Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Nach
diversen, tendenziösen Berichten der bürgerlichen Presse und einigen Beiträgen
aus der Linken hier nun erstmals ein Interview mit der korsischen Gewerkschaft
STC, deren Aktivisten am 27.September 2005 die Fähre „Pascal Paoli“ aus Protest gegen die geplante Privatisierung der
französischen Fährgesellschaft SNCM und die damit verbundenen 400 Entlassungen
besetzten und nach Korsika steuerten bis das Schiff noch auf See von der
französischen GSG 9 (der GIGN) geentert wurde. Die linke italienische
Tageszeitung „il manifesto“ interviewte den
Generalsekretär der STC, Jacky Rossi, für die Ausgabe
vom 8.10.2005 zum Stand der Dinge und den Gründen für den fortdauernden
Streik.
KORSIKA:
„Wir wehren uns gegen die von Paris
angestrebten Privatisierungen“
Der Generalsekretär der größten
Gewerkschaft der Insel erläutert die Gründe für den Streik der Hafenarbeiter
MARCO SANTOPADRE
In Marseille, Bastia und Ajaccio sowie auf den
Schiffen der Société Nationale Corse Méditerranée gehen die
Streiks weiter. Die Gewerkschaften haben nämlich den letzten Vorschlag der
Regierung zur Privatisierung zurückgewiesen (nur 25% der Aktien sollen demnach
beim Staat verbleiben) und warten am Montag auf die Versammlung des CdA. Die 2.400 Seeleute der Fährgesellschaft setzen ihren
am 20.September begonnenen unbefristeten Streik fort, in dem es Momente hoher
Spannung gab als einige Arbeiter im Hafen von Marseille die Fähre „Pascal Paoli“ beschlagnahmten / entführten, um sie nach Korsika zu
bringen und die Armee dadurch dazu veranlassten, mit Hubschraubern und
Kriegsschiffen zu intervenieren. Der Präsident des französischen
Unternehmerverbandes MEDEF, Laurence Parisot,
forderte die öffentlichen Gewalten „feierlich“ dazu auf, die Blockade der Häfen
zu beenden. Alain Mosconi vom maritimen Sektor der
Gewerkschaft der Korsischen Arbeiter (STC), ließ allerdings wissen, dass die
Seinen sie wahrscheinlich nicht wieder besetzen werden. Angesichts der
Erbitterung der korsischen Unternehmen sagte Mosconi,
dass „der Gegner die Pariser Logik der Privatisierung und nicht das korsische
Volk ist“. Zusammen mit der, der französischen KP (PCF) nahe stehenden, CGT ist
der, den korsischen Unabhängigkeitskämpfern nahestehende
STC (der seit 2002 stärkste Gewerkschaft auf der Insel ist) der Protagonist
dieser Mobilisierung. Wir interviewten dazu den Generalsekretär, Jacky Rossi.
Was fordert Ihr?
„Dass die SNCM eine
öffentliche Gesellschaft bleibt. Der Seeverkehr muss die kollektiven Interessen
des korsischen Volkes respektieren und kann nicht als ein Teil des Marktes wie
alle anderen betrachtet werden, sondern muss von den öffentlichen Institutionen
reguliert werden, um den Anforderungen der Bevölkerung, die ihn nutzt, und der
Arbeiter gerecht zu werden. Der STC musste oftmals mit der Ächtung durch die
anderen Gewerkschaften fertig werden. Dieses Mal aber sind alle Gewerkschaften
gegen die Privatisierung und fordern die Beibehaltung des öffentlichen
Charakters der Gesellschaft. Die französischen Gewerkschaften fordern eine
staatliche öffentliche Gesellschaft. Wir fordern, dass die korsische
Regionalversammlung der Eigentümer wird. In dieser Phase des Kampfes hat das
aber keine Bedeutung.“
Der französische
Wirtschaftsminister Breton hat bekräftigt, dass die
Exekutive nicht beabsichtigt den Beschluss, die SNCM zu privatisieren, rückgängig
zu machen und schlägt nur eine Erhöhung des für die Arbeiter bestimmten Anteils
von 5% auf 9% vor. Was meint Ihr dazu?
„Es handelt sich um ein
Diktat der Europäischen Kommission, demgegenüber die französische Regierung
wenig Spielraum zu haben scheint. Unsere Forderung hat nichts Absurdes oder
Undurchführbares an sich. Es existieren bereits zwei regionale öffentliche
Schifffahrtsgesellschaften in Frankreich, z.B. in der Bretagne. Wir fordern von
unseren in die Regionalversammlung Gewählten, den Willen der korsischen
Bevölkerung in den staatlichen und den internationalen Institutionen zu
vertreten. Wenn das Urteil der lokalen Gemeinschaft nicht mit den von den
Regierungen erlassenen Maßnahmen übereinstimmt, kann dieser Gegensatz nur
dadurch gelöst werden, dass dem Volkswillen Rechnung getragen wird. Der
Europäische Rat der Wirtschafts- und Sozialminister hat behauptet, dass die
Neuordnung des Seeverkehrs ein besonderes Problem ist, das einer spezifischen
Lösung bedarf und damit uns Recht gegeben, wenn wir fordern, dass in den Schifffahrtsgesellschaften
das öffentliche Kapital überwiegt.“
Ihr wurdet beschuldigt,
antidemokratische und sogar gewalttätige Kampfmethoden anzuwenden. Einige
rechte Abgeordnete haben der Regierung gegenüber die Möglichkeit ins Spiel
gebracht, Eure Gewerkschaftsbewegung zu verbieten…
„Es handelt sich um
unakzeptable Drohungen. Wir verwenden seit jeher die klassischen Methoden des
gewerkschaftlichen Kampfes. Um die Arbeitsplätze zu verteidigen, sind wir
gezwungen, den Verkehr zu blockieren. Sicherlich gibt es negative Auswirkungen
auf die Bevölkerung und auf die Touristen. Aber die Bevölkerung Korsikas
unterstützt unsere Forderungen, auch weil eine Privatisierung der SNCM der
Wirtschaft der Insel insgesamt schaden würde. Wenn die Regierung nicht auf den
Beschluss verzichtet, die SNCM zu privatisieren, werden wir den Kampf
fortsetzen. Unsere Aktion ist eine legitime Verteidigung.“
Sie STC repräsentiert
ausschließlich die korsischen Arbeiter. Wie versöhnt man einen
nationalistischen Standpunkt mit den Forderungen, die gewerkschaftlichen und
sozialen Charakter haben?
„Welches Europa wollen wir?
Wir wehren uns gegen ein Europa der Staaten, der wirtschaftlichen und
Finanzinteressen. Wir wollen ein Europa, in dem alle Völker volle Anerkennung
genießen und in dem sich die Interessen der Arbeiter und der unteren Klassen
durchsetzen. Es gibt keinen Widerspruch zwischen einem nationalen korsischen
Standpunkt und der Verteidigung der Volksinteressen, im Gegenteil.“
Vorbemerkung und
Übersetzung:
Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover