Antifa-AG der Uni Hannover:
Der Staat Israel wurde lange Zeit (und wird von seinen treuesten Fans hierzulande bis heute) als „die einzige Demokratie im Mittleren Osten“
gefeiert. Dabei wird geflissentlich ignoriert, dass der Libanon bereits seit
1943 und der Zuständigkeitsbereich der Palästinensischen Autonomiebehörde
spätestens seit den letzten Parlamentswahlen ebenfalls echte bürgerliche
Demokratien sind, auch wenn die Wahlergebnisse nicht jedem gefallen. (Aber 22%
Wählerstimmen für die rechtsradikalen Parteien von Lieberman
und Netanyahu und der Wahlsieg von Sharons
Retortenpartei Kadima bei den Knessetwahlen vom März
2006 lösen ja auch nicht nur Begeisterungsstürme aus!) Genau diese beiden
benachbarten Demokratien überzieht der „Musterstaat“
Israel nun mit Bombenteppichen, schlachtet die dortige Zivilbevölkerung ab,
zerstört gezielt die zivile Infrastruktur und setzt sich – wie der israelische
Generalstabschef Dan Halutz es formulierte – das Ziel
„den Libanon um 20 bis 50 Jahre
zurückzubomben“. Da stellt sich die Frage, was unterscheidet Israel
eigentlich von den „Schurkenstaaten“,
die die US-Administration so gern geißelt. Maurizio Matteuzzi
beantwortete sie in einem Leitartikel für die linke, bewegungsorientierte,
italienische Tageszeitung „il manifesto“
vom 8.7.2006 und gelangt,
angesichts der Rezeption der Ereignisse auch in der italienischen Linken, zu
einem sehr zynischen Schluss.
Editorial:
Der Staat
Israel und die Schurkenstaaten
MAURIZIO MATTEUZZI
Wenn auf der Welt einige
nicht demokratische Schurkenstaaten existieren, die die öffentliche Abscheu auf
sich ziehen, wird man früher oder später anerkennen müssen, dass es auch einige
demokratische Schurkenstaaten gibt. Wenn sich die Dinge nicht ändern, dann tut
Israel mit seiner ganzen Demokratie für die Israelis (nicht aber für die arabischen
Israelis) alles, um ein demokratischer Schurkenstaat zu werden, der durch seine
Macht zur Konditionierung und zur Erpressung des Westens gestärkt wird, die die
ungeheure Tragödie des Holocaust ihm verleiht und die er einsetzt. Eine Konditionierung
und eine Erpressung, die man in diesen Tagen spürt, in denen er der
palästinensischen Bevölkerung in Gaza eine entsetzliche „Kollektivbestrafung“ erteilt, die von allen internationalen
Gesetzen verurteilt wird. Und die nichts mit dem Ziel zu tun hat, das Leben des
armen Soldaten Shalit zu retten. Das wahre Ziel ist
ein anderes. Es ist der klare (langfristig allerdings vielleicht
selbstmörderische) Wille, die Hamas-Regierung zu zerstören, die sicherlich
unangenehm und problematisch, aber aus regulären Wahlen hervorgegangen ist und
den palästinensischen Massen, die es (auch aufgrund der unablässigen Zersetzung
bzw. Delegitimierung von Arafat und der PLO, von Al
Fatah und der Palästinensischen Autonomiebehörde) gewagt hatten, die islamische
Bewegung zu wählen, ein weiteres Mal eine Kollektivbestrafung zu erteilen.
Früher oder später wird man
anerkennen müssen, dass das wahre Ziel der israelischen Regierungen darin
besteht, nicht nur die Fundamentalisten der Hamas, sondern jede Struktur oder Regierung
zu delegitimieren bzw. zu zersetzen, die sich die
Palästinenser seit Madrid und Oslo gegeben haben, um den Augen einer blinden
Welt zu demonstrieren, dass „es keinen
Partner gibt“, mit dem man über Frieden verhandeln kann und dass die
unilateralen Aktionen (von der Mauer bis zum Abzug aus Gaza, von Sharon bis Olmert) der einzige Ausweg sind. In Wahrheit sind es nicht
die Israelis, die keinen palästinensischen Partner haben, sondern die
Palästinenser, die in den israelischen Regierungen über keinen Partner
verfügen. Regierungen, denen es niemals in den Sinn kam, zu den Grenzen von
1967 zurückzukehren – dem einzigen Weg zu einem Frieden zu gelangen, der keine
mit neuem und endlosem „Terrorismus“
aufgebauschte Verhöhnung ist. Früher oder später wird man anerkennen müssen,
dass Israel ein demokratischer Schurkenstaat ist, der auf internationaler Ebene
mit den UNO-Resolutionen, mit dem Internationalen Gerichtshof von Aja und mit den Genfer Konventionen spielt.
Vor ein paar Tagen beendete
der israelische politische Analytiker Gideon Levy einen Artikel in <der tendenziell linksliberalen
Tageszeitung> „Ha’aretz“ mit den Worten: „Wir schießen und bombardieren. Wir
unterbrechen die Stromversorgung und zerstören. Wir belagern und entführen wie
die schlimmsten Terroristen. Und niemand bricht das Schweigen, um zu fragen,
warum in drei Teufels Namen wir das tun und mit welchem Recht.“
Das Schweigen. Die Amerikaner
als automatische Verbündete begreift man. Aber Europa? Italien? Eine
Verurteilung Israels wegen der „Verletzung
der Menschenrechte der palästinensischen Bevölkerung“ wurde im neuen
UNO-Menschenrechtsrat bei den Gegenstimmen der EU-Staaten (zu „unausgewogen“) verabschiedet. Gestern
beschuldigte die Europäische Union Israel einer „unverhältnismäßigen Gewaltanwendung“. Dieselben Worte gebrauchte Außenminister
D’Alema <von den Linksdemokraten (DS)>. Wird das die neue Linie der „equivicenza“ (gleichen Nähe)? Die
angekündigte „Diskontinuität“ mit
Berlusconi erfordert in der palästinensischen Tragödie mehr. Sie erfordert so etwas
wie die Außerkraftsetzung des 2005 beschlossenen Gesetzes über die militärische
Zusammenarbeit zwischen Israel und Italien. Es ist allerdings schwer zu
glauben, dass es in einer Regierung, in der es einen Staatssekretär gibt, der
vorschlägt, Israel in die NATO und in die Europäische Union aufzunehmen (ohne
dafür entlassen zu werden), und eine Partei <Rifondazione Comunista (PRC)>,
deren Sekretär (Franco Giordano) von „antizionistischen
Aufwallungen“ spricht, Diskontinuität oder Äquinähe
geben wird.
Zum Teufel mit den
Palästinensern! Es lebe die israelische Demokratie!
Vorbemerkung,
Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG
der Uni Hannover