Antifa-AG
der Uni Hannover:
Nachdem
der Partito della
Rifondazione Comunista
(Partei der Kommunistischen Neu/be/gründung – PRC) dank zahlreicher taktischer
Verrenkungen und einer rigorosen politischen Abmagerungskur nach den von der
italienischen Mitte-Links-Union Anfang April 2006 knapp gewonnenen Wahlen zu
einer der Regierungsparteien der G8-Macht aufgestiegen ist, lautet die zentrale
Losung ganz offenkundig: „Dabei sein ist alles!“ Diesem olympischen
Motto entsprechend beteiligt sich die Führung von Rifondazione
Comunista an allem, was sie vor gar nicht so langer
Zeit noch aus gutem Grund abgelehnt hat: Vom heftigen Gerangel um die
Pöstchenvergabe in Staat und Regierung (bevor irgendwelche Inhalte geklärt
waren!) über die mit allen Mitteln (insbesondere gegen linke Abweichler aus dem
PRC) durchgepeitschte Fortsetzung des Kriegseinsatzes in Afghanistan bis hin
zur 600 Millionen Euro teuren neuen UN-Militärmission im Libanon. Wenig ist
geblieben von der „bewegungslinken“, „linksradikalen“, „revolutionären“,
„kommunistischen“ Vorzeigepartei vieler Antiglobalisierer
und „undogmatischer Linker“ in ganz Europa. Und selbstverständlich
findet bei den Militäreinsätzen in Afghanistan und im Libanon auch das –
ansonsten gegen jede etwas konsequentere Protestaktion ins Feld geführte –
unbedingte „Gewaltfreiheits“-Dogma keine Anwendung.
Der
neue Regierungschef und ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi äußerte sich in einem Interview für die „Die
Zeit“ vom 8.6.2006 zwar etwas respektlos aber sehr treffend zum
Phänomen Rifondazione und der anderen „kommunistischen“
Partei (dem PdCI) in seiner Koalition: „Wir sind Italiener, aber bei Euch erschien mir das ganze
Procedere sehr viel angestrengter. Wir haben nur mehr Folklore: die Rifondazione Comunista, die Comunisti Italiani. Aber
verglichen mit Lafontaine, ist das eher harmlos.“ Und für den Fall, dass die Parteiführungen von PRC und PdCI doch mal über die Stränge schlagen sollten, schob er
nach: „Alle haben mein Reformprogramm unterschrieben. Alle und in allen
Punkten – mit Ausnahme der nichtehelichen Lebensgemeinschaften und der
Förderung der Privatschulen. Ob man es nun glaubt oder nicht – wir werden
Politik auf der Grundlage dieses Programms machen. Die Lage ist doch jedem
klar: Bin ich weg, ist die Regierung weg; ist die Regierung weg, bleiben wir die
nächsten 60 Jahre in der Opposition.“
Zum speziellen Fall des UN-„Schutztruppen“-Einsatzes im Libanon (bei dem nur
noch nicht geklärt ist, ob es sich um einen „robusteren“ oder weniger „robusten“
Kolonialtruppeneinsatz handeln wird) bemerkte die „Neue Zürcher Zeitung“
vom 15.8.2006 süffisant: „Durch sein zügiges Verhalten wollte Prodi der Opposition keine Gelegenheit zu Polemiken geben
und die Abweichler am linken Flügel der Regierungspartei auf Kurs bringen. Das
Zweite scheint ihm dank mehrfachen Hinweisen,
es handele sich um eine Friedensmission, zunächst gelungen zu sein. (…) Während
sich die gemäßigte Linke der UNO geradezu in die Arme wirft und die Gelegenheit
wahrnimmt, auf diesem Parkett für einmal Deutschland auszustechen, bleibt die
Rechte reserviert.“
Wie heißt es so schön? „Bei solch einer Linken braucht man
keine Rechte mehr!“ Oder vielleicht doch: Als künftiges ‚mäßigendes
Element’, um die übereifrigen Stahlhelm-Humanisten immer mal wieder auf den
Boden der Tatsachen, d.h. einer realistischen bürgerlichen Politik,
zurückzuholen. Wir werden sehen… Welchen Abgesang Rifondazione
Comunista (d.h. neben der PDS, dem PCF und der
spanischen Izquierda Unida
die wichtigste Stütze der reformistischen Europäischen Linkspartei) derweil hinter sich bringt und wie sehr es die Grundsätze
des europäischen Imperialismus (wie den „Multilateralismus“
und die Sorge um die „Sicherheit“ des Kolonialstaates Israel)
übernimmt und vertritt, zeigt der folgende Beitrag ihres Fraktionsvorsitzenden
im italienischen Senat Giovanni Russo Spena in der parteieigenen Tageszeitung „Liberazione“ vom 19.8.2006.
Der 60jährige Spena war einer der führenden
Linksradikalen der 70er und 80er Jahre und Kopf der 1991 in Rifondazione
aufgegangenen Democrazia Proletaria (DP), dem
Sammelbecken der marxistischen radikalen Linken. Bei Wahlen bekam DP landesweit
regelmäßig um die 1,5% und stellte jeweils 6-8 Abgeordnete..
Die UNO-Mission im Libanon – eine
Mission, die der PRC aus tiefster Überzeugung unterstützt
Giovanni Russo Spena
Mit der Regierungssitzung
und mit dem Votum des Außenpolitischen und Verteidigungsausschusses des
Parlaments für den italienischen Einsatz im Rahmen der UNO-Mission im Libanon
wurde gestern eine Seite geschrieben, die in der italienischen Politik von
großer Bedeutung ist und deren Bedeutung durch die zynische Taktiererei der
Rechten nicht in den Schatten gestellt werden kann.
Bei einer derartigen
Gelegenheit muss zuallererst einmal an Angelo Frammartino
erinnert werden, unseren Genossen, der <Anm.1> getötet
wurde, während er friedlich für dieselben Werte kämpfte, die die Außenpolitik
der italienischen Regierung in diesen letzten, dramatischen Wochen inspiriert
haben. Und zusammen mit ihm ist es richtig an <den
Schriftstellersohn und israelischen Soldaten> Uri Grossman zu erinnern, der am letzten
Kriegstag gefallen ist sowie an alle anderen Opfer des Konfliktes, dem die
UNO-Resolution 1701 ein Ende setzte.
Opfer (in Beirut wie in Tyrus und in Haifa) des Verfalls, der von der finsteren
Theorie des „Clashs der Kulturen“
hervorgerufen wird.
Mit der Resolution, die die
Bomben und Raketen im Libanon und in Israel zum Schweigen brachte, spielen die
Vereinten Nationen zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder ihre spezifische und
unersetzliche Rolle. Das ist das Zeichen einer Wende von vielleicht
historischer Tragweite. Das Ende des Unilateralismus,
der – von der Bush-Administration theoretisiert und auch von der italienischen
Mitte-Rechts-Regierung unermüdlich unterstützt – die letzten Jahre beherrschte.
Vom Irak über Afghanistan
bis zum Mittleren Osten hat diese blutige Praxis auf tragische Weise ihr
Scheitern demonstriert. Die Blauhelm-Mission im Libanon geht von vollständig
anderen Voraussetzungen aus und reagiert auf eine entgegen gesetzte
Logik. Die stattfindende stürmische Debatte über die „Regeln des Engagements“ nimmt das Neue nicht zur Kenntnis, das die
Libanon-Mission verglichen mit den vorangegangenen „humanitären“ oder „präventiven“
Kriegen darstellt. Hier geht es nämlich nicht darum festzusetzen, wann man schießen
darf und auf wen, sondern im Gegenteil darum den Waffen die Vorherrschaft zu
entziehen und sie durch die Politik zu ersetzen. Das ist es, worum es der UNO
geht und das ist es auch, worum es der italienischen Regierung geht.
Noch vor dem Einsatz von
Panzern müssen die Vereinten Nationen in der Lage sein, mit ihrem Ansehen „einzugreifen
/ sich dazwischen zu stellen“ (interporre). Wer
meint eine derartige Behauptung sei naiv und das Ergebnis eines Traums
gutmütiger Seelen, zeigt, dass er nicht in der Lage war irgendeine Lehre aus
den Erfahrungen der Geschichte zu ziehen und vielleicht auch, dass er den
Mittleren Osten nicht kennt. Naiv war – im besten Falle – allenfalls die
Hoffnung die Konflikte mit Waffengewalt lösen und die „Demokratie“
geradewegs „exportieren“ zu können. Der Irak zeigt das. Afghanistan
zeigt das. Die Sackgasse, in die die Besetzung Palästinas den Staat Israel
geführt hat, zeigt das.
Aber gerade wer den
Mittleren Osten kennt, der weiß wie häufig eine Art „Dominoeffekt“ in jener Region ist. Der nimmt auf den ersten Blick
die Chancen wahr, die die Rückkehr der Vereinten Nationen und des Multilateralismus auf die Bühne auch für die Lösung des
israelisch-palästinensischen Konfliktes eröffnet, der seit Jahrzehnten alle
Spannungen, Kriege und Tragödien der Region nährt. Es ist sicherlich kein
zufälliges Zusammentreffen, wenn die Initiative Abu Mazens
in Palästina unmittelbar nach der Resolution 1701 und der Feuereinstellung im
Libanon einen ersten Spalt für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses
geöffnet hat.
Diejenigen, die die
italienische Regierung beschuldigen den gerechten Sicherheitserfordernissen
Israels keine angemessene Bedeutung beizumessen, könnten nicht mehr weit von
der Wahrheit entfernt sein. Diese Sicherheit kann jedoch nur durch einen
wirklichen Frieden im Mittleren Osten garantiert werden, durch die Gründung des
Staates Palästina an der Seite des Staates Israel und durch die
Wiederherstellung der Autorität und der Souveränität der legitimen Regierung im
Libanon. Deshalb kann die UNO-Mission
auch eine fundamentale Passage für den Frieden zwischen Israel und Palästina
und in der gesamten Region sein.
Das alles bedeutet durchaus
nicht die Risiken zu verhehlen, die diese Mission mit sich bringt. Die
Regierung hat sich verpflichtet das Parlament ständig über die Entwicklung der
Lage zu informieren. Es wird die Aufgabe der parlamentarischen Kräfte der
Linken sein und vor allem des PRC über mögliche Entstellungen einer Mission zu
wachen, die als Friedensmission entstanden ist und eine solche bis zur letzten
Sekunde bleiben muss. Nichts kann jedoch die unvermeidlichen zahlreichen
Bedrohungen in jener Ecke des Planeten noch die Gefahr eines politischen
Scheiterns beseitigen, dessen Konsequenzen äußerst schwerwiegend wären.
Das volle Bewusstsein der
Risiken kann Italien, wie Außenminister D’Alema <von
der größten PCI-Nachfolgepartei, den Linksdemokraten
(DS)> gestern zu Recht geäußert hat, nicht
von der Entscheidung abbringen, sich aktiv an einer Mission zu beteiligen, die
– zum ersten mal seit vielen Jahren – wieder eine konkrete Hoffnung ans
Tageslicht bringt. Und deshalb unterstützt der PRC diese aus tiefster
Überzeugung.
Anmerkung 1:
Der 24 Jahre alte Angelo Frammartino
(ein Mitglied von Rifondazione) wurde am 10.August
2006 während einer Solidaritätsmission der linken Kulturdachorganisation ARCI
sowie des Gewerkschaftsbundes CGIL in einer noch nicht ganz geklärten Situation
in Jerusalem durch Messerstiche eines Palästinensers getötet. Angeblich war der
Palästinenser Mitglied des Islamischen Dschihad und
wollte aus Vergeltung für das Massaker der israelischen Armee im Gaza-Streifen
sowie die zahlreichen Razzien und Verschleppungen im Westjordanland einen oder
mehrere Israelis töten. Frammartino sei dann Opfer
einer tragischen Verwechselung geworden. Nach anderer Darstellung sei dem
tödlichen Messerstich ein Streit zwischen Opfer und Täter vorausgegangen.
Vorbemerkung, Übersetzung, Anmerkung und
Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG
der Uni Hannover