Antifa-AG
der Uni Hannover:
Wie steht die Hisbollah zur Entsendung weiterer UNO-Truppen (die
zumeist aus EU-Staaten stammen) in den Libanon und macht sie Unterschiede
zwischen den einzelnen „Truppenstellern“? Das wollte die linke
italienische Tageszeitung „il manifesto“
wissen und befragte das Politbüro-Mitglied der Hisbollah, Haj
Hassan Hudrush. Das Interview erschien am 29.8.2006.
Interview:
„Italy welcome
in Lebanon“
Interview mit Haj
Hassan Hudrush vom Politbüro der Hisbollah, der die
UNIFIL-Truppen willkommen heißt, insbesondere die italienischen. „Mit denen
es keine Probleme geben wird.“ Es sei denn…
STEFANO CHIARINI – Beirut
„Wir dachten mit Sicherheit
nicht, dass Israel auf die Gefangennahme der beiden Soldaten in dieser Weise
reagieren würde – wie unser Generalsekretär Hassan Nasrallah gestern morgen im New
TV sagte – weil es unser Ziel war, Druck auf Israel <sic!> auszuüben, damit es die libanesischen Gefangenen in
seinen Gefängnissen freilässt. Wenn wir davon ausgegangen wären, hätten wir es
nicht gemacht, auch wenn eine Reihe von Untersuchungen von uns und von den
libanesischen Behörden ergaben, dass Israel bereits seine Leute im Libanon
aktiviert hatte und bereit war uns zwischen Ende September und Anfang Oktober
anzugreifen. Das Ausmaß dieser Zerstörungen kann jedenfalls nur denjenigen
wundern, der vergessen hat, was Israel <sic!> 1982 getan
hat und was es jeden Tag in Palästina praktiziert. Im Laufe der
Zeit wurde die Brutalität der Bombardements direkt proportional zu seinen
mangelnden Erfolgen am Boden. Sie dachten, dass das Verhältnis zwischen dem
Volk und der Hisbollah auf diese Weise Risse bekommen hätte. Es trat jedoch genau
das Gegenteil ein.“
Haj Hassan Hudrush, Mitglied
des Politbüros der Hisbollah-Bewegung, der der palästinensischen Sache seit
jeher nahe steht (in ganz jungen Jahren nahm er an der hartnäckigen
Verteidigung des Lagers Tel-al-Zaatar teil, wo er
geboren wurde), war in den letzten Tagen im Stadtteil Haret
Hreik unterwegs, der zum Großteil unter Trümmern
begraben ist, um die Verteilung der Hilfen und die ersten Schritte zum
Wiederaufbau zu leiten. Er empfängt uns unter einer großen Zeltplane und
verhehlt nicht seine Zufriedenheit darüber, dass es dem libanesischen
Widerstand gelungen ist, den israelischen Vormarsch 33 Tage lang aufzuhalten,
womit er der Diplomatie und der Politik neuen Atem verliehen hat und es ihm,
indem er dies tat, nicht nur gelang zu überleben, sondern auch eine zentrale
Rolle im politischen Leben des Landes und auf internationaler Ebene
einzunehmen.
Wie beurteilen Sie die
UN-Resolution 1701 und die Entscheidung die multinationalen Truppen in den
Südlibanon zu entsenden?
„Die Regierung in Beirut,
der wir mit zwei Ministern angehören, hat ihre Entschlossenheit zum Ausdruck
gebracht, mit der UNIFIL-Mission, die die Aufgabe hat der libanesischen Armee
zu helfen im Süden Stellung zu beziehen und die Grenze zwischen dem Libanon und
Palästina zu überwachen, zusammenzuarbeiten. Ein Problem stellen allenfalls die
ständigen israelischen Verletzungen der Waffenruhe und der (von den USA
unterstützte) Versuch Tel Avivs dar das zu erreichen, was es nicht gibt, wie
die Entwaffnung der Hisbollah und die Stationierung der UNO-Truppen an der Grenze
zu Syrien. Israel <sic!> setzt seine Angriffe, die Luft- und Seeblockade fort
und hat sich noch nicht aus den besetzten <libanesischen>
Gebieten zurückgezogen. In jedem Fall haben wir nicht darauf geantwortet und haben
auch nicht die Absicht irgendeine von seinen Provokationen zu beantworten und
werden alles tun, uns jeder Aktion zu enthalten, die die libanesische Armee in
Schwierigkeiten bringen kann.“
Könnte dieser Druck die
UNIFIL dazu veranlassen die Auseinandersetzung mit der Hisbollah zu suchen?
„Die Resolution 1701 beschränkt
sich darauf der libanesischen Armee und den internationalen Truppen den Auftrag
zu erteilen, einen Beitrag zur Verhinderung der Wiederaufnahme militärischer
Aktivitäten im Südlibanon und zur Vorbeugung eines neuen Grenzkrieges zu leisten.
Dieser Paragraph bereitet uns keine Sorgen, weil es, wenn die Aggression
beendet und der israelische Rückzug abgeschlossen ist, keine öffentlichen
militärischen Aktivitäten mehr geben wird. Wenn es keine Besatzung gibt, wird
es auch keinen Widerstand geben. Selbstverständlich werden wir südlich des Litani-Flusses bleiben, aber wir werden unsere Waffen nicht
zeigen. Die Kämpfer der Hisbollah stammen aus dem Südlibanon und sind niemand
anderes als die Jugendlichen, auf die die UNIFIL-Truppen treffen werden – nicht
bewaffnet, aber bei der Arbeit in den Lagern oder die sie grüßen, wenn sie in
der Bar sitzen und einen Kaffee trinken. In diesen Tagen finden die
Beerdigungen der Gefallenen in den Dörfern im Süden statt und dort könnt Ihr
sehen, dass es wirklich ein bewaffnetes Volk war, das den Libanon verteidigt
hat und keine Armee oder Miliz. Und wenn sie mit so großer Entschlossenheit
gekämpft haben, dann deshalb, weil sie ihre Häuser verteidigten. Leider ist
gerade dies der Grund, weshalb die USA Israel 33 Tage absoluter Straffreiheit
gewährt haben. Sie können es nicht tolerieren, dass normale Leute zu den Waffen
greifen, um ihren eigenen Boden und ihre Freiheit zu verteidigen – im Libanon
genau wie in Palästina oder im Irak – und dass es ihnen obendrein gelingt, eine
Armee wie die israelische aufzuhalten. Mit dem Angriff auf den Libanon haben
sie versucht die Idee zu zerstören, dass sich das Volk organisieren, Widerstand
leisten und das erreichen kann, was ihnen Dutzende von UNO-Resolutionen und Peace-Keeping-Operationen sowie jahrzehntelange
Verhandlungen nie geben konnten.“
Welche Zukunft erwartet
die von Israel besetzten Shebaa-Höfe?
„Das Problem bleibt noch
unbeantwortet. In der Resolution gibt es einen Paragraphen, in dem auf eine
mögliche internationale Lösung angespielt wird und wir werden abwarten, was
dabei herauskommt. In jedem Fall bleibt ihre Befreiung eines unserer Ziele.“
Der Widerstand wird also
weitergehen…
„Mit Sicherheit. Es wird
keine Entwaffnung geben solange Israel nicht alle besetzten libanesischen
Gebiete verlässt (sowohl die im letzten Krieg besetzten als auch die Shebaa-Höfe), solange es nötig ist den Libanon gegen die
israelischen Aggressionen zu verteidigen und solange die in den israelischen
Gefängnissen sitzenden Gefangenen nicht freigelassen werden. Widerstand zu
leisten ist nicht so sehr eine Entscheidung, die man trifft, als vielmehr eine
Notwendigkeit und darüber sind sich alle Libanesen einig.“
Fürchtet Ihr nicht, dass
es zu Problemen mit den UNO-Truppen kommen kann, auch mit den italienischen?
„Die Umsetzung der
Resolution ist Aufgabe der libanesischen Regierung und der libanesischen Armee
und von niemand anderem. Die UNIFIL-Mission hat nicht die Aufgabe den
Widerstand zu entwaffnen und wenn sich die Truppen an das Mandat halten, dass
sie bekommen haben, wird es keine Probleme geben. Wir werden sie nach ihrem
Verhalten beurteilen. Vorläufig begrüßen wir die Ankunft der UNO-Truppen und
schätzen die Rolle Italiens während des Konfliktes sehr positiv ein. Es ist
unsere Absicht diese guten Beziehungen zum italienischen Volk und zur
italienischen Regierung aufrecht zu erhalten, weil sie gezeigt haben, dass sie
unsere Situation verstehen. Vielleicht, weil auch Ihr gegen die ausländische
Besatzung bewaffnet Widerstand geleistet habt.“
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Die Mittagspause ist
beendet. Die riesigen Bulldozer setzen sich wieder in Bewegung und Haj Hassan Hudrush verschwindet,
nachdem er uns mit einem herzlichen und ironischen „Italy,
welcome in Lebanon !“ grüßte, mit seinen Männern in einer Staubwolke.
Vorbemerkung, Übersetzung und
Einfügungen in eckigen Klammern:
Antifa-AG
der Uni Hannover