„junge
Welt“ 12.3.2005
Interview:
»Spanische KP bricht
mit kämpferischen Traditionen«
Mit sozialdemokratischer Politik
kann man nur an die Sozialdemokraten verlieren. Linkes Potential nicht
ausgeschöpft. Ein Gespräch mit Juan Ramos
(* Juan Ignacio Ramos ist
Sprecher des bildungspolitischen Arbeitskreises beim Madrider Bezirksverband
der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) und Redakteur der <an Ted Grant
orientierten trotzkistischen> Zeitung „El
Militante“.)
Madrid hat am Freitag der Opfer des Bombenanschlages
gedacht, bei dem vor genau einem Jahr 192 Menschen ums Leben kamen. Wenige Tage
später, am 14. März 2004, wurde die konservative Regierung unerwartet
abgewählt. Was gab aus heutiger Sicht den Ausschlag dafür?
„Die Wahlen am 14. März
2004 brachten einen grundlegenden Umschwung. Gestützt auf massive Mobilisierung
kam die Sozialistische Partei (PSOE) nach acht Jahren wieder an die Regierung.
Dieser Sieg wäre ohne die vorherigen Bewegungen – Generalstreik 2002, massive
Proteste der Schüler und Studierenden, Massenbewegung gegen die Ölpest und vor
allem gegen den Irak-Krieg – nicht vorstellbar gewesen.
PSOE-Generalsekretär José Luis Rodriguez Zapoatero war selbst von seinem Wahlsieg überrascht, denn
direkt nach dem Attentat vertrat er eine ängstliche Linie, die sich kaum von
der der konservativen Regierung abhob. Aber die Anschläge und vor allem die
offenkundigen Lügen der Aznar-Regierung brachten die
angestaute Wut der arbeitenden Bevölkerung zum Vorschein. Am 13. März – einen
Tag vor der Wahl – kam es landesweit zu spontanen Protestdemonstrationen gegen Aznars Politik. Diese Welle spülte die PSOE an die
Regierung.“
Was hat sich unter der neuen Regierung verändert?
„Als am Wahlabend die PSOE-Anhänger den Sieg auf der Straße feierten, lautete
eine Parole: Zapatero, enttäusche uns nicht! Viele
haben die bitteren Erfahrungen mit den früheren PSOE-Regierungen
des Felipe González nicht vergessen. Zapatero hatte
den Rückzug der spanischen Truppen aus dem Irak versprochen und stand unter
massivem Druck, so daß er dies auch sofort
durchsetzte.
Zapatero hat in bestimmten Bereichen – wie
etwa bei demokratischen Grundrechten – eine andere Politik eingeschlagen. So
wurde der Einfluß der Kirche im Bildungsbereich
zurückgedrängt und der obligatorische Religionsunterricht abgeschafft. Die Ehe
zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern wurde legalisiert. Mit der Anhebung
des gesetzlichen Mindestlohns ging Zapatero einen
Konflikt mit dem Unternehmerverband ein.“
Aber eine gemäßigte sozialdemokratische Regierung wird sich kaum
auf Dauer mit dem Kapital anlegen.
„Sicher nicht. Diese
Regierung hat Truppen nach Afghanistan und Haiti entsandt und die Finanz- und
Haushaltspolitik der konservativen Vorgängerregierung mit Steuersenkungen für
Konzerne und Reiche und allgemeinen Ausgabenkürzungen fortgesetzt. Aber weil Zapatero seinen Wahlsieg der mobilisierten Arbeiterklasse
und der Jugend verdankte, zögert er mit einem Generalangriff auf die
Arbeiterklasse. Die PSOE-Regierung stützt sich im
Parlament auf die Vereinigte Linke (IU) und die katalanischen
Linksnationalisten.“
Aber einen unabhängigen baskischen Staat werden auch Zapatero und die PSOE nicht zulassen.
„Das will die baskische
Bourgeoisie auch nicht, denn sie ist Teil der herrschenden Klasse im spanischen
Staat. Baskisches Finanzkapital beherrscht Schlüsselbereiche der Wirtschaft.
Baskische Kapitalisten und ihr Ministerpräsident Juan José Ibarretxe
wollen sich demagogisch die nationalen Gefühle und Hoffnungen des baskischen
Volkes zunutze machen und vor ihren Karren spannen, um das Autonomiestatut
umzuschreiben und von der Madrider Zentralregierung mehr Geld und mehr
Kompetenzen für die Regionalregierung zu erhalten.“
Welche Rolle spielt die IU in den innenpolitischen
Auseinandersetzungen?
„Die IU steckt in einer
schweren Krise. Sie hat Stimmen und Mitglieder verloren. Es gibt links von der
PSOE viel Potential, aber mit ihrer reformistischen Politik ist die IU-Führung unfähig, das auszuschöpfen. Mit einer
sozialdemokratischen Politik kann man nur an die Sozialdemokratie verlieren. In
der Führung von KP und IU gibt es sogar Tendenzen, die sich an den deutschen
Grünen orientieren. Das ist ein Bruch mit den kämpferischen Traditionen unserer
Bewegung.“
Das Interview führte: Hans-Gerd Öfinger
Quelle:
www.jungewelt.de
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