Gewerkschaftspolitik

Antifa-AG der Uni Hannover & Gewerkschaftsforum Hannover:
Nach dem gelungenen Generalstreik zur Verteidigung des Kündigungsschutzes und der Renten am 16.April 2002 führte die unabhängige linkssozialistische italienische Tageszeitung “il manifesto” das folgende Interview mit dem stellvertretenden Generalsekretär der CGIL (des größten italienischen Gewerkschaftsbundes), Guglielmo Epifani, zur Einschätzung des Streikes und den weiteren Perspektiven.
Epifani wird im Juni die Nachfolge Sergio Cofferatis als CGIL-Generalsekretär antreten.
Das Interview erschien in “il manifesto” vom 18.4.2002.
 

“Nach dem Streik die Streichung”


Guglielmo Epifani sagt: “Millionen Werktätige haben uns ein Vertrauensmandat gegeben. Das werden wir nicht verraten.”

Loris Campetti
“Wenn es das gibt, werden wir zum Treffen mit der Regierung gehen, um das zu wiederholen, was CGIL, CISL und UIL bei allen Gelegenheiten gesagt haben und was Millionen Menschen teilen, wie sie auf den Demonstrationen und beim Generalstreik vom Dienstag bestätigt haben. Die einzige Bedingung, um wieder ein Gespräch zu beginnen ist, daß die Regierung einen Schritt zurück macht. Ohne die Streichung <der Änderungen> des Artikels 18 wird es keine Verhandlungen geben.” Am Tag nach dem größten Streik antwortet der kommende Generalsekretär der CGIL, Guglielmo Epifani, auf unsere Fragen bezüglich der Perspektiven der Bewegung und der Beziehungen zu Regierung und Confindustria.
Um die Gespräche neu zu beginnen, Streichung <der Änderungen> des Artikels 18. Ist das <nur> die Position der CGIL oder ein Festpunkt auch für CISL und UIL ?
“Auf der Grundlage der Zustimmung unter den Werktätigen und in der Gesellschaft besteht die Transparenz und Kohärenz unserer Positionen. Eine sehr breite Zustimmung und ein Vertrauensmandat, das man nicht verraten kann.”
Das Urteil über den Generalstreik ?
“Die Daten über die Arbeitsniederlegung zeigen Prozentsätze, die es seit dem 2.Weltkrieg nicht gab – in den gewerkschaftlich organisierten Betrieben ebenso wie in jenen, wo die einzige Stimme diejenige des Unternehmens ist. Auch im öffentlichen Sektor, bei den Dienstleistungen, in den Krankenhäusern, im Transportwesen und im Handel sind die Prozentzahlen sehr hoch. Und bei den Demonstrationen hat sich die Beteiligung, die es bei den vorangegangenen einheitlichen Initiativen <von CGIL, CISL und UIL> gab, <noch> verbreitert. Die Zusammensetzung der Menschenmengen, die auf die Straße gegangen sind, ist ermutigend. Die Rentner schienen weniger als üblich zu sein, auch wenn   es in Wirklichkeit mehr waren, weil sie in einem Meer von Jungen untergingen – den vielen Gesichtern der neuen Arbeitswelt und der Arbeitslosigkeit. Man hat den Willen der Leute gesehen dabei zu sein, auch bis zum Ende der Kundgebungen auf der Straße zu bleiben. <Von Demonstranten überfüllte> Straßen und Plätze, die die Übereinstimmung mit den Gründen des Generalstreikes belegen. Die Kundgebungen belegen die Rückgewinnung einer gemeinsamen Sprache. Manchmal waren die Reden von Führungsmitgliedern der CISL und der UIL sogar radikaler als unsere. Sicherlich im Einklang mit den Leuten, die auf den Straßen waren.”
Die Regierung hört jedoch nicht darauf. Nur wenige Stunden nach dem Ende der Demonstrationen kam das Vertrauensvotum in Sachen Steuerbefreiung und Beseitigung der gewerkschaftlichen Rechte in den Unternehmen, die aus der Schattenwirtschaft auftauchen. Ist das nur der Versuch die padroni bei Laune zu halten oder eine echte Kraftprobe ?
“Die Entscheidung ist wegen des Inhaltes der Dekrete, um die es geht, beunruhigend und das Timing kann den herausfordernden Charakter nur bestätigen. Ein Teil der Regierung und der Vorstand der Confindustria wollen das Niveau der sozialen Auseinandersetzung erhöhen und das Tempo beschleunigen. Verbal erklären sich sowohl der Ministerpräsident als auch der Arbeitsminister Maroni bereit, Verhandlungen mit uns zu beginnen. Es existiert allerdings ein großer Unterschied zwischen dem, was sie sagen und dem, was sie tun. Daher kann ich nicht anders als die theoretischen, freundlichen Gesten der Öffnung gegenteilig zu interpretieren.”
Kommen wir zu den internen Spaltungen innerhalb der Confindustria. Auf ihrem Kongreß in Parma hat man eine in bezug auf die Methode gespaltene Unternehmerschaft gesehen. Viele haben sich über die Verhaltensweisen von Confindustria-Präsident D’Amato, die den Ausbruch der Konfliktbereitschaft im Betrieb hervorgerufen haben, geärgert. In Wirklichkeit haben <aber> alle dasselbe Ziel: mehr Flexibilität und weniger Rechte, Liberalisierungen und Privatisierungen sowie Abbau der Regeln. Wie ist Deine Meinung ?
“Einen Teil der Unternehmen interessiert der Artikel 18 nicht, weil sie von seiner Abschaffung keine Vorteile haben würden. Daher stellen sie sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kosten (viele) und Nutzen (wenig). Dabei spalten sich die Unternehmen aufgrund der unterschiedlichen materiellen Bedingungen. Aber dieser Teil scheint nicht die Kraft und die Geschlossenheit zu haben, um nicht nur gegen die Linie von D’Amato (dies geschieht bereits) sondern <auch> gegen die von Berlusconi zu opponieren. Diese Unternehmen erheben die Stimme, aber sie sind einflußlos.”
In Parma ist die Hälfte der Anwesenden zur Kundgebung von Berlusconi gegangen, ohne die abschließende Rede von D’Amato auch nur anzuhören.
“Das war ein Unternehmerpublikum, aber auch ein politisches. Sie wollten denjenigen hören, der entscheidet und das ist Berlusconi.”
Mit welchen Mobilisierungen gedenkt Ihr auf die Erhöhung des Auseinandersetzungsniveaus zu antworten ?  Unter den politischen Oppositionskräften gibt es viele (gestern auch Rutelli), die auf die Möglichkeit verweisen zum Instrument der Referenden zu greifen, um die von den Rechten beseitigten Rechte zurückzuerobern .
“Wir müssen zuallererst mit CISL und UIL diskutieren, die Meinungen austauschen, um zu einer einheitlichen Einschätzung zu gelangen, um eine Kontinuität<slinie> festzulegen und unserem Kampf eine Perspektive zu geben. Wobei es zu bekräftigen gilt, daß es ohne die Streichung <der Änderungen> des Artikels 18 keinerlei Verhandlungstisch geben wird. Wenn die Regierung ihre Einstellung nicht ändert, ist kein Dialog möglich. Schau, die Anschuldigung, einen politischen Streik gegen die Regierung durchgeführt zu haben, ist falsch. Wir haben keine Probleme mit dieser Regierung zu diskutieren und ein Abkommen zu finden – vorausgesetzt, daß sie auf die Idee verzichten das Arbeiterstatut zu sterilisieren. Fakt ist, daß sie nicht dazu bereit ist. Die Extremisten sind sie, nicht die CGIL und nicht die <anderen> Gewerkschaftsorganisationen. Die Themen bezüglich derer der Streik ausgerufen worden ist, sind ausschließlich gewerkschaftlicher Natur. Gewiß mit einer politischen Bedeutung. Auf der Straße war die Gegnerschaft zur Regierung und ihren wirtschaftspolitischen und sozialen Beschlüssen deutlich. Aber wir hängen am Haken. Wir kämpfen für ein klares Ziel: Dafür, daß die Regierung einen Schritt zurück macht.”
Und das Referendum ?
“Ich denke, daß es verfrüht, ja sogar falsch wäre, darüber zu diskutieren. Wir sind nicht besiegt worden. Wir stehen besser da als gestern und wir haben die Kraft, um die Regierung dazu zu bringen, ihre Position zu ändern. Die Opposition macht ihre Arbeit, die wichtig und nützlich ist, aber niemand sollte vergessen, daß der Streik vom 16.April kein kurzes Aufflammen war. Der Kampf geht weiter. Die Wahrheit ist, daß die in der Regierung alles allein machen wollen und damit die Wiederaufnahme der Gespräche unmöglich machen.”
Vorbemerkung, Übersetzung und Anmerkungen in eckigen Klammern:

Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

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