(aus: „Unsere Zeit“ 3.9.2004) So nicht mit uns!
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Jann Döpke
ist Vertrauensmann im VW-Werk Braunschweig und Mitglied der
Delegiertenversammlung der IG Metall Braunschweig. UZ: Ihr steht bei VW vor einer schwierigen Tarifrunde. Der
VW-Personalchef Peter Hartz fordert von der
Belegschaft nicht nur eine Nullrunde, sondern ein "Sparprogramm"
voller Grausamkeiten. Wie sind die ersten Reaktionen der Belegschaft? Jann Döpke: Die Belegschaft
reagierte zu einem Teil mit Entsetzen, ein anderer Teil hatte es erwartet.
Denn wir haben ja die Geschichten erlebt mit Daimler-Chrysler und Siemens, wo
es einerseits, wie bei Daimler, um 2,8 Prozent Lohnverlust ging und
andererseits bei Siemens zu einer unbezahlten Arbeitszeitverlängerung gekommen
ist. Das, was bei VW mit 5 000 x 5 000 vor Jahren begann,
setzt sich jetzt im Grunde genommen fort in den Forderungen des
Arbeitsdirektors Herrn Hartz. Also ganz klar und
eindeutig Profitmaximierung, ihm kommt die Rolle als Handlanger des Kapitals
zu. Und dazu sagen viele Kolleginnen und Kollegen "Mein lieber Freund,
so nicht mit uns". Natürlich gibt es da auch Ängste um die
Arbeitsplätze. In Bezug auf die Löhne und Arbeitszeiten ist einigen
Kolleginnen und Kollegen noch nicht ganz bewusst was da auf uns zugerollt
kommt. UZ: Der VW-Vorstand will künftig die Belegschaft stärker am
Erfolg und Misserfolg des Unternehmens beteiligen. Also eine gut arbeitende
Belegschaft wird ein gut bezahlte Belegschaft sein? Jann Döpke: Also erst mal, wir arbeiten jetzt auch gut.
Es ist eine hochmotivierte Belegschaft, die immer
wieder gezeigt hat, dass sie dem Konzern jedes Jahr Gewinne erarbeitet in
mehrfacher Millionenhöhe. Im letzten Jahr hat es zwar einen leichten Einbruch
gegeben, aber VW stagniert auf einem unheimlich hohen Niveau. 1993 konnten
wir 30 000 Arbeitsplätze sichern, da ging es dem Unternehmen nicht
so gut. Heute sind die Kassen relativ voll. Wir haben in der
Tarifrunde 1993/94 Lohnverluste bis zu 18 Prozent hin genommen, das war eine Milliarde Euro jedes Jahr. Da
stellen die Kollegen die Frage, wo ist das Geld geblieben? Und jetzt fordern
sie von uns erneut Lohnverzicht. Warum sollen wir für die Fehler und
Versäumnisse des Management zahlen? UZ: Welche Forderungen werden von Seiten der IG Metall
und der Belegschaft aufgestellt? Jann Döpke: Die IG Metall fordert die Erhöhung der
Monatsentgelte und Gehälter um 4 Prozent, ab 1. Oktober 2004
für 12 Monate. Des Weiteren geht es um Gesprächsangebote der
IG Metall zu folgenden Themen: Nachhaltige Arbeitsplatzgarantie für
mindestens 103 000 Arbeits- und Ausbildungsplätze bei VW. Eine
gemeinsame Eingruppierungsbestimmung für Arbeiter und Angestellte, also die
Vollendung des Entgeltrahmentarifvertrages ERA, sowie tarifpolitische
Gestaltung des demographischen Wandels, der Arbeits- und Leistungsbedingungen
und das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsleben, Verlängerung des
Bonussystems gemäß des Manteltarifvertrages, also Weihnachts- und Urlaubsgeld
und die jährlich zu verhandelnde Gewinnbeteiligung. Die Kolleginnen und Kollegen verlangen eine Sicherung ihres
Arbeitsplatzes. Darum fordern wir eine Arbeitsplatzgarantie für die
Beschäftigten. Hartz möchte nur eine
Beschäftigungssicherung, d. h. bei jeder Fluktuation gehen Kollegen raus
und wenn überhaupt welche wieder eingestellt werden, dann zu neuen
Konditionen. Also weniger Lohn und mehr Arbeit. Wir fordern
Arbeitsplatzgarantie zum VW-Haustarif, das ist der gravierende Unterschied. UZ: Der IG-Metall-Verhandlungsführer und
IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine hat gesagt, dass bei den Vorschlägen
des VW-Vorstands der Konflikt zwischen IG Metall und Volkswagen
programmiert ist. Wie ist die Belegschaft auf diese Auseinandersetzung
vorbereitet? Jann Döpke: Ich habe in meinen 18 Jahren VW einige
Warnstreiks mitgemacht, aber es ist nicht unbedingt eine kampferprobte
Belegschaft. Natürlich muss man sehen, wann und wofür man die Kollegen zum
Streik aufruft. Es geht um den Haustarif, es geht um eine Lohnerhöhung, es
geht um die Verhinderung der Arbeitszeitverlängerung und des Co-Investment,
d. h. wir sollen mittlerweile Arbeitsplätze, die das Unternehmen
schaffen will, selber bezahlen. Es geht um unser Urlaubs- und Weihnachtsgeld
und es geht um die Übernahme und Einstellung der Auszubildenden nach ihrem
Abschluss. Das Arbeitszeitkonto soll von 200 auf 400 Stunden aufgestockt
werden, d. h. u. a. Wegfall von Mehrarbeits-, Feiertags- und
Nachtzuschlägen. VW fährt im Moment die gesamte Palette der Kürzungen auf.
Ich denke schon, dass wir mit weiteren Informationen in der Belegschaft das
Bewusstsein weiter entwickeln und eine Kampfkraft aufbauen müssen. Es wird
und muss daher zu gemeinsam abgestimmten Aktionen in allen Werken mit einer
gemeinsamen Zielsetzung kommen, wenn wir unsere Forderungen durchsetzen
wollen. UZ: Welche Auswirkungen haben die ausgehandelten
"Kompromisse" und Dammbrüche bei DaimlerChrysler
und Siemens auf eure Tarifverhandlungen? Jann Döpke: Das übt auf uns natürlich einen immensen
Druck aus. Doch klar ist doch, durch die Arbeitszeitverlängerung wird kein
einziger Arbeitsplatz geschaffen. Arbeitszeitverlängerung bei der VW AG
von jetzt 30 Stunden auf 35 Stunden würde einen Verlust von
20 000 Arbeitsplätzen bedeuten. Es bringt einzig und allein dem
Unternehmen mehr Profit, denn Arbeitszeitverlängerung bei gleichem Lohn ist
doch Lohnkürzung. Es geht VW nur darum, wie wir das in unserer
Betriebszeitung, dem Roten Käfer, geschrieben haben: Olympisches Motto des
internationalen Profitkomitees, mehr, schneller und billiger produzieren und
die Beschäftigten härter und länger arbeiten lassen. Aber wer kauft dann die
vielen Produkte? Daher gibt es einen Unterschied zwischen dem was die
Tarifkommission gesagt hat und was der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus
Volkert vor Beginn der Tarifrunde sagte. Er meinte, eine Beschäftigungssicherung
wäre für ihn das A und O, also Jobs oder Mäuse. Die Tarifkommission hat
einstimmig festgelegt: Es geht um Jobs und Mäuse. UZ: Die DKP und die Marx-Engels-Stiftung veranstalten am 11. September
in Frankfurt eine Konferenz zu dem Thema "Kämpfe in unserer Zeit",
wo es u. a. um die Arbeitskämpfe bei Siemens, den europäischen
Hafenarbeitern, bei Alstom gehen wird. Was erwartet
ihr von solch einer Konferenz, die ihr selber vor ähnlichen Kämpfen steht? Jann Döpke: Wichtig wäre aus meiner Sicht, dass
deutlich wird, welche Möglichkeiten es gibt durch Kämpfe etwas zu erreichen.
Wenn es also gelingt die Belegschaften zum entschlossenen Kämpfen und
solidarischen Handeln zu bewegen, damit sie ihre eigenen Interessen
durchsetzt. Ich erwarte auch Anregungen zu neuen Aktionsformen. Beispiele,
die Mut machen, aufzuzeigen, dass es Alternativen gibt zu dem, was der
VW-Vorstand fordert. Die Fragen für die UZ stellte |