Antifa-AG
der Uni Hannover:
Anfang Juni 2007 soll in Heiligendamm
(Mecklenburg-Vorpommern) das nächste Gipfeltreffen der G8 stattfinden. Die
Vorbereitungen für Gegenaktionen laufen seit Monaten. Geplant sind diverse
Informationsveranstaltungen, eine Großdemonstrationen und ein Protestcamp eines
Bündnisspektrums, dass von der radikalen Linken (bzw. allen, die sich dafür
halten) über attac, Teile der PDS, die WASG und die
DGB-Jugend bis hin zu kirchlichen Gruppen und Umweltschutzorganisationen reicht
(den berühmten NGO’s). Darüberhinaus
kursiert seit kurzem ein Aufruf der Antifaschistischen Linken Berlin, von Avanti (Projekt undogmatische Linke), dem Bundesvorstand
der Grünen Jugend sowie dem Anti-AKW-Netzwerk “X-tausendmal
quer” “Für massenhafte Blockaden des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm”. Es
erliegt sicherlich niemand der Illusion, dass die Gegenseite mit ihrem Heer von
“Ordnungshütern” dabei den
tatenlosen Zuschauer spielen wird. Ergo
ist interessant, welche Szenarien bei Protesten gegen andere Gipfeltreffen
dieser Art gesammelt wurden und werden (z.B. Seattle, Prag, Genua, Evian, St.Petersburg...).
Der neueste Event in diesem Bereich sind die einwöchigen
Jahreskonferenzen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB) in Singapur. Über die
dort angewandte Polizeitaktik berichtet die “Frankfurter Allgemeine
Zeitung” (www.faz.net) am 6.9.2006
in einem Artikel ihres Wirtschaftsteils. Nun wollen wir nicht behaupten, dass die
dortigen Erfahrungen Eins zu Eins auf Deutschland übertragbar sind, da
hierzulande höchstwahrscheinlich keine “burmesischen Söldner” zum
Einsatz kommen und – anders als in Singapur – das Wegwerfen eines Taschentuchs
auf der Straße oder das Ausspucken eines Kaugummis auf den Gehsteig noch nicht
als schweres Vergehen verfolgt wird. Wer
es in Singapur wagt, Zigaretten oder Bonbonpapier auf die Straße zu werfen,
zahlt 1.000 Singapur-Dollar (500 Euro) Strafe. Cola-Dosen und Tempotaschentücher,
die nicht in der Tonne landen, kosten das Doppelte. In der U-Bahn ist es – bei
Strafe – verboten zu essen oder zu trinken. („Stern“ 23.1.2006)
Dennoch denken die Herrschenden in der Regel leider etwas
globaler als die Linke und die Anti- bzw. Alternativglobalisierungsbewegung und
versuchen auch aus Entwicklungen beim Thema “Law
and Order” und beim “Gipfel-Hopping” in
anderen Erdteilen zu lernen. Wer das nicht glauben mag, der sei nur daran
erinnert, dass die “Null Toleranz”-Strategie lange vor Europa in den USA ausgearbeitet
und angewandt wurde. Wobei sich der diesbezüglich berüchtigte New Yorker
Bürgermeister Rudolph Giuliani das Eine oder Andere
bei eben jener Metropole Singapur abgeschaut haben dürfte, die dieses Vorgehen
nämlich schon sehr viel länger praktiziert...
Keine Chance für Demonstranten
Singapur geht während der IWF-Tagung
“rigoros, aber fair” vor
che.
SINGAPUR, 5.September. Brennende Polizeiwagen, Barrikaden, Steinewerfer – diese
Bilder soll die Welt auf keinen Fall sehen, wenn der Internationale Währungsfonds
(IWF) und die Weltbank in der kommenden Woche ihre Jahreskonferenzen in
Singapur abhalten. 16.000 Delegierte, Banker und Berichterstatter erwartet die
Tropenmetropole. Dafür baut sie einen Sicherheitsapparat auf, den es bislang
bei keiner Konferenz gegeben hat. Der Versuch der Weltbank, friedliche
Demonstrationen während der Tagung in Singapur zuzulassen, ist gescheitert. „Wir haben unsere Vorstellungen, Singapur
hat seine Gesetze“, sagt Peter Stevens, der Repräsentant der Weltbank in
Singapur.
Willkommen
sind im Zwergstaat all die, die über die Zukunft der Weltfinanzen diskutieren
wollen. Wer protestieren oder gar die Tagungen verhindern will, wird mit sehr
harter Hand angefasst werden. Wenn er denn die Insel am Äquator überhaupt
betreten darf. „Unser Ziel ist es, im
Vorfeld diejenigen auszusortieren, die unlautere Interessen haben“, heißt
es bei der Polizei. Dazu dient in erster Linie die „not-.toland-notice“. Diese staatliche
Anordnung sieht vor, dass Verdächtigen der Einlass an den Grenzstellen
untersagt wird. Jeder, der den Zöllnern suspekt scheint, fliegt mit der nächste
Maschine zurück ins Herkunftsland. Spezielle Auffanglager seien geschaffen
worden, in die auch etwaige Demonstranten gebracht werden sollen.
Singapur
wendet auch während der Tagungswoche das geltende Recht an. Dies sieht vor,
dass nicht zu Reizthemen wie etwa Religion oder Rasse demonstriert werden darf.
Demonstrationen unter freiem Himmel müssen genehmigt werden. Vom IWF
zugelassene Bürgerbewegungen dürfen in einem abgetrennten Teil des
Veranstaltungszentrums protestieren.
Ausländer
dürfen in geschlossenen Räumen demonstrieren, aber nur nach polizeilicher
Genehmigung, die auf der Internetseite der Polizei beantragt werden kann. „Wir werden nicht dulden, dass sich Gruppen
von Menschen bilden und diese Gruppen immer weiter wachsen. Wir sind darauf
vorbereitet, mit Protestlern entschieden, rigoros, aber fair umzugehen“,
sagt Aubeck Kam, Leiter der Einsatzkräfte.
Hysterisch
reagierte der Stadtstaat im vergangenen Sommer: Dutzende schwer bewaffneter
Schutzpolizisten wurden entsandt, um vier Menschen zum Gehen zu bewegen. Sie
standen still vor einem Regierungsgebäude, trugen aber Hemden, auf denen sie
mehr Transparenz von den Institutionen forderten.
Um das
Singapurer Recht in der IWF-Woche durchzusetzen, hat der Stadtstaat 2.900
Polizisten, burmesische Söldner und reguläre Soldaten trainiert. Da ihnen
jegliche Erfahrung mit gewalttätigen Demonstranten fehlt, sind ihre Offiziere
in den vergangenen Monaten zu Brennpunkten der Protestbewegung gereist – etwa zur
Tagung der Welthandelskonferenz nach Hongkong. Dort lernten die Singapurer,
dass die polizeilichen Absperrgitter von den Demonstranten zerlegt und als
Waffen missbraucht wurden. Also konstruierte Singapur eigene, zweieinhalb Meter
hohe Gitterzäune, die so schwer sind, dass sie nicht bewegt werden können. Die
Konsequenz der Härte Singapurs könnte eine Globalisierung der Proteste werden:
Mehrere Bürgerinitiativen planen, statt in Singapur auf der ihm vorgelagerten Insel Batam zu
demonstrieren. Sie ist 45 Minuten mit der Fähre entfernt und gehört zu
Indonesien.
Vorbemerkung
und Kursivsetzungen: Antifa-AG der Uni
Hannover