und die Revolution von 1848 wußte
nichts besseres zu tun, als hier 1789, dort die revolutionäre Überlieferung von
1793-1795 zu parodieren.“ (Karl Marx,
„Der 18.Brumaire des Louis Bonaparte“, MEW Band 8, S. 115)
Haben die FAU’ler übrigens schon vergessen, dass die deutschen
Bauernkriege von „Religiösen“ und christliche „Fundamentalisten“, wie Thomas
Münzer, angeführt wurden und dass in Lateinamerika ab den 60er Jahren die
katholische „Theologie der Befreiung“ einen nicht gerade geringen Einfluss auf
die dortigen Befreiungsbewegungen hatte?
Um aber gar keinen Zweifel
an unserer Position zur Hamas aufkommen zu lassen, sei hier nochmals deutlich gemacht, dass wir die
Hamas (ähnlich wie die Hisbollah, bei der dieser Prozess noch
weiter gediehen ist) als kleinbürgerlich-antiimperialistische
Organisation betrachten, die in den letzten Jahren zum Teil auch
linkspopulistische Züge angenommen hat. Insofern deckt sich unsere Kritik an
der Hamas im Grundsatz mit der von der palästinensischen Linken vertretenen.
Z.B. vom DFLP-Führungsmitglied Taysir
Khaled: „Wir sind Teil desselben Widerstandes gegen die zionistische
Besatzung, aber in Bezug auf die Politik, den Staat, die individuellen und
kollektiven Rechte, die Rolle der Frau in der Gesellschaft und in der Politik
sind unsere Positionen einander diametral entgegengesetzt.“ Ziel bzw.
Zwischenziel auf dem Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft ist: „… ein
laizistischer Staat, mit einer fortschrittlichen sozialen Gesetzgebung, in dem
die Trennung von Politik und Religion klar und deutlich ist. Damit wir uns
richtig verstehen: Ich will nicht, dass der palästinensische Staat auf einem
theokratischen Regime beruht.“ (aus einem “l’Unità“-Interview vom 7.1.2005).
9.) Genau wie das antideutsche (mittlerweile sanft
entschlafene) „Bündnis gegen Antisemitismus“ an der Uni Hannover wirft uns auch
die FAU Hannover vor, dass wir die Volksfront für die Befreiung Palästinas
(PFLP), die größte Organisation der palästinensischen Linken, auf unserer
Website verlinken, da sie „zu Mitteln greift, die durch nichts mehr zu
verteidigen sind und sich die Abschaffung Israels auf die Fahnen schreibt!“.
Hier outet sich die FAU Hannover einmal mehr als prozionistische und de facto auch als systemerhaltende
/ reformistische Gruppe. Die „Abschaffung Israels“ ist für revolutionäre
Linke, egal ob sie sich (wie die PFLP) als „marxistisch“ verstehen oder
als anarchistisch oder sonstwie aus zwei Gründen
Pflicht: 1. weil es sich um einen Kolonial- und Apartheidstaat handelt und 2.
weil es sich um einen kapitalistischen Staat handelt! Den Vorwurf Israel
abschaffen zu wollen und an seiner Stelle einen nicht-jüdischen, sondern
multikulturellen, laizistischen, demokratischen Staat und später eine
sozialistische Republik aller dort lebenden Menschen gründen zu wollen, müsste
die FAU konsequenterweise auch gegen die revolutionäre Linke in Israel erheben,
denn Gruppen wie Mazpam in den 60er und 70er Jahren,
die ODA, Maavak Sozialisti,
Abna el Balad oder die
Gruppe um die von russischen Juden herausgegebene Zeitung „Iskra“ kämpften bzw. kämpfen für nichts anderes!
Die FAU spricht aber auch
von „Mitteln“ der PFLP, „die durch nichts mehr zu verteidigen sind“ und meint
damit die Entführung einer Air France-Maschine 1976
nach Entebbe, an der auch zwei mutmaßliche deutsche
RZ-Mitglieder beteiligt waren. Das Lieblingsbeispiel aller Antideutschen für
den „eliminatorischen Antisemitismus“ der
palästinensischen Linken und der antizionistischen Linken in der BRD, da damals
die jüdischen von den nicht-jüdischen Fluggästen getrennt wurden, was flugs mit
der Selektion an der Rampe von Auschwitz auf eine Stufe gestellt wurde. Drei
Punkte sprechen gegen dieses Konstrukt. Erstens: Es ist völlig unklar,
ob dieses Vorgehen von der PFLP-Führung autorisiert war oder auf die
individuelle Entscheidung der Entführer zurückgeht, d.h. ob es für die
Organisation repräsentativ ist. Denn ähnliche Vorgehensweisen bei anderen
PFLP-Aktionen können regelmäßig nicht angeführt werden. Zweitens: FAU
wie Antideutsche vergessen oder verschweigen immer tunlichst eine nicht
unwesentliche Tatsache: Nämlich, dass der Staat Israel alle jüdischen Bewohner
dieses Erdballs als israelische Bürger betrachtet und ihnen, sofern sie Bürger
eines anderen Staates sind, eine doppelte Staatsbürgerschaft aufzwingt, ob sie
wollen oder nicht. Das bedeutet wiederum, dass alle jüdischen Fluggäste der
Maschine für die israelische Regierung einen wesentlich höheren Stellenwert
hatten als die anderen und die Trennung mithin nicht aus antisemitischer
Motivation, sondern aus einer reinen Erpressungslogik heraus erfolgte, die Teil
von Entführungen ist. Drittens liegt diese Aktion mittlerweile 29 Jahre
zurück. Nichts belegt die oberflächliche und unhistorische Denkweise der
hannoverschen FAU besser als das. Oder anders: Wenn eine vor fast 30 Jahren durchgeführte
Aktion politische Akteure auch heute noch entscheidend charakterisiert, dann
ist die PDS die SED, ein kommunistischer Führungskader (Jürgen Trittin / KB)
Umweltminister und ein militanter linksradikaler Rädelsführer deutscher
Außenminister. 1976 war das „Putzgruppen“-Mitglied
Joseph Fischer nämlich noch ein „Führungsmitglied der gewaltsamen
Frankfurter Sponti-Szene“ („Die Welt“ 12.1.2005) und spielte in den
dortigen militanten Auseinandersetzungen „eine wichtige, vielleicht sogar
‚zentrale’ Rolle“, wie Fischer Anfang Januar in einem Spiegel-Interview
zugab. Ist es übrigens Zufall, dass Fischer ausgerechnet die von der FAU
angeführte Flugzeugentführung und die dortige „Selektion“ als den
entscheidenden Einschnitt und Anlass zur Heimkehr in die bürgerliche
Gesellschaft nennt?
Wie bei jeder revolutionären
Organisation gibt es natürlich auch bei der PFLP Anlässe zur Kritik, allerdings
zu einer solidarischen und nicht zu einer instrumentellen im Dienste eines
kolonialen und staatsterroristischen Regimes. Wir wollen hier nur auf einen
Punkt eingehen, der die Szene mehr als alles Andere interessiert: Die PFLP hat
Selbstmordattentate lange Zeit abgelehnt. Dennoch fanden in den letzten Jahren
drei solcher Aktionen statt, zu denen sich die PFLP oder Teile der PFLP
bekannten: Am 16.Februar 2002 in der jüdischen Siedlung Karni
Shamron nahe Tulkarem in
der Westbank (2 tote Siedler), am 25.Dezember 2003 an der Geha-Kreuzung
in Tel Aviv auf eine Gruppe von Soldaten (4 Tote; 3 Soldaten und eine Hausfrau)
sowie am 1.November 2004 auf den Carmel Markt in Tel
Aviv (3 tote Einkäufer). Laut dem israelischen Außenministerium, ergaben
Untersuchungen der Israel Security Agency (ISA), dass
der letztere Anschlag ursprünglich in Jerusalem hätte stattfinden sollen. Ziel sei
höchstwahrscheinlich das dortige US-Konsulat gewesen. Aufgrund der massiven
Sicherheitsvorkehrungen dort sei die PFLP-Zelle nach Tel Aviv ausgewichen, wo
sie das ganz in der Nähe des Marktes befindliche französische Konsulat (bzw.
die dortigen Wachposten) habe treffen wollen (siehe: http://www.mfa.gov.il/MFA/MFAArchive/2000_2009/2004/11/Suicide%20bombing%20at%20Carmel%20Market%201-Nov-2004).
Wie dem auch sei, wir haben
bereits in unserer Vorbemerkung zu dem Interview mit dem Sprecher der PFLP Nablus, Abdel Wahab Shteiyeh, in „Palestine-Report“
vom 7.Januar 2004 verdeutlicht, dass wir diesen Aktionen und besonders der
Tötung einer Hausfrau an der Geha-Kreuzung in Tel
Aviv sehr kritisch gegenüberstehen. Etwas, das die FAU Hannover wiederum
geflissentlich nicht zur Kenntnis nimmt. Wir haben aber auch verdeutlicht, dass
dieser Anschlag nicht im luftleeren Raum stattgefunden hat: Eine Woche vor dem
Anschlag hatten israelische Besatzungstruppen im Flüchtlingslager Balata bei Nablus den Onkel des
Attentäters Shahed Hanani
erschossen. Randnotiz des palästinensischen Alltags unter der israelischen
Besatzung und den Freunden des Staates Israel hierzulande keine Erwähnung wert.
(Im Gegenteil, wie uns die FAU Hannover lehrt, ist die Erwähnung dieser
Tatsachen ja bereits „antisemitisch“.)
Und auf noch etwas sei
hingewiesen: Die Geschichte der Revolutionen und Klassenkämpfe überhaupt ist
voller hässlicher und grausamer Vorfälle: Das Ende der führenden Jakobiner
(Danton, Robbespierre etc.) auf der Guillotine, die
Exekution von „Trotzkisten“ und Anarchosyndikalisten in den Internationalen
Brigaden in Spanien 1936-39, bei Anschlägen italienischer Partisanen auf die
Wehrmacht und die Mussolini-Miliz zwischen 1943 und 45 getötete italienische
Zivilisten, die Erschießung „desertierter“ Kämpfer durch die kubanische
Guerilla (Bewegung des 26.Juli) unter Führung von Fidel Castro und Che Guevara,
die phasenweise Zwangsrekrutierung von Kämpfern durch die Guerilla in El
Salvador und den Mord an einem Teil der FMLN-Führung Mitte der 80er Jahre im
nikaraguanischen Exil durch Genossen, interne Abrechnungen innerhalb der
philippinischen KP und ihrer Guerillaorganisation NPA… War die kubanische
Revolution also falsch? Waren die Internationalen Brigaden eine
„verbrecherische Organisation“? War die italienische Resistenza
„Terrorismus“? Hätte man im Fall von Nikaragua, Guatemala und El Salvador lieber
„Äquidistanz“ betreiben oder für gewaltfreie
Sitzblockaden gegen das Somoza-Regime und die anderen
Oligarchen und ihre Militärs plädieren sollen? Die FAU Hannover ist offensichtlich dieser
Ansicht.
10.) Die FAU Hannover wirft uns auch einen „an Verschwörungstheorien
erinnernde(n) Umgang mit Kritik“ vor. Eine atemberaubende Unterstellung, wo die
Kooperation von Antideutschen und dem Regierungsjugend-AStA
kaum besser dokumentiert sein könnte. So schrieb der PDS-„Führungsoffizier“
(wie er sich selbst gern nennt !) Markus Hintze in
einer internen E-Mail vom 10.Mai 2003 an seine SPD/PDS-AStA-Kollegen zur
Kampagne gegen unsere Gruppe:
„liebe mit-asta-referentinnen, die lage
des streitfalls zwischen uns und der antifa ag spitzt sich zu. (…) immer beeindruckendere,
in anzahl und qualität, solidaritätsbekundungen aus dem gesamten linken
hannöverschen spektrum. zuletzt auch in der linken
postille "veis beaux temps" nr 6 mai 2003 s.4.
zur erinnerung: die auseinanderetzung
mit der antifa ag hat uns schon einen referenten gekostet. und ich wage einmal die prognose aufzustellen, dass das kein einzelfall
bleiben wird, wenn wir nicht endlich den zugesagten rückhalt
(und vielleicht einmal ein wenig solidarität) erhalten.
die zukunft: der ruf des astas
dürfte sich arg verschlechtern, wenn die mails der antifa-gruppen den zugang zur öffentlichkeit finden. da gilt es gegen zu steuern.“
Resultat war u.a. die Aufforderung des Ober-Jusos im AStA, Robert Menger,
an seine AStA-Kollegin und Parteigenossin Anna Berlit,
die als Bindeglied zum antideutschen „Bündnis gegen Antisemitismus“ wirkte: „Anna:
Du solltest in einem ähnlichem Rahmen die übrig gebliebenen Bündnis-Leute
mobilisieren und ihnen die Wichtigkeit ihrer Unterstützung klarmachen.“
(den vollständigen
E-Mail-Wechsel gibt es unter: http://antifa.unihannover.tripod.com/KollegInnen_doc.html)
Die Echtheit dieser
Dokumente, die uns zugespielt wurden, wird von Menger, Hintze & Co. in
keiner Weise bestritten.
Außerdem stört es die FAU’ler, dass wir führende Vertreter des Fachschaftsrates
Sozialwissenschaften, die als Webmaster des FSR auf der Startseite die
antideutsche Hetzschrift „bahamas“ als „Link
des Monats“ bewarben und an gleicher Stelle, eine voll auf „bahamas“-Linie
liegende Erklärung veröffentlichten, warum Demonstrationen gegen den Irak-Krieg
abzulehnen seien, als Mitglieder der „bahamas-Gruppe“
bezeichneten. Soweit wir wissen werden dort keine Mitgliedsausweise ausgegeben,
also ist die politische Positionierung und das Bekenntnis zu dieser Gazette (inklusive
Werbung für sie) das entscheidende Kriterium für die Zugehörigkeit zu dieser
Szene. Das dem so ist zeigen auch die Sprüche, mit denen die Beiden seinerzeit
glänzten und die von ihnen angelegte Linkliste des FSR, die sich wie ein „Who is Who“
der antideutschen Szene liest. Mit solchen Links hat die FAU Hannover aber offenbar
keine Probleme…
11.) Last but not least wirft uns die FAU auch „die denunziatorische
Praxis“ vor „KritikerInnen (auch in www-Dokumenten) namentlich zu nennen“. Das hält sie „für
nicht tolerabel“. Um wen geht es dabei ? Zum Beispiel
um den bereits erwähnten und seit Jahren uniweit
bekannten PDS-„Führungsoffizier“ und AStA-Referenten Markus Hintze,
einen bekennenden „Militaristen“ und „Opportunisten“, der inhaltlich nicht nur
für den zügigen Aufbau eines Eurokorps als „Schnelle Eingreiftruppe“ der EU eintritt,
sondern auch um Verständnis für den türkischen Militärputsch von 1980 wirbt. Originalton:
„Man muss sich mal fragen, wo die Türkei heute wäre, wenn das Militär nicht
eingegriffen hätte!“ Ansonsten hat sich der Kamerad Hintze vor allem dadurch
hervorgetan, dass er – in enger Abstimmung mit den führenden Vertretern des
SPD-Nachwuchses – den AStA von linken, kritischen und parteiunabhängigen /
„autonomen“ Leuten und Gruppen säuberte und dabei die Dreckarbeit verrichtete.
(Eine Rolle, in der er sich gefällt.) Neben unserer Gruppe traf es das Bafög-
& Sozialberatungskollektiv, das Autonome Sportreferat und insgesamt 5 zu
linke bzw. zu kritische AStA-Referent(inn)en, die
unter seiner Federführung herausgemobbt wurden oder
deren Wahl entgegen dem basisdemokratischen Beschluss der Fachschafträte-Vollversammlung
im Studentenparlament verhindert wurde (Jens Ihnen).
Desweiteren handelt es um das PDS-HSG-Mitglied
und Aktivistin der prozionistischen „initiative antisemitismuskritik – Gesellschaft bürgerlichen Rechts
(GbR)“, Imke Jungermann (Fachschaftsrat
Geschichte), die neben ihrem Eintreten für das israelische Massaker in Jenin u.a. dadurch auffiel, dass
sie vor Beginn des Irak-Krieges mit anderen darauf wettete, wann das
Bombardement denn nun endlich losgeht. Der entsprechende „Tippschein“ wurde,
hochoffiziell mit AStA-Stempel versehen, im Buch des Geschäftszimmerdienstes
verwahrt, damit es hinterher keinen Streit über den „Gewinner“ gab. Imke Jungermann ist als Kandidatin der PDS und der sog.
Basisdemokratischen Liste allgemein bekannt. Ihr Konterfei wurde tausendfach
auf Plakaten und in verschiedenen Wahlzeitungen verbreitet.
Und es handelt sich z.B. um Annika Döring,
die vom SPD/PDS-AStA buchstäblich eingekauft wurde, um formal die durch unseren
Rausschmiss entstandene Lücke zu schließen und der Regierungsjugend zu neuer
Legitimation für ihre Politik zu verhelfen. In der FSR-VV wurde sie beim ersten
Wahlversuch abgelehnt. Nur durch die verschärfte Intervention ihres Mentors
Hintze wurde sie beim zweiten Versuch gewählt. Sie bezieht (seit Juli 2004)
monatlich gut 330 Euro für eine große Sachbearbeiterinnenstelle, ohne bisher
durch irgendeine Aktivität aufgefallen zu sein oder in irgendeiner Weise linke
Politik gefördert zu haben. In den ersten drei Monaten ihrer „Tätigkeit“ besaß
sie nicht einmal einen Computeraccount im AStA, wurde
einmal gesehen und verfügt dort erst seit kurzem überhaupt über ein Postfach. Wenn man ihr vor der Wahl verkündetes Programm kennt, muss man sich über diese Untätigkeit allerdings sogar noch freuen. Zitat aus ihrem Vorstellungspapier vom Juni 2004: „Grundsätzlich misstrauisch bin ich
jedoch auch allen anderen Gruppen oder Personen gegenüber, die starre
Kollektive konstruieren, in denen alle gleich sind und das gleiche Interesse
haben, während sie sich von anderen Kollektiven unterscheiden. Praktisch könnte das zum Beispiel Organisation von
Seminaren/Vorträgen, Zusammenarbeit mit Initiativen in diesem Bereich oder auch
Aktionen an der Uni bedeuten.“ (Das
vollständige Papier gibt es unter: http://antifa.unihannover.tripod.com/annikad.htm)
Das ist Totalitarismustheorie und
Anti-Extremismus pur. Der Verfassungsschutz würde an dieser Form von „Antifa-Arbeit“ seine helle Freude haben. Mit diesem Papier
stellte sich Annika Döring der studentischen Öffentlichkeit namentlich vor und
schilderte detailliert ihren politischen Lebenslauf, wohlwissend,
dass dieses Papier auch der RCDS und Burschenschafter in die Hände bekommen
würden, da diese in verschiedenen Fachschaftsräten (Jura etc.) mitarbeiten und
auch auf der FSR-VV anwesend sind. Dann zu behaupten, wir hätten hier jemanden
namentlich denunziert, bedeutet nichts anderes als solche Leute vor konkreter
und öffentlicher Kritik bewahren zu wollen und ihnen damit politischen
Flankenschutz zu gewähren.
Verschiedene linke Studi-Aktivisten,
die sich im AStA auskennen, haben unser Öffentlichmachen dieser Vorgänge
unabhängig voneinander ausdrücklich begrüßt. Zum einen, weil „hinter
verschlossenen Türen noch viel üblere Dinge gesagt und gemacht werden“ und
zum anderen, weil die Meisten, die davon wissen, von Hintze, Menger & Co.
so eingeschüchtert sind, dass sie sich nicht trauen, selbst damit an die
Öffentlichkeit zu gehen. Auch deshalb lehnen wir die von der FAU Hannover
geforderte omertà <Anm.2> ab. Die Solidarisierung der FAU mit den oben
genannten Personen ist jedoch konsequent. Sie sucht sich die Freunde, die zu
ihren politischen Ansichten passen!
Fazit
Die FAU Hannover ist
erkenntnistheoretisch hinter die Aufklärung zurückgefallen, in
mittelalterlichen Obskurantismus. Wo „Freie ArbeiterInnen
Union“ draufsteht, ist Zensur drin. Die FAU Ortsgruppe Hannover kann aber auch
stolz darauf sein, eine neue ideologische Kreation hervorgebracht zu haben: den
Kolonialanarchismus – eine anarchistische Utopie und Politik, die auf der
Verteidigung von Kolonialstaaten, der Verharmlosung des Imperialismus und der
wütenden Bekämpfung konkreten antiimperialistischen Widerstandes basiert. Die
Kooperative Flüchtlingssolidarität geht noch einen Schritt weiter. Unter
direktem antideutschen Einfluss stehend ist für sie
Antiimperialismus gleich neben Auschwitz und Adolf Eichmann einzuordnen. Das
wird Leuten wie dem BRD-Außenminister Joseph Fischer gefallen. Für den waren die
NATO-Truppen, die 1999 die Bombardements auf Jugoslawien besorgten, ja
bekanntlich „die neuen Internationalen Brigaden“.
KFS wie FAU Hannover haben
nichts mehr von dem, worauf die linksradikale Restszene sich offiziell noch
immer bezieht: Autonomie, Subversivität, Querdenken, freie Diskussion,
Ablehnung von Dogmen, Tabus und Zensur und stattdessen die Fähigkeit zur
radikalen Kritik der herrschenden Verhältnisse (und einer konkreten Politik,
die diese aufhebt). Sie sind in wesentlichen Punkten längst Teil des (klein)bürgerlichen
Mainstreams, der in den „Fundamentalisten“,
„Hasspredigern“, „Terroristen“ etc. sein neues Feindbild, sein neues „Moskau“
und seine neue „Ostzone“ entdeckt hat und bereit ist seine „westliche
Werteordnung“ mit allen Mitteln zu verteidigen bzw. durchzusetzen. Eine
„Werteordnung“, die man in der Linken noch immer „kapitalistische Ausbeutung“
und „imperialistische Herrschaft“ nennt und die bekanntlich mit
Naturnotwendigkeit immer neue Konkurrenz und kriegerische Auseinandersetzungen
um die Aufteilung des Weltmarktes hervorbringt. KFS und FAU Hannover sind in
Sieben-Meilen-Stiefeln auf dem Weg in die Neue Mitte. Dass dieses Abdriften in
die Neue Mitte hier überwiegend moralistische Formen annimmt, liegt zum einen
am eher subkulturellen als politischen Charakter der Szene und zum anderen an
der Wirkung der zeitgeistigen „Political Correctness“. Insofern ist es nicht mehr als die
übersteigerte, verbalradikale Variante der hegemonialen <Anm.3> Mittelschichtsethik. Es
wird nicht lange dauern bis das auch auf anderen Feldern deutlich wird.
Die Aufgaben der Linken
(noch dazu derjenigen, die sich für revolutionär hält) sehen anders aus. In
punkto Israel und Palästina so wie es Michel Warschawski
treffend zusammengefasst hat:
„Es ist natürlich auch die Pflicht der
demokratischen und linken Organisationen auf der ganzen Welt, die Verbrechen
Israels ohne jede Konzession zu verurteilen, nicht nur weil die Verteidigung
der Unterdrückten und Kolonisierten, welcher auch immer, integraler Bestandteil
ihres Programms und ihres Denkens ist, sondern auch weil nur eine klare und mit
den anderen Kämpfen, die sie führen, kohärente Position es ihnen ermöglicht,
den Kommunitarismus und Rassismus in ihrem eigenen Land zu bekämpfen. Sich von der Erpressung mit dem
Antisemitismusverdacht abschrecken zu lassen, zu schweigen, um sich nicht der
Anklage auszusetzen, man leiste ’dem Antisemitismus Vorschub’ oder sei gar ‚unbewusst
antisemitisch’, kann letztlich nur den wirklichen Antisemiten zugute kommen
oder zumindest die identitäre und kommunitaristische
Verwirrung fördern. Die wirkliche antirassistische und
antikolonialistische Linke braucht nicht erst zu beweisen, dass sie im Kampf
gegen die antisemitische Pest steht. Sie wird diesen Kampf desto wirksamer fortführen,
je klarer und unzweideutiger sie zu den
Kriegsverbrechen Israels und zu seiner Kolonisierungspolitik Stellung bezieht.“ (aus: “Sozialistische
Zeitung“, September 2002)
Hasta la victoria siempre !
(Immer bis zum Sieg !)
Antifa-AG der Uni Hannover, 9.2.2005
Anmerkung 1: Obskurantismus
ist das Bestreben, die Leute bewusst in Unwissenheit zu halten, ihr
selbständiges Denken zu verhindern und sie an Übernatürliches bzw. Mythen glauben
zu lassen.
Anmerkung 2: Omertà = italienisch für: Schweigepflicht. Besonders
bei der sizilianischen Mafia beliebt.
Anmerkung 3: Hegemonial =
eine Vormachtstellung innehabend. Zur Bedeutung insbesondere der kulturellen
Hegemonie für die Stabilisierung des kapitalistischen Systems hat Antonio Gramsci (1891-1937) Entscheidendes gesagt.